Angesichts der äußeren Bedrohungen hat Kanzler Friedrich Merz an die Europäer appelliert, ihre Zusammenarbeit zu verstärken, um die Errungenschaften der vergangenen Jahrzehnte zu verteidigen.

„Freiheit und Demokratie sind es wert, dass wir entschlossen für sie einstehen und wenn notwendig für ihren Erhalt kämpfen“, sagte er am Donnerstag in Aachen bei der Verleihung des Karlspreises an EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. „Macht muss an Recht und Gesetz gebunden sein, sonst droht Tyrannei“, fügte er hinzu, ohne einzelne Länder zu nennen.

Merz mahnte, dass die EU mehr als ein Binnenmarkt sei, der Wohlstand geschaffen habe. Sie sei vor allem eine Werte- und Kulturgemeinschaft. „Deshalb haben wir uns darauf verständigt, den Wirtschaftsraum der Europäischen Union in den kommenden Jahren noch weiter zu vertiefen und zu modernisieren“, sagte Merz. Die Regeln müssten vereinfacht und die Bürokratie massiv zurückgebaut werden. Zudem müssten die Grenzen besser geschützt und Europa wehrhafter gemacht werden.

Merz mahnte, dass dafür die europäischen Verteidigungsindustrien enger zusammenarbeiten sollten – über die Grenzen der EU hinaus auch mit Großbritannien und Norwegen. Ohne eine Prozentzahl für Verteidigungsausgaben zu erwähnen, betonte er: „Wir Deutschen sind bereit, beim Nato-Gipfel im Juni weitreichende Beschlüsse zu fassen. Beschlüsse, die Europas Verantwortung für seine eigene Sicherheit gerecht werden und die transatlantische Allianz als Ganzes stärken.“

Merz: Kissinger würde von der Leyen anrufen

Der Karlspreis wird seit 75 Jahren in Aachen an Persönlichkeiten verliehen, die sich um die europäische Einigung verdient gemacht haben. Von der Leyen sei eine starke Stimme Europas und habe proeuropäische Kräfte in den EU-Mitgliedsstaaten und im EU-Parlament zusammengeführt, hieß es zur Begründung. Darüber hinaus habe sie große Verdienste bei der Bewältigung der Corona-Pandemie, beim geschlossenen Auftreten gegenüber Russland und beim „Green Deal“ erworben.

In seiner Lobrede für von der Leyen bezog sich Merz auf eine pointierte Aussage des ehemaligen US-Außenministers Henry Kissinger, er wisse nicht, welche Nummer in Europa er wählen solle, wenn es in der Welt brenne. „Henry Kissinger würde heute ganz sicher nicht mehr sagen müssen, dass er nicht weiß, wen er anrufen soll, um mit Europa zu sprechen. Er würde Ursula von der Leyen anrufen – als die starke Vertreterin eines starken Europas“, sagte Merz.

Spaniens König Felipe VI. hielt ebenfalls eine Lobrede, in der er die Notwendigkeit der europäischen Integration betonte. Man müsse die gefährlichen Stimmen zurückweisen, die erklärten, dass die Europäer freier, unabhängiger und souveräner seien, wenn sie national getrennt lebten.

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen rief in ihrer Rede zur Schaffung eines unabhängigen Europa auf – von der Verteidigung bis zum Handel. „Ein unabhängiges Europa – ich weiß, dass diese Botschaft für viele unheimlich klingt. Aber hier geht es im Kern um unsere Freiheit“, sagte sie. Die geopolitischen Spannungen seien gewaltig. „Die Welt ist erneut geprägt von imperialen Mächten und imperialen Kriegen. Von Großmächten, die bereit sind, alle lauteren und unlauteren Mittel einzusetzen, um sich einen Vorteil zu verschaffen“, erläuterte sie.

Europa sehe sich entschlossenen Demokratie-Feinden gegenüber: „Dafür gibt es kein eindrücklicheres Beispiel als Putins brutalen, skrupellosen Krieg gegen die Ukraine.“ Deshalb werde die Notwendigkeit, in die europäische Sicherheit zu investieren, immer dringender. „Noch in dieser Dekade wird sich eine neue internationale Ordnung herausschälen“, sagte von der Leyen. Diese neue Ordnung müsse von Europa gestaltet werden. „Unser Auftrag heißt europäische Unabhängigkeit.“

„Natürlich wollen wir unsere Handelspartnerschaft mit den Vereinigten Staaten wieder auf eine feste Basis stellen“, betonte sie zu dem von US-Präsident Donald Trump ausgelösten Zollstreit. „Aber wir wissen auch, dass 87 Prozent des Welthandels mit anderen Ländern stattfindet.“

Das in diesem Jahr erstmals mit dem Karlspreis vergebene Preisgeld von einer Million Euro soll nach dem Willen von der Leyens für Projekte zugunsten ukrainische Kinder verwendet werden. Über die Vergabe entscheiden die Preisträger und das Karlspreis-Direktorium gemeinsam. Das Preisgeld hat ein Aachener Unternehmer-Ehepaar gestiftet.

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