Seit jeher wird der Mensch von Erkrankungen geplagt – auch von Infektionskrankheiten. Doch erst ab einer bestimmten Phase der Geschichte handelte sich der Homo sapiens gehäuft Krankheitserreger ein – sogenannte Pathogene. Diese Bakterien, Viren und Parasiten verbreiteten sich dann über riesige Areale Eurasiens, wie eine große Studie zeigt. Prominentestes Beispiel ist der Pesterreger, für den die Untersuchung mit einem Alter von etwa 5500 Jahren die bislang frühesten Nachweise liefert.

In dem Mammutprojekt analysierte das internationale Forschungsteam um Eske Willerslev von der Universität Kopenhagen – darunter auch deutsche Forscher – die Genome von mehr als 1300 Menschen aus Eurasien, die vor bis zu 37.000 Jahren lebten. Zum Vergleich: Nach derzeitigem Kenntnisstand verbreitete sich der Homo sapiens erst ab grob vor etwa 60.000 Jahren von Afrika aus über Eurasien. Die Resultate der Studie bestätigen nun direkt, wie sehr die Einführung von Ackerbau und Viehwirtschaft die Ausbreitung von Krankheitserregern ankurbelte.

„Pathogene waren über unsere gesamte Evolutionsgeschichte eine stetige Bedrohung für die Gesundheit“, schreibt die Gruppe im Fachjournal „Nature“. „Bis um 1850 starb mindestens ein Viertel aller Kinder vor dem Alter von einem Jahr, und ein weiteres Viertel vor dem 15. Geburtstag.“

Mitunter hätten Infektionskrankheiten sogar ganze Gesellschaften katastrophal dezimiert. Beispiele dafür sind etwa die Pest in Europa oder die Pocken, die von Europäern nach Amerika eingeschleppt wurden und dort große Teile der einheimischen Bevölkerung dahinrafften.

Der Verdacht: In Eurasien habe gerade die Einführung der Land- und Viehwirtschaft die dauerhafte Anpassung mancher Erreger an den Menschen erst ermöglicht – einerseits durch die im Vergleich zu Jäger-und-Sammler-Gesellschaften deutlich höhere Bevölkerungsdichte, andererseits durch den engeren Kontakt mit vielen Tieren. Hinzu kam eine erhöhte Mobilität, etwa durch den Handel mit Gütern über große Distanzen.

Für diese Vermutung seien direkte Belege bisher spärlich gewesen, schreibt die Gruppe. Diese liefert nun die Analyse der Genome von 1313 Menschen aus sämtlichen Teilen Eurasiens, aber vor allem aus Europa und dem westlichen Asien. Die aus Knochen und Zähnen isolierten Genome wurden auf Erbgut-Spuren von verschiedensten Gruppen von Viren, Bakterien und anderen Erregern untersucht.

Mehr als 5000 Jahre alter Pesterreger

Nachgewiesen wurden Hunderte von Pathogenen: Für den Pesterreger Yersinia pestis fand das Team 42 eindeutige Belege – darunter mit einem Alter von grob 5500 Jahren die frühesten Nachweise. Sie stammen aus dem heutigen westlichen Russland, Zentralasien und dem Baikalsee in Sibirien. Der Nachweis von gleich drei Fällen aus einer ähnlichen Zeit spreche dafür, dass es sich nicht um voneinander isolierte Fälle handele, bei denen der Erreger sporadisch auf den Menschen übergesprungen sei, schreibt die Gruppe.

Ähnliches gilt für den Verursacher des Rückfallfiebers, das Bakterium Borrelia recurrentis. Bisher stammten die wenigen frühen Belege aus Skandinavien und von den britischen Inseln. Der älteste der nun gefundenen 34 Nachweise, die sich von Europa bis nach Sibirien erstrecken, ist grob 5500 Jahre alt und stammt von einem frühen skandinavischen Bauern. Schon damals, so die Interpretation, hätten Läuse diesen Erreger übertragen.

Ebenfalls aus dieser Epoche stammt der früheste Nachweis für die Leptospirose, verursacht durch Bakterien der Gattung Leptospira. Dieser Nachweis stammt aus Schweden. Etwa jünger sind Nachweise verschiedener Malaria-Erreger der Gattung Plasmodium, der früheste davon – P. vivax – ist mehr als 4000 Jahre alt und stammt aus Mitteleuropa.

Die Studie belegt, dass eurasische Jäger und Sammler weniger Krankheitserreger trugen als spätere Bauern und Hirten. Aber ganz frei davon waren auch sie nicht: Der Erreger der Darmentzündung Yersiniose, Yersinia enterocolitica, befiel einen Menschen auf dem Gebiet des heutigen Dänemark schon vor etwa 6400 Jahren. Er sei, so das Team, einer der wenigen, eindeutig von Tieren stammenden Erreger, die bei Wildbeutern gefunden wurden. Noch wesentlich älter ist der Hepatitis-B-Nachweis bei Bewohnern Sibiriens, die vor knapp 10.000 Jahren lebten.

Dennoch: Gerade Erreger, die von Tieren auf den Menschen übersprangen, tauchten demnach vor etwa 6500 Jahren erstmals auf, wurden ab vor 6000 Jahren häufiger und blieben dann beim Menschen über Jahrtausende. „Obwohl es zoonotische Fälle wohl auch schon vor mehr als 6500 Jahren gab, stiegen das Risiko und das Ausmaß wahrscheinlich erst mit der verbreiteten Annahme von Viehzucht und Hirtentum an“, schreibt das Team.

Weiter hießt es: „Eine bemerkenswerte Auffälligkeit in der zeitlichen Dynamik von Pest und Rückfallfieber ist das Fehlen von Fällen, die älter sind als grob 6000 Jahre. Dies fällt mit einem Übergang von Menschen aus vorwiegend Jäger-Sammler-Kontexten zu Betreibern von Ackerbau und Viehzucht.“

Interessant ist die weitere Ausbreitung im Falle der sich von Asien aus nach Osten und Westen verbreitenden Hirtenkulturen: Möglicherweise, so spekuliert die Gruppe, habe die Ausbreitung von Erregern vielerorts Bevölkerungen, für die diese Pathogene neu waren, dezimiert und damit die Ausbreitung der Hirtengesellschaften begünstigt oder überhaupt erst ermöglicht. „Dieses Szenario würde den Bevölkerungsschwund der indigenen Bewohner Amerikas nach ihrem Kontakt mit den Krankheiten, die die europäischen Kolonisatoren brachten, widerspiegeln“, heißt es weiter.

„Diese Infektionen haben nicht nur einfach Krankheiten verursacht“, betont Studienleiter Willerslev. „Sie haben möglicherweise zum Zusammenbruch von Populationen, zu Migrationen und zu genetischen Anpassungen beigetragen.“

Die Studie zeige eindeutig, dass Veränderungen der Lebensführung des Menschen zu einer größeren Last durch von Tieren stammenden Infektionskrankheiten führten, schreibt die Gruppe. Dies habe Gesundheit und Geschichte über Jahrtausende durchgreifend beeinflusst – und wirke bis heute fort.

Haftungsausschluss: Das Urheberrecht dieses Artikels liegt bei seinem ursprünglichen Autor. Der Zweck dieses Artikels besteht in der erneuten Veröffentlichung zu ausschließlich Informationszwecken und stellt keine Anlageberatung dar. Sollten dennoch Verstöße vorliegen, nehmen Sie bitte umgehend Kontakt mit uns auf. Korrektur Oder wir werden Maßnahmen zur Löschung ergreifen. Danke