Ihr härtester Gegner wird nun Trump
Das Berdonce Boxing Studio liegt versteckt zwischen Hotels und Firmenzentralen in einem Gewerbegebiet in Madrid. Direkt an der Schnellstraße M-603 und der Autobahn M40 im Norden der spanischen Hauptstadt. Hier hat eine der umstrittensten Sportlerinnen der Welt in den letzten Wochen trainiert: Bei Olympia 2024 in Paris gewann Imane Khelif (26) Gold im Weltergewicht (bis 66 Kilogramm), doch Gegnerinnen warfen ihr vor, keine Frau zu sein – und die ganze Welt diskutierte mit.
Im Auftaktkampf hatte die Italienerin Angela Carini nach einem harten Treffer ins Gesicht aufgegeben. Sie gab Khelif nach dem Duell nicht die Hand, entschuldigte sich später dafür. Die Ungarin Luca Hamori, die im Viertelfinale gegen Khelif verlor, nannte die Teilnahme der Algerierin „unfair“.
So wurde Khelif zum Ziel von Hassattacken in den sozialen Medien, was der damalige IOC-Präsident Thomas Bach verurteilte. Nach den Spielen erstattete die Boxerin sogar Anzeige, beschuldigte dort unter anderem den reichsten Mann der Welt, Elon Musk, und Harry-Potter-Autorin J.K. Rowling, online gegen sie gehetzt zu haben. Sie sagte damals, Mobbing könne „Menschen zerstören; es kann die Gedanken, den Geist und die Seele von Menschen töten. Und es kann Menschen entzweien.“
Acht Monate später in Madrid. Khelifs Trainer Pedro Díaz, ein Kubaner, war an 22 olympischen Goldmedaillen (20 für Kuba) und 21 Profi-Weltmeistertiteln beteiligt. Zur Begrüßung lacht er und verrät, dass sein Spitzname in der Heimat „der deutsche Kubaner“ ist, „weil ich genau und pünktlich bin. Die Trainingspläne, die ich schreibe, überwache ich auch genau.“
Ziel: Olympia-Gold 2026 – Training auch in den USA
Seit Februar 2023 arbeitet er mit Khelif. Ihr nächstes Ziel: „Eine weitere Medaille bei Olympischen Spielen 2028 in Los Angeles“, sagt Díaz. Dafür will Khelif in die neue Gewichtsklasse bis 70 Kilogramm aufsteigen, „was wegen meiner Größe von 1,80 Meter nicht schwer für mich sein sollte“, sagt die Sportlerin.
In den nächsten Monaten soll Khelif in Europa – unter anderem mit dem spanischen Olympia-Team in Murcia – und in den USA trainieren. In Miami betreibt Díaz das Gym „Mundo Boxing“. Auf die Frage, ob er sich angesichts der harten Einwanderungslinie von US-Präsident Donald Trump Sorgen um ein Visum für Khelif mache, sagt Díaz: „Wenn es Schwierigkeiten mit dem Visum gäbe, hätte sie es mir gesagt. Ich weiß nichts von möglichen Problemen. Wir planen, dass sie auch in den USA trainiert.“
Parallel ist inzwischen auch eine Profi-Karriere möglich. „Ihr Team prüft die Angebote“, sagt Díaz. „Denn sie möchte auch als Profi boxen – wenn da etwas kommt, was gut zu ihr passt.“
Der Boxerin ist klar, dass sie ihrem Ruf nie ganz entkommen wird. Díaz hat dazu eine klare Meinung: „In der ganzen Welt sprechen die Leute von Transsexuellen. Das trifft aber nicht auf Imane zu. Es gibt die Untersuchungen, und diese besagen, dass sie ein Mädchen ist. Sie wurde als Mädchen geboren, wuchs als Mädchen auf.“ Daher ärgerte er sich über die Schlagzeile einer spanischen Zeitung, in der Khelif als „intersexuell“ betitelt wurde. Er holt sein Handy heraus und zeigt Beschwerde-Whatsapps, die er verschickte. „Das Wort stimmt einfach nicht“, sagt Díaz.
„Ich nahm ihr daher das Handy weg“, sagt der Trainer
Er beschreibt sein Verhältnis zu Khelif als familiär. „Viele Trainer überwachen die Übungen und gehen danach“, sagt Díaz. „Meine Frau und ich kümmern uns viel mehr um unsere Kämpferinnen und Kämpfer. Unser Motto ist: Trainiere, um zu gewinnen – als Familie.“ Die Zusammenarbeit mit Khelif wurde zu seiner schwersten Aufgabe. „Die Vorbereitung für Olympia lief sehr gut“, erinnert sich Díaz. „Doch dann brach diese Situation bei den Spielen in Paris von außen über uns herein. Es ging so schnell und es wurde klar: Jetzt ist es das Wichtigste, an ihrer mentalen Verfassung zu arbeiten – das war wichtiger als die Technik“, sagt Díaz, der einen Doktortitel in Pädagogik besitzt.
Es galt, einen Plan zu entwerfen, wie man die Situation überstehen kann. Díaz: „Das Wichtigste war bei Olympia, dass Imane ruhig bleibt und sie keine Zweifel an ihren taktischen und technischen Fähigkeiten bekommt. Ich nahm ihr daher das Handy weg. Sie bekam es nur morgens und abends, um mit ihren Eltern zu sprechen.“ Khelif sollte um jeden Preis die sozialen Medien meiden und die Hasskommentare nicht sehen.
Außerdem trainierte die Boxerin nicht im Gym im olympischen Dorf, weil sie dort keine Ruhe gefunden hätte. „Daher organisierte ich ein anderes Gym von einem meiner Freunde in Paris“, sagt Díaz. „Zu diesem Zeitpunkt sagte ich ihr: ,Dein Name lautet jetzt Imane ,Gold‘ Khelif. Der einzige Fokus ist deine Goldmedaille. Hör nicht darauf, was über dich gesagt wird. Wenn du Olympiasiegerin bist, wird sich dein Leben verändern.‘ Und das ist eingetreten.“
Viele Nachrichten von Medien und Fans kamen stattdessen bei Díaz an. „Ich ging auf Distanz, kapselte mich ab und wollte es nicht kommentieren“, sagt Díaz. „Ich habe seither kaum darüber geredet.“ Schließlich gewann Khelif das Olympia-Finale gegen die Chinesin Yang Liu und holte das erste Gold für Algerien im Frauenboxen. „Wegen der ganzen Spekulationen sprach niemand über ihre unglaublichen boxerischen Fähigkeiten oder darüber, wie sie technisch und taktisch gewachsen ist“, sagt Díaz.
Bei Olympia 2021 interessierte sich noch niemand für sie
Wie sieht er die Anschuldigungen und Spekulationen um die Sexualität der Boxerin? „Jede Person auf der Welt hat das Recht auf eine Meinung“, sagt der Kubaner. „Aber jeder sollte sich auch erst einmal genau informieren, bevor man sich ein endgültiges Urteil über einen Menschen bildet. Jedes vorschnelle Urteil ohne Basis kann viele Herzen verletzen.“
Die Kontroverse um die Boxerin hatte eine Vorgeschichte: Bei Olympia 2021 in Tokio war Khelif noch im Viertelfinale gegen die Irin Kellie Harrington ausgeschieden. „Damals sprach niemand über sie“, sagt Díaz. „Sie verlor Kämpfe, und niemand thematisierte es.“
Die Sexualität rückte erst zwei Jahre später in den Fokus. Der Weltverband IBA hatte Khelif bei der WM 2023 nachträglich disqualifiziert, weil die Algerierin angeblich einen das Geschlecht prüfenden Test nicht bestanden hätte. Das war nach ihrem Sieg gegen die Russin Azalia Amineva. Der russische Weltverbandspräsident Umar Kremlev erklärte, dass Khelif nicht über zwei X-, sondern „XY-Chromosomen“ verfüge. Später hieß es, ihre Testosteronwerte würden ihr einen Vorteil gegenüber den Konkurrentinnen verschaffen. Beweise wurden für die Anschuldigungen allerdings keine vorgelegt.
Zwischen die Fronten von IBA und IOC
Khelif kam so auch zwischen die Fronten bei einem Streit des Boxverbands IBA mit dem Internationalen Olympischen Komitee (IOC). Wegen vermeintlicher Korruption und Bestechlichkeit hatte das IOC der IBA die Ausrichtung des olympischen Boxturniers entzogen. Das IOC ließ Khelif in Paris zum Boxturnier der Frauen zu, weil sie alle medizinischen Voraussetzungen erfüllt habe.
IOC-Präsident Bach sagte über Khelif und die Taiwanerin Lin Yu-ting, an deren Geschlecht ebenfalls gezweifelt wurde: „Diese Boxerinnen wurden als Frauen geboren, als Frauen aufgezogen, und sie sind als Frauen angetreten. Sie haben gewonnen und verloren wie jede andere Person. Alle diese Diskussionen basieren auf einer ,Fake News‘-Kampagne mit dem Ursprung Russland.“
Im Februar 2025 klagte die IBA gegen das IOC in der Schweiz, Frankreich und den USA – wegen der Olympia-Teilnahme der Algerierin. Der Verband bezieht sich darin auf ein Dekret von US-Präsident Trump, das in den USA die Teilnahme von Trans-Frauen an Frauen-Wettbewerben untersagt. Trump bezeichnete in einer Rede Khelif als „einen männlichen Boxer“. Die Boxerin nannte die IBA-Anschuldigungen in einem Statement „ohne Basis“, „falsch und beleidigend“. Der Verband schloss Khelif trotzdem für die WM im März 2025 aus.
Díaz fasst zusammen: „Es war bisher ein Segen, mit ihr zu arbeiten, weil ich meine gesamte Erfahrung und mein Wissen einsetzen musste, um die Erfolge zu erreichen. Der Erfolg eines Boxers wird aber nicht an Trophäen und Medaillen gemessen, sondern daran, wie du jedes Hindernis im Leben überwindest. Das gilt auch für jeden Menschen. Kein Champion ist perfekt. Es wird immer Schulterklopfer und Kritiker geben. Wenn du dich trotz allem durchsetzt, erreichst du die beste Version deiner selbst.“
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