Mikroplastik ist überall. Die winzigen Kunststoffpartikel werden auf Meeresböden und Berggipfeln gefunden. Über die Atemluft und das Essen gelangen sie auch in Lunge, Herz, Leber, Nieren, Plazenta und den Blutkreislauf. US-Forscher hatten im Gehirn und in der Leber von Toten im vergangenen Jahr deutlich mehr Nano- und Mikroplastik gefunden als noch 2016.

Zehn Gramm Plastik ließen sich aus einem menschlichen Hirn isolieren, berichteten sie. So viel wie ein Plastik-Kaffeelöffel wiegt. Die Teilchen stammen von Flaschen und Tüten, Reifen und Bremsbelägen, Textilien und Spielzeug, die verwittern und in immer kleinere Partikel zerfallen.

In Genf startet jetzt eine weitere Runde, um sich auf ein weltweit verbindliches Abkommen zur Reduzierung der Plastikverschmutzung zu einigen. Zehn Tage lang verhandeln erneut die Vertreter von mehr als 160 Staaten. Erst im Dezember war die vorherige Verhandlungsrunde im südkoreanischen Busan dazu gescheitert. Die aktuellen Verhandlungen gelten als letzter Versuch.

Zwar sind die potenziellen Auswirkungen der winzigen Partikel im menschlichen Körper bisher nicht vollständig geklärt, viele Untersuchungen stehen noch am Anfang. Das Fachmagazin „New England Journal of Medicine“ berichtete aber bereits davon, dass eine Ansammlung von Mikroplastik in Blutgefäßen mit einem erhöhten Risiko für Herzinfarkten und Schlaganfällen in Verbindung steht.

„Viele Stoffgruppen beeinflussen die endokrinen Systeme, einige sind krebserregend“, erklärt außerdem Stefan Krause, Professor für Ökohydrologie und Biogeochemie an der Universität Birmingham. Über das endokrine System steuert der Körper mithilfe von Hormonen zahlreiche grundlegende Körperfunktionen.

Auch das Fachmagazin „PLOS One“ berichtet erst kürzlich davon, dass Menschen täglich zehntausende Mikroplastik-Partikel einatmen – besonders in Autos und Wohnungen, und zwar deutlich mehr als bislang angenommen. Besonders besorgniserregend seien, so die Forscher, die winzigen Partikel. Sie könnten tief in die Lunge eindringen und dort möglicherweise oxidativen Stress, Schäden am Immunsystem oder an Organen verursachen.

Wissenschaftler mahnen daher, dass schon jetzt Maßnahmen gegen mögliche Gesundheitsrisiken ergriffen werden müssten. „Politische Entscheidungen können nicht auf vollständige Daten warten“, erklärte das Institut für Globale Gesundheit in Barcelona in einer Mitteilung mit Blick auf die Genfer Verhandlungen.

400 Jahre bis eine Plastikflasche abgebaut ist

Acht Milliarden Tonnen Plastikmüll verschmutzen nach Angaben des Fachmagazin „Lancet“ mittlerweile den Planeten. Gleichzeitig steigt die Plastik-Produktion weiter an – bis 2060 wird sie sich voraussichtlich verdreifachen.

500 Millionen Tonnen Plastik nutzten die Menschen nach Schätzung des UN-Umweltprogramms (Unep) weltweit im vergangenen Jahr – fast doppelt so viel wie 25 Jahre zuvor. 400 Millionen Tonnen davon dürften schnell als Müll enden, so Unep. Dadurch verdreifache sich die Müllmenge bis 2060, wenn keine Maßnahmen ergriffen werden. 5,9 Millionen Tonnen Plastikabfall entstand allein in Deutschland im Jahr 2023, berichtet das Umweltbundesamt in seinen jüngsten Auswertungen.

Nur etwa zehn Prozent des Mülls werden weltweit recycelt. Mit 0,7 Prozent spielen Kunststoffe aus Stärke- und cellulosereichen Pflanzen wie Mais oder Miscanthus, Ölsaaten oder Holz kaum eine Rolle. Ein Viertel des Plastikmülls in Flüssen und Meeren stammt nach der Wissensplattform „Our World in Data“ von Plastiktüten und -flaschen. 20 Jahre braucht es, bis sich eine Plastiktüte zersetzt hat, bei einer robusten Plastikflasche sind es rund 450 Jahre.

Im Nordpazifik, zwischen Hawaii und Kalifornien treibt ein riesiger Müllstrudel, der eine Fläche von etwa 1,6 Millionen Quadratkilometern bedeckt – etwa die Größe Mitteleuropas. Dieser als „Great Pacific Garbage Patch“ bekannte Teppich besteht hauptsächlich aus Plastikteilen, die sich in den Meeresströmungen sammeln. Er gilt als ernsthafte Bedrohung für das Ökosystem. Seevögel, Schildkröten, Robben und Kleinwale verfangen sich in den herumtreibenden Tüten und Netzen. Durch Salz, Sonne und Seegang zerfällt der Müll in immer kleinere Teile – und zersetzen sich zu Mikroplastik. Das wiederum nehmen Fische und auch die anderen Meerestiere auf, es gelangt in die gesamte Nahrungskette gelangt. Die Tiere verhungern oder verdursten, der Müll verstopft ihre Mägen.

Das Abkommen soll die Produktion, das Design und die Entsorgung von Plastik umfassen. Es soll weniger produziert werden, Produkte sollen möglichst mehrfach verwendet und recycelt werden können. Was übrigbleibt, soll umweltschonend entsorgt werden. Wie das gehen soll, ist umstritten.

Eine Reihe Länder wollen möglichst nur Absprachen, wie sich Abfall beseitigen lässt – und nicht, wie er generell vermieden werden kann. „Recycling allein wird das Problem nicht lösen“, sagt Henning Wilts, Leiter der Abteilung Kreislaufwirtschaft am Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie gegenüber WELT. Die Technik sei sehr energieaufwendig, klimaschädlich und teuer. Viele giftige Stoffe würden trotzdem in die Umwelt gelangen. „Die vergangenen 30 Jahre haben außerdem gezeigt, dass es kaum eine Bereitschaft gibt, die Quote zu steigern.“ Gestritten wird auch darum, wer wie viel etwa für Recyclinganlagen in ärmeren Ländern zahlt: Regierungen oder Hersteller – oder eine Mischung aus beidem.

Mehr als 100 Länder haben sich für einen starken Vertrag mit klaren Auflagen auch zur Begrenzung der Produktion ausgesprochen, darunter die EU sowie viele afrikanische, asiatische und lateinamerikanische Staaten. Sie machen aber nur 30 Prozent des Marktanteils und ein Viertel der Weltbevölkerung aus.

Vor allem die Ölstaaten verhindern einen ehrgeizigen Vertrag, darunter Iran, Saudi-Arabien, die Golfstaaten und Russland. Denn die meisten Kunststoffe werden aus Erdöl hergestellt. Die US-Regierung unter Donald Trump schafft Regulierungen aller Art gerade ab. „Die lassen sich gerade gar nichts von UN-Institutionen vorschreiben und haben auch eine große chemische Industrie“, sagt Wilts. Die USA sind mit China die größten Herstellerländer von Plastik - in Europa ist es Deutschland.

Generell sei die Bundesrepublik laut Wilts keineswegs so vorbildlich, wie viele glaubten. „Viele Deutschen glauben, mit Mülltrennung ist das Problem gelöst.“ Klar, es lande kein Plastik mehr auf der Deponie. „Aber das meiste wird verbrannt.“ Zudem werde noch immer ein Teil des heimischen Abfalls ins Ausland exportiert, nach Ländern wie Vietnam oder Indien. Deutschland ist der größte Plastikmüllexporteur Europas. „Wer überprüft denn genau, was dort mit dem Zeug passiert“, gibt Wilts zu Bedenken.

Die EU gilt in vielerlei Hinsicht als Vorreiter, etwa mit dem Verbot von Einweg-Plastik wie Strohhalmen und Plastikbesteck. Dass weltweit so strikte Standards erreicht werden, gilt als unrealistisch. Doch Deutschland und die EU seien damit keineswegs in allen Bereichen vorbildlich. „Wir exportieren noch immer einen Teil unseres Mülls ins Ausland“, erklärt Wilts. „Unser Müll ist weltweit für das Müllproblem mitverantwortlich.“

Um dem Abkommen zum Erfolg zu verhelfen, müsse man aus seiner Sicht den Erdöl fördernden Ländern ein passendes Angebot machen. „Man könnte ihnen etwa gute Weltbank-Kredite für die größten Recyclinganlagen anbieten.“ Sollte es eine Einigung geben, gäbe es nächstes Jahr eine diplomatische Konferenz zur Unterzeichnung. Bis die in den einzelnen Ländern ratifiziert ist, dürften mehrere Jahre vergehen.

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