Genetische Analysen legen nahe, dass das Pandemievirus Sars-CoV-2 über den Handel mit Wildtieren sein Ausbruchsgebiet in China erreichte. Ein ähnliches Muster werde für den zuvor aufgetauchten Erreger Sars-CoV-1, Verursacher der Sars-Epidemie 2002/2003, angenommen, berichtet ein Forscherteam im Fachjournal „Cell“. Dass die direkten Vorfahren von Sars-CoV-1 und Sars-CoV-2 die jeweiligen Ausbruchsorte allein über die Ausbreitung bei Fledermäusen erreichten, sei mit Blick auf die geringe Mobilität dieser Tiere und das errechnete Alter der Erreger unwahrscheinlich.

Über die Herkunft des Virus, das 2020 von der chinesischen Stadt Wuhan ausgehend die Corona-Pandemie auslöste, wird immer noch gestritten. Zuletzt wurde die Diskussion durch einen in seinen Details nicht näher bekannten Bericht des Bundesnachrichtendienstes befeuert, der Erreger stamme angeblich aus einem chinesischen Labor.

Auch die Folgen der Pandemie wirken sich weiterhin aus: So hat sich die Zahl der Menschen, die an einem chronischen Fatigue-Syndrom leiden (auch bekannt als ME/CFS), laut Schätzungen seit der Pandemie auf rund 600.000 Betroffene deutschlandweit verdoppelt. Die volkswirtschaftlichen Kosten könnten sich auf mehr als 60 Milliarden Euro jährlich belaufen, teilte die ME/CFS Research Foundation am Wochenende auf Basis einer neuen Modellierungsstudie mit. ME/CFS kann vermutlich als Langzeitkomplikation verschiedener Viruserkrankungen auftreten, darunter „Long Covid“.

Die neue Studie in der Zeitschrift „Cell“ beleuchtet nun genauer den genetischen Stammbaum des Virus: Die engsten nachweisbaren Vorfahren von Sars-CoV-1 und Sars-CoV-2 existierten demnach jeweils weniger als ein Jahrzehnt vor dem Überspringen auf den Menschen. „Wir zeigen, dass das ursprüngliche Sars-CoV-1 in Westchina zirkulierte – nur ein bis zwei Jahre vor dem Auftreten von Sars in der Provinz Guangdong im Süden Zentralchinas“, sagte Hauptautor Jonathan Pekar von der San Diego School of Medicine an der University of California, der inzwischen an der University of Edinburgh forscht. Sars-CoV-2 kursierte demnach in Westchina oder Nordlaos nur fünf bis sieben Jahre vor dem Auftreten von Covid-19 in Wuhan.

Für natürliche Ausbreitung war der Weg zu lang

Westchina oder Nordlaos liegen bis zu 2.700 Kilometer entfernt von Wuhan in Zentralchina. Das sei eine zu große Entfernung für die errechnete Zeit, um über die natürliche Ausbreitung des Hauptwirts, der Hufeisennase, bewältigt worden zu sein, schließen die Forscher um Pekar. Viel wahrscheinlicher sei, dass die Virusvariante von Wildtierhändlern über Zwischenwirte dorthin gebracht wurde. Der Handel mit Wildtieren sei also eine Grundlage für das Auftreten von Covid-19 beim Menschen gewesen, heißt es im Fachjournal „Cell“.

Frühere Studien hätten nahegelegt, dass der Vorläufer des Menschen infizierenden Sars-CoV-1 wahrscheinlich durch Schleichkatzen (Paguma larvata) oder Marderhunde (Nyctereutes procyonoides) von der westchinesischen Provinz Yunnan in die mehr als tausend Kilometer entfernte Provinz Guangdong gebracht wurde. Diese Tiere werden häufig wegen ihres Fells und Fleisches gehandelt.

Die aktuelle Analyse liefere nun den bisher stärksten Hinweis darauf, dass der Ablauf bei Sars-CoV-2 ganz ähnlich war. „Bei Sars-CoV-2 sehen wir genau dasselbe Muster“, sagte Mitautor Michael Worobey von der University of Arizona.

Die Ergebnisse widersprächen der These, dass zwar Sars-CoV-1 auf natürliche Weise entstand, Sars-CoV-2 aber vermutlich das Ergebnis eines Laborlecks war. Als ein Argument habe dabei gegolten, dass die Entfernung zwischen Wuhan und dem Fledermausvirus-Reservoir zu groß für einen Ursprung sei, der auf Übertragungen durch Tiere zurückgehe, erläuterte Mitautor Joel Wertheim von der University of California. „Diese Arbeit zeigt, dass dies nicht ungewöhnlich und dem Auftreten von Sars-CoV-1 im Jahr 2002 sehr ähnlich ist.“ Sars-Cov-1 hatte eine weltweite Epidemie mit rund 800 Todesfällen zur Folge, inzwischen gilt die Variante als ausgestorben.

Nach dem Auftauchen von Sars-CoV-1 im Jahr 2002 und Sars-CoV-2 im Jahr 2019 waren in Hufeisennasen (Rhinolophidae) zirkulierende Sarbecoviren – zu denen beide Erreger gehören – verstärkt untersucht worden. Für Vergleiche werde in der Regel die Abfolge des Gesamtgenoms herangezogen, erläutern die Forscher. Allerdings entsteht schnell ein sehr unscharfes Bild der Entwicklung, weil die Viren innerhalb ihrer Fledermauswirte eine große Menge an Rekombinationen durchlaufen und dabei genetisches Material austauschen.

„Wenn zwei verschiedene Viren dieselbe Fledermaus infizieren, ist das, was aus der Fledermaus herauskommt, manchmal eine Mischung aus verschiedenen Teilen beider Viren“, erklärte Wertheim. „Die Rekombination erschwert unser Verständnis der Evolution dieser Viren, weil sie dazu führt, dass verschiedene Teile des Genoms eine unterschiedliche Evolutionsgeschichte haben.“ Die Entwicklung eines bestimmten Erregers lässt sich dadurch auf dem herkömmlichen Weg des Erbgutvergleichs kaum nachvollziehen.

Die Forscher umgingen das Problem, indem sie nicht rekombinierende Regionen der 250 verfügbaren Genome identifizierten und nur diese zur Ableitung der Evolutionsgeschichte verwendeten. Die Ergebnisse belegen demnach auch, dass Sars-CoV-ähnliche Viren schon seit Jahrtausenden in Westchina und Südostasien zirkulieren. In dieser Zeit bewegten sie sich in ähnlicher Geschwindigkeit durch die Landschaft wie ihre Wirte, die Hufeisennasen.

Diese Fledermäuse haben typischerweise kleine Verbreitungsgebiete von durchschnittlich zwei bis drei Quadratkilometern Bewegung pro Nacht, wie es in der Studie heißt. Sie wanderten kaum und hätten in der Summe eine sehr begrenzte Ausbreitungskapazität.

Einschränkend geben die Forscher zu ihren Ergebnissen zu bedenken, dass es große regionale Lücken bei den erfassten Proben gibt, was die Rückschlüsse auf den genauen Entstehungsort von Sars-CoV-1 und Sars-CoV-2 verzerren könnte. Auch bei mehr Probennahmen sei nicht zu erwarten, den direkten Vorfahren der beiden Viren zu finden.

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