Ein "Schmierentheater" erschüttert den brasilianischen Fußball: Legenden um Ronaldo reagieren mit harscher Kritik auf die hastige Absetzung des Verbandspräsidenten Ednaldo Rodrigues und die schnelle Einigung der Landesfürsten auf einen Nachfolgekandidaten.

Der große Ronaldo stand an der Formel-1-Rennstrecke in Imola und war in Gedanken doch zu Hause. "Es ist ein schrecklicher Moment", sagte die Legende des brasilianischen Fußballs. "Und das Schlimmste ist, dass wir kein Licht am Ende des Tunnels sehen." Der Putsch gegen den Präsidenten des nationalen Verbandes CBF sei eben kein revolutionärer Umsturz mit reinigender Kraft.

"Eine Seite wurde umgeschlagen, aber das Buch bleibt das Gleiche. Alle sind Mehl aus dem gleichen Sack", schimpfte der dreimalige Weltfußballer, und er meinte die 27 Landespräsidenten im CBF. Von 23 Regionalfürsten hatte er vor zwei Monaten die Tür vor der Nase zugeknallt bekommen: Das war's mit seiner Kandidatur. "So lange die CBF-Statuten so sind und die Macht in der Hand der 27 Landespräsidenten bleibt, wird dieses Schmierentheater weitergehen", schimpfte Ronaldo.

"Immer wiederkehrende Skandale"

Andere Weltmeister stießen ins gleiche Horn, sie publizierten einen offenen Brief. Cafu, WM-Kapitän 2002, bekundete "tiefe Besorgnis und Empörung über die neue institutionelle Krise". Ob Rivaldo oder Roque Junior, beide beim 2:0 im Finale gegen Deutschland dabei, aber auch Paulo Sergio und Bebeto - sie alle prangerten "immer wiederkehrende Skandale, politische Streitigkeiten und schwerwiegende Versäumnisse in der Verwaltung" an.

Dabei schien beim CBF alles in ruhigem Fahrwasser zu liegen, als Ednaldo Rodrigues nach mehr als zwei Jahren des Werbens Carlo Ancelotti als Nationaltrainer verkündete. Der 71 Jahre alte Verbandsboss, am 24. März historisch einmalig ohne Gegenstimme, ohne Protest im Amt bestätigt, wähnte sich fest im Sattel.

Keiner wollte der Putschist sein, dennoch ergriffen alle die erstbeste Gelegenheit zur Revolution, als 52 Tage nach seiner Wiederwahl ein Gericht Rodrigues wegen einer vermeintlich gefälschten Unterschrift des debilen Vize-Präsidenten Antonio Carlos Nunes Lima fadenscheinig aus dem Amt hob.

"Es muss nur eine umfassende Reform her ..."

Die regionalen Strippenzieher, die dank einer von Rodrigues veranlassten Aufstockung monatlich umgerechnet 34.000 Euro vom CBF bekommen, haben die Statuten auf ihrer Seite. Ein Arzt soll nun im Verband herumdoktern: Der 41 Jahre alte Samir Xaud, ein Nobody, der den Fußball im eliteklubfreien Amazonas-Bundesland Roraima anführt. Eine Marionette, die an einem Sonntag mit Erstligaspielen (25. Mai) wohl gewählt wird, weil am Montag darauf Ancelotti seinen ersten Auftritt hat.

Die 40 Erst- und Zweitligisten wollten einen eigenen Kandidaten ins Spiel bringen. Doch weil 25 Landesverbände schon Xaud unterstützen, reichen die beiden verbliebenen Verbände nicht mehr für die benötigten acht Zusagen der regionalen Dachorganisationen.

Was hat das alles mit der Selecao zu tun? Die taumelt seit dem Viertelfinal-Aus bei der WM 2022, kam unter einem Interimscoach und zwei heimischen Trainern nicht zur Ruhe. Ancelotti soll es nun richten. Bei noch vier ausstehenden Eliminatorias-Spielen dürfte sich der fünfmalige Weltmeister trotz eines derzeit enttäuschenden vierten Platzes als einer von sechs Südamerikanern direkt für die WM 2026 qualifizieren.

"Brasilien hat ein großes Potenzial von Talenten, von Spielern", sagte auch Ronaldo, aber er mahnte: "Es muss nur eine umfassende Reform her, damit wir wieder auf Titel hoffen können." Aus eigener Erfahrung weiß er: "So lange die Macht in ihrer Hand ist, wird sich nichts ändern."

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