Wie kann so etwas passieren? Das ist wohl die erste Frage, die man sich stellt, wenn man die Geschichte von Doris und Jessica aus Österreich hört. Nach fast vier Jahrzehnten haben die beiden Frauen erfahren, dass die Menschen, die sie großzogen, nicht ihre Eltern sind.

Die Verwechslung der beiden Babys in einer Grazer Klinik ist nun dank eines DNA-Tests nach knapp 35 Jahren geklärt worden. Die beiden mittlerweile erwachsenen Frauen haben einander vor wenigen Wochen kennengelernt und ihre leiblichen Eltern getroffen, wie sie dem Sender ORF sagten.

Es fühle sich an, als ob sie seit 35 Jahren eine Schwester habe, sagte Jessica nach ihrem ersten Treffen mit dem anderen Tausch-Kind gegenüber dem ORF. Sie weiß erst seit Kurzem, dass sie verwechselt worden war. „Es ist gruselig und gleichzeitig schön.“ Auch Doris ist froh, dass die Suche endlich geglückt ist. „Es ist einfach ein unbeschreiblich gutes Gefühl“, sagte sie.

Die beiden Mädchen kamen Ende Oktober 1990 in der südlichen Stadt Graz auf die Welt – und wogen exakt gleich viel. Als Frühchen verbrachten sie die erste Zeit nicht bei ihren Müttern, sondern in Brutkästen und Wärmebettchen, hieß es in der „Kronen Zeitung“, die über den Fall berichtet hatte.

Die Babys wurden erst durch Sonden ernährt, dann mit Fläschchen. Der Fehler lag im System: Damals gab es für Mutter und Kind jeweils nur ein Armband zur Identifikation. Im Fall von Doris und Jessica kam es offensichtlich zu einer falschen Zuordnung. Nach Bekanntwerden des Falls wurde in der Klinik ein zweites Identifikationsband für Babys am Fußgelenk eingeführt.

Das Krankenhaus bestätigte die Verwechslung und die Aufklärung des Falls. „Wir bedauern zutiefst, dass es damals zu diesem Fehler gekommen ist“, wird der Betriebsdirektor in einer Stellungnahme zitiert. Doch wie wurde der Fall letztlich aufgelöst?

Im Alter von 22 Jahren hatte Doris bereits vor Jahren durch eine Blutspende erfahren, dass sie aufgrund ihrer Blutgruppe nicht die leibliche Tochter des Paares sein konnte, das sie großgezogen hatte. Doch die biologischen Eltern und das zweite vertauschte Kind konnten nicht ermittelt werden – trotz Recherchen der Klinik und eines öffentlichen Aufrufs im Jahr 2016.

Die andere Betroffene, Jessica, erfuhr erst vor einigen Wochen von der Verwechslung. Im Zuge einer Schwangerschaft hatte auch sie ihre wahre Blutgruppe herausgefunden und war danach auf den ungeklärten Fall der vertauschten Babys gestoßen, wie der ORF berichtete. Sie habe erst Kontakt mit der anderen Frau aufgenommen und dann durch einen DNA-Test Gewissheit erhalten. Anfänglich ein Schock. Gegenüber der „Krone“ sagte ihre neu gefundene leibliche Mutter: „Es sprengt jede Vorstellungskraft.“

Blutgruppen-Vererbung

Die Blutgruppe wird von den Eltern vererbt. Im wichtigsten System, dem AB0-System, gibt es vier Gruppen: A, B, AB und 0. Die Vererbung folgt dabei den Mendelschen Regeln, sodass sich anhand der Blutgruppe in manchen Fällen eindeutige Rückschlüsse auf Verwandtschaftsverhältnisse ziehen lassen. Entdeckt wurde das Blutgruppen-System Anfang des 20. Jahrhunderts vom österreichisch-amerikanischen Arzt Karl Landsteiner – und machte Bluttransfusionen erstmals sicher möglich.

So wird die Blutgruppe zur Hälfte von der Mutter, zur Hälfte vom Vater weitergegeben. Dabei setzen sich bestimmte Merkmale stärker durch als andere. Wenn ein Elternteil zum Beispiel A weitergibt und der andere 0, entsteht Blutgruppe A. Nur wenn beide 0 weitergeben, hat auch das Kind Blutgruppe 0. Auch der sogenannte Rhesusfaktor wird so vererbt: Ist er vorhanden, ist das Blut Rhesus-positiv, fehlt er, ist es Rhesus-negativ. So lässt sich manchmal sogar ausschließen, dass jemand wirklich mit jemandem verwandt ist.

„Es ist für mich nicht wichtig, wann genau die Verwechslung passiert ist“, sagt Jessica. „Ich bin nicht böse auf jemanden, auf keine Krankenschwester und auch auf sonst niemanden – so etwas macht ja bitte keiner mit Absicht.“ Auch Doris denkt nicht daran, verbittert in den Rückspiegel zu blicken: „Ich bin nur froh, dass die Suche jetzt ein Ende hat.“

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