Kompany gelang in der Kabine, was Nagelsmann und Tuchel nicht schafften
Vincent Kompany (39) trat seinen Job beim FC Bayern mit einem Mantra an. Dieses predigte er seiner Mannschaft schon vor dem ersten Pflichtspiel der Saison, dem 4:0 in der ersten Pokalrunde beim SSV Ulm am 16. August 2024. Mit seiner eindringlichen, lauten Stimme sprach er in der Kabine einen Satz, den er im Laufe der Spielzeit noch oft wiederholen sollte: „Don’t believe the hype – don’t believe the drama“! Also: „Glaubt nicht dem Hype, glaubt nicht dem Drama.“ Oder freier übersetzt: „Wir heben bei Erfolgen nicht ab, wir lassen uns von Niederlagen nicht verrückt machen.“
Kompany gelang es schnell, eine Wagenburg-Mentalität aufzubauen, die es so bei Bayern lange nicht gegeben hatte – weder unter Thomas Tuchel (51) noch unter Julian Nagelsmann (37). Er stellt die Spieler nicht vor der Gruppe bloß, übt scharfe Kritik nur in Einzelgesprächen. Kompany zeigte sogar Beispiele, wie Profis von anderen Teams mit öffentlichen Statements die eigene Mannschaft anzählten und damit den Teamgeist gefährdeten: „Das darf bei uns nie passieren!“
So schaffte es der Belgier, trotz einiger Rückschläge seine Gruppe zusammenzuhalten. Er sorgt dafür, dass es im Klub ruhig bleibt, obwohl am Ende „nur“ ein Titel steht. Und er erfüllte den wichtigsten Auftrag: Nach einem Jahr ohne Meisterschaft bekommen die Bayern die Schale zurück aus Leverkusen.
Vierte, fünfte oder siebte Wahl
Mit seiner Art gewann der ehemalige Weltklasse-Verteidiger die Spieler vom ersten Tag an für sich. Er überzeugte auch die Verantwortlichen: Beim ersten gemeinsamen Essen im „Käfer“-Restaurant war Ehrenpräsident Uli Hoeneß (73) von der Arbeitsmoral des Belgiers so angetan, dass er ihm spontan das „Du“ anbot. Ob er dann die vierte, fünfte oder siebte Wahl bei der schier endlosen Trainersuche war, interessierte in diesem Moment nicht mehr.
Die Mannschaft überzeugte Kompany nicht nur mit seiner offensiven, aktiven Spielidee. Immer wieder wurde seine große Erfahrung sichtbar: Wenn er beispielsweise betonte, auf Geldstrafen zu verzichten. Spieler, die zu spät zum Training kommen, müssen mindestens so lange wie Kompany an der Säbener Straße bleiben.
Für die Profis sehr schmerzhaft, denn Kompany genießt im Trainerteam den Ruf, „deutscher“ als die deutschen Mitarbeiter zu sein: Sein Arbeitstag finde kein Ende, immer wieder käme er auf neue Ideen. Seine Co-Trainer können von Anrufen spät am Abend ein Lied singen. In den richtigen Momenten wird aber auch entspannt: So wie beim Hüttenabend in Österreich in der kurzen Winterpause oder bei den Kabinen-Partys nach Schlusspfiff: Da lädt Kompany gerne Max Eberl (51) und Christoph Freund (47) in sein Trainerbüro ein, das Trio bleibt dann lange sitzen, analysiert und plaudert.
Mehr Freiheiten nach Spielen
Wichtig für Kompany ist die Eigenverantwortung. In der Vorbereitung bläute er seinen Stars ein: „Ihr müsst dafür sorgen, dass keiner zu spät kommt. Dass keine Strafen nötig sind!“ Wenn das Team fünf Minuten vor einer Ansprache nicht vollzählig sei, dann liege es in der Verantwortung der Spieler, dass das nicht mehr passiere – oder eben der fehlende Profi noch schnell von seinem Hotelzimmer geholt werde.
Mit einer anderen neuen Regel konnte Kompany punkten: Er führte ein, dass am Tag nach dem Spiel frei ist. So weit noch keine Besonderheit, doch der Tuchel-Nachfolger gewährte noch mehr Freiheiten: Nach einem Auswärtsspiel war es den Profis selbst überlassen, ob sie zurück mit nach München reisen oder den freien Tag direkt starteten. Das kommt bei den Spielern sehr gut an: Harry Kane (31) nutzte die neue Regelung beispielsweise nach dem Champions-League-Spiel bei Aston Villa, um in Großbritannien zu bleiben und einen Kurztrip nach London zu machen.
Wieder hilft Kompany seine eigene Karriere (u. a. Kapitän von Manchester City): Er weiß, wie selten die Freizeit in den Englischen Wochen ist, wie wenig Zeit im hektischen Terminkalender für Familie und Regeneration bleibt. Mit all seiner Erfahrung wurde Kompany sogar zum Hellseher. So erklärte er im Februar, als der Kader beinahe komplett von Verletzungen verschont blieb: „Es ist eine außergewöhnliche Situation, dass alle fit sind! Ich prophezeie euch: Es werden noch alle gebraucht, die Saison ist lang. Es wird die Situation kommen, wo jeder Einzelne von euch gebraucht wird.“
Sie kam, der Einschlag war heftig: Neuer, Davies, Upamecano, Ito und Musiala fehlten in den Viertelfinal-Duellen gegen Inter Mailand. Bayern scheiterte, Kompanys Lack bekam Kratzer: Wieso brachte er Thomas Müller (35) mit all der emotionalen Wucht im Hinspiel so spät? Warum setzte er auf den wenig konstanten Raphaël Guerreiro (31), wieso wechselte er Sacha Boey (24) ein?
Wegweisende Parole
Das Viertelfinale wurde eigentlich schon mit dem 1:2 im Hinspiel verloren. Dennoch richtete Kompany seine Mannschaft noch im San Siro mit einer bemerkenswerten Rede auf („Wir können in einem Monat Meister werden, in zwei Monaten Klub-Weltmeister, und in vier Monaten beginnt ein neuer Anlauf in der Champions League“). Typisch für ihn: Schon bei der ersten Trainingseinheit danach in München war nicht mehr Inter, sondern nur noch der nächste Gegner Heidenheim das Thema.
Sein Meisterstück kann Kompany nun am Samstag in Leipzig gelingen, wo ein Punkt zur 34. Meisterschaft und seiner ersten als Trainer reicht. Nach außen blieb der Trainer am Samstag nach dem 3:0 gegen Mainz wie immer ruhig. „Wir müssen erst noch die nötigen Punkte holen, damit es perfekt ist“, erklärte Kompany nach dem Spiel. Vom Absteiger mit dem FC Burnley zum Meistertrainer bei Bayern: Ein bisschen Hype und Drama steckt dann doch in dieser Kompany-Story ...
Der Text wurde für das Sport-Kompetenzcenter (WELT, SPORT BILD, BILD) erstellt und zuerst in SPORT BILD veröffentlicht.
Haftungsausschluss: Das Urheberrecht dieses Artikels liegt bei seinem ursprünglichen Autor. Der Zweck dieses Artikels besteht in der erneuten Veröffentlichung zu ausschließlich Informationszwecken und stellt keine Anlageberatung dar. Sollten dennoch Verstöße vorliegen, nehmen Sie bitte umgehend Kontakt mit uns auf. Korrektur Oder wir werden Maßnahmen zur Löschung ergreifen. Danke