Als Peter Neururer bei seinem Ex-Klub Stadionverbot erhielt
Peter Neururer hat sich selbst einmal einen "Verbalerotiker" genannt. Der Mann, der Geschichten wie kaum ein anderer im deutschen Fußball erlebt hat und Sprüche klopft, an die man sich immer wieder gerne erinnert, feiert heute seinen 70. Geburtstag. Anlass genug für einige seiner kuriosesten Erlebnisse!
"Als bekennender Schalker ist Borussia Dortmund der einzige Verein, bei dem ich stets kostenlos Essen und Trinken kann - jedes Mal, wenn ich dort auflaufe, fliegen mir schon die Bierbecher und Würstchen entgegen." Es ist einer dieser unzähligen legendären Sprüche, die Peter Neururer in seiner kuriosen und von vielen unglaublichen Geschichten gepflasterten Karriere vom Stapel gelassen hat. Schon der Start seiner Profi-Laufbahn als Trainer war außergewöhnlich. Als man bei Rot-Weiß Essen seinen Chef Horst Hrubesch in der Halbzeitpause (!) rauswarf, wollte Co-Trainer Neururer aus Solidarität auch hinschmeißen. Doch Hrubesch hielt ihn davon ab. Bis heute ist ihm der selbsternannte "Verbalerotiker" dafür dankbar.
Als Schalke damals Ende der 80er-Jahre bei ihm anrief, ihn von Alemannia Aachen loseiste und ihm einen unglaublichen Vertrag offerierte (u.a. eine Deutsche Mark für jeden Zuschauer im Parkstadion), musste Neururer nicht lange nachdenken - er sagte sofort zu. Dass das kleine Fußballmärchen so abrupt schließlich endete, hat er bis heute nicht verwunden. Die Schuld gab er dem ehemaligen Präsidenten und "Sonnenkönig" Günter Eichberg. Doch Schalke ist seitdem tief in Neururers Herzen verankert.
Wie Neururer sportlicher Leiter von Wattenscheid wurde
So tief, dass es vor ein paar Jahren zu einer kuriosen Geschichte kam. Als der mittlerweile verstorbene Ex-Präsident Josef Schnusenberg sich bei ihm meldete, kam es zu einer irren Verwechslung: "Er rief mich an. Genau zu dem Zeitpunkt, als Schalke Domenico Tedesco entlassen hatte. Jupp fragte mich, ob ich helfen könne und erzählte mir, was der Klub so alles aufbauen wolle. 'Super, da bin ich dabei', habe ich daraufhin gesagt." Neururer hatte nur eine einzige Bedingung: Schalke solle nur nicht direkt die Champions League als Ziel für die nächste Saison ausgeben. Schnusenberg habe dann wie folgt reagiert: "Peter, wir reden hier über Wattenscheid 09, ich sitze da im Aufsichtsrat.' Da Neururer ihm allerdings sein Wort gegeben hatte, tauchte der gebürtige Marler tatsächlich kurz darauf in Wattenscheid als sportlicher Leiter auf.
Doch zurück zum Beginn von Neururers Karriere. Nach einem kurzen Ausflug zur Hertha nach Berlin ("Ich werfe elf Trikots hoch. Wer eins fängt, darf spielen") landete der Junge aus dem Ruhrgebiet bei einer seiner kuriosesten Trainerstationen. Die Elf des 1. FC Saarbrücken, die Neururer in der Saison 1992/93 betreute, gehört sicherlich zu den bizarrsten Teams, die es in der Bundesliga je gab. Alles fing damals mit dem Sektempfang zum Aufstieg an. In geselliger Runde traf man sich beim Ministerpräsidenten des Saarlands, Oskar Lafontaine. Der Klub hatte in der Euphorie für die komplette Führungsriege einen neuen Ausgehdress springen lassen und so präsentierten sich die Herren einheitlich mit bunten Krawatten im Schredder-Look und dazu einem pinkfarbenen Jacket, das Trainer Peter Neururer bis heute als "Frühstücksjacket" bezeichnet: "Damit kannst du Eier abschrecken!"
Als Neururer damals an seinem ersten Tag in Saarbrücken etwas knapp in der Zeit mit quietschenden Reifen in seinem Porsche vorfuhr, sprach ein anwesender Reporter den legendären Satz: "Peter Neururer fährt kein Auto, Peter Neururer schleudert Auto!" Diese Erkenntnis führte einige Monate später in der Tristesse des Abstiegskampfs zu einem kurzen heiteren Moment, als man dem Coach während einer laufenden Pressekonferenz einen Brief aus Flensburg hereinreichte und Peter Neururer Sekunden später jubelnd die Arme hochriss und rief: "Yippie, endlich mal wieder zwei Punkte geholt!" Zu feiern gab es in dieser Bundesliga-Saison so wenig, dass sich Neururer einmal während eines Jubelsprungs sogar einen Bänderriss zuzog. Sein Körper war auf ein Tor einfach nicht mehr vorbereitet gewesen.
Ein Gemüsehändler aus Köln
Seine Zeit bei Hannover 96 im Anschluss sollte dann schließlich zu einer weiteren Kuriosität führen. Denn als man Neururer zum Ende der Spielzeit 1994/95 trotz aller Erfolge entließ, erteilte ihm der neue Vereinsführer Klaus-Dieter Müller tatsächlich ein Stadionverbot. Ein echtes Novum in der Geschichte des bezahlten Fußballs in Deutschland. Neururer konnte es spätestens zehn Jahre später, als er zu Hannover 96 als Trainer zurückkehrte - und man das Stadionverbot aufhob - mit Humor nehmen. Klaus-Dieter Müller hat er allerdings diese äußerst spektakuläre Tat nie so ganz verziehen: "Der ist jetzt wohl Vertreter für Weinhandlungen oder Flachzangen…"
Nach seinem kurzen Abstecher nach Hannover landete Neururer bei seinem Herzensverein: "Ich war schon FC-Fan, als Overath noch als Quark im Schaufenster ausgestellt war." Eine erlebnisreiche Zeit folgte, die auch den FC-Anhängern munter im Gedächtnis geblieben ist.
So wollte bei einer Fragerunde einmal ein Kölner Fan von Peter Neururer erfahren, ob die Anekdote stimme, dass sich der Coach vor der ersten Begegnung die Mannschaftsaufstellung von einem Anhänger habe diktieren lassen, weil er nicht recht wusste, wen er da genau vor sich hatte: "Dass ich, als ich damals Trainer vom FC geworden bin, die Spieler nicht kannte, kann ich mir nicht vorstellen. Aber es ist durchaus richtig, dass ich - ich weiß nicht mehr, wer es war - einen Beteiligten gefragt habe: 'Wenn du die Verantwortung hättest und ihr meckert immer rum, dann sag du mir doch mal, wer soll denn in Leverkusen spielen. Nenn mir mal die Aufstellung.' Das gleiche Spielchen mache ich übrigens auch immer gerne mit Präsidenten, wenn die beginnen, Kritik auszuüben, dann sag ich: 'Was stellen Sie sich eigentlich vor? Machen Sie mal für morgen die Aufstellung, dann haben Sie aber auch die Verantwortung. Da wird kein Präsident dieser Welt etwas sagen.' Dieser Fan hat mir ein paar Namen genannt, und es ist durchaus möglich, dass davon auch einige in Leverkusen gespielt haben. Aber wenn es so war: Wunderbar! Wir haben, glaube ich, in Leverkusen damals gewonnen, 2:1. Ich glaube, der Herr war Gemüsehändler aus Köln. Kennt jeder. War jeden Tag am Geißbockheim."
Als Neururer schließlich auch beim FC entlassen wurde, konnte er der zurückliegenden Zeit dennoch eine Menge Positives abgewinnen: "In Köln rauszufliegen ist keine Schande. Ich habe meinen Vertrag sogar zweimal verlängert - wer hat das denn in Köln sonst noch geschafft. Einen Fußball-Nobelpreis gibt es ja nicht. Aber eigentlich hätte ich ihn verdient!"
BVB-Manager Meier: "Nennt das Ruhrgebiet endlich Neururergebiet!"
Seine erfolgreichsten Jahre erlebte Peter Neururer ohne Zweifel beim VfL Bochum. Nachdem die Blau-Weißen damals nacheinander Schalke und Dortmund geschlagen hatten und auf den Weg in den Europapokal waren, meinte BVB-Manager Michael Meier: "Bochum sollte den Antrag stellen, das Ruhrgebiet in Neururergebiet umzubenennen." Einmalige Erlebnisse für die Fans, die Mannschaft und den Trainer sollten folgten. Und eines Tages gab Neururer ausgerechnet vor einem Spiel gegen den großen FC Bayern München in der Kabine seine legendäre Donald-Duck-Nummer - Quatschen wie die beliebte Disney-Figur im TV - zum Besten. Einfache Begründung von Neururer: Er wollte seinen Spielern die Nervosität nehmen. Anschließend hat er damals vor dieser Partie in der Kabine noch gesagt: "Wenn wir heute in der 89. Minute das 1:0 schießen, müssen wir als VfL Bochum das Selbstbewusstsein haben, nicht groß zu jubeln."
Als der Däne Peter Madsen an diesem denkwürdigen Tag bereits nach wenigen Minuten das erste Tor für den VfL schoss, ging er locker-lässig, ohne zu jubeln, zur Mittellinie. "An der Seitenlinie hat der Uli Hoeneß getobt", erinnert sich Neururer. "Der hat geglaubt, wir hätten es jetzt nicht einmal mehr nötig, uns bei einem Tor gegen die Bayern zu freuen." Dabei hatte Peter Madsen seinen Trainer einfach nur nicht richtig verstanden. Vielleicht war er auch noch etwas von Donald Duck abgelenkt. Sei es, wie es ist. Das Endergebnis lautete 1:0.
Neururers geheimer Kapitänstrick
Seine Spieler mag und verteidigte Peter Neururer im Grunde immer bis zum Äußersten. Doch als ein Journalist einmal von ihm wissen wollte, ob der Intellektuellste in der Mannschaft stets auch der Kapitän sein solle, platzte es aus ihm heraus: "Um Gottes willen! Ich habe mal einen Spieler gehabt, einen Kapitän, der war so was von dumm, der war dumm wie … dumm wie … (Einwurf des Interviewpartners: "Brot?") Ach, der hatte einen IQ, der so einzuordnen war wie die Temperaturen, die wir im Moment draußen haben, der war fast schon debil. Aber ein ü-ber-ra-gen-der Fußballer! Dem musste ich nichts erklären, der hat alles immer richtig gemacht. Intuitiv. Seine Fußballintelligenz war sensationell. Aber vom normalen Intellekt: katastrophal. Der hat gehupt, wenn er gegen einen Baum gefahren ist."
Nach Bochum sollte Peter Neururer nach seiner ersten erfolgreichen Zeit schließlich noch einmal zurückkehren - zehn Monate nach einer Erfahrung, über die er heute sagt: "Jetzt weiß ich, was es heißt tot zu sein!" Denn am 9. Juni 2012 war Peter Neururer am vorletzten Loch der Golfrunde im "Haus Leythe" in Gelsenkirchen - Bahn 17 - mit einem Herzinfarkt zusammengebrochen. Doch bereits wenige Tage nach seinem Erwachen aus dem Koma schmiedete Neururer bereits wieder Pläne für die Zukunft: "Mein Ziel ist, dass ich am 1. Juli fit bin, um wieder als Trainer arbeiten zu können." Das klappte nicht ganz, doch am Ende der Saison 2012/2013 hatte Neururer den VfL Bochum aus einer fast aussichtslosen Lage vor dem Absturz in die dritte Liga bewahrt.
Die Entlassung wenige Monate später war die letzte bis zum heutigen Tag. Und vermutlich wird es dabei auch bleiben. Auch wenn man da bei einem Peter Neururer nie so ganz sicher sein darf. Schließlich würde er diese legendären Gedanken sicherlich auch heute noch direkt unterschreiben: "Wenn wir ein Quiz machen würden unter den Trainern in Deutschland, wer am meisten Ahnung hat von Trainingslehre, Psychologie, und der Trainer mit den besten Ergebnissen kriegt den besten Klub - dann wäre ich bald bei Real Madrid."
In diesem Sinne, lieber Peter Neururer, alles Gute und Glück auf für den wunderbaren Sprücheklopfer, Geschichtenerzähler und Fußballexperten zu seinem 70. Geburtstag!
Haftungsausschluss: Das Urheberrecht dieses Artikels liegt bei seinem ursprünglichen Autor. Der Zweck dieses Artikels besteht in der erneuten Veröffentlichung zu ausschließlich Informationszwecken und stellt keine Anlageberatung dar. Sollten dennoch Verstöße vorliegen, nehmen Sie bitte umgehend Kontakt mit uns auf. Korrektur Oder wir werden Maßnahmen zur Löschung ergreifen. Danke