Pride-Match bei der WM – „Wir wollen das unbedingt verhindern“
Eine böse Vorahnung beschleicht Bernd Reisig mit Blick auf die WM im Sommer in den USA, Mexiko und Kanada (11. Juni bis 19. Juli). Der frühere Manager des FSV Frankfurt gehörte als Vertreter der LGBTQ+-Community zur Delegation der damaligen Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) mit DFB-Präsident Bernd Neuendorf, die Katar besuchte. Sie wollten sich vor der WM 2022 ein Bild über die Menschenrechtssituation zu machen, auch was den Umgang mit Homosexuellen in dem muslimischen Emirat betrifft.
Reisig war auch beim Treffen mit Fifa-Präsident Gianni Infantino dabei. „Damals wurde ihm die One-Love-Binde von Neuendorf vorgestellt, und er hat mit keinem Wort Kritik daran geübt. Aber als die WM losging, hat Infantino den Mannschaften, die mit der Binde auflaufen wollten, sportliche Sanktionen angedroht“, erinnert sich Reisig. Auch die DFB-Elf trat ohne das Symbol gegen Diskriminierung und für Vielfalt an.
Die One-Love-Binde ist Geschichte, sechs Monate vor dem WM-Start in Amerika sorgt dafür das „Pride Match“ für Schlagzeilen. Der Spielort Seattle im Bundesstaat Washington feiert am letzten Juni-Wochenende die LGBTQ+-Gemeinschaft. Auf deren Rechte wird seit den Stonewall-Aufständen 1969 in New York – der Geburtsstunde des Christopher Street Days (CSD) – jährlich mit dem „Pride Month“ in den USA aufmerksam gemacht.
Einbezogen wird in Seattle das WM-Gruppenspiel am 26. Juni im 69.000 Zuschauer fassenden Lumen Field, das stand schon vor der Auslosung fest. Die Fifa ist nicht in die Planungen involviert. Die Auslosung ergab nun ausgerechnet das „Pride Match“ Ägypten gegen Iran – zwei muslimische Länder, in denen sexuelle Minderheiten unterdrückt werden. Im Iran droht sogar die Todesstrafe. Beide legten bei der Fifa Protest ein.
„Sie müssen auch nicht zum Spiel in Seattle antreten ...“
Irans Verbandschef Mehdi Taj kündigt an: „Wir haben keinerlei Interesse, dass unser drittes WM-Spiel im Zeichen der Regenbogenfarben ausgetragen wird. Wir wollen das unbedingt verhindern und werden dies auch tun.“ Auch Ägyptens Verband (EFA) erwartet von der Fifa, „jegliche Aktivitäten zu vermeiden, die den kulturellen, religiösen und sozialen Werten der arabischen und muslimischen Gesellschaften widersprechen“.
Reisig fordert die Fifa zu einer Reaktion im Telegramm-Stil auf: „Wir haben Ihre Beschwerde zur Kenntnis genommen, ansonsten wünschen wir alles Gute.“ Reisig weiter: „Wenn der Iran und Ägypten Homosexualität ablehnen, ist das ihre Sache. Sie müssen auch nicht zum Spiel in Seattle antreten. Aber es ist absurd, wenn sie glauben, anderen vorschreiben zu können, was diese zu tun und zu lassen haben.“
Auf der Sitzung des Fifa-Rats mit Neuendorf Mitte Dezember waren die Proteste kein Thema. Der Weltverband kann ohnehin nur Einfluss innerhalb des Stadions nehmen. Bei den Einlasskontrollen könnten also Regenbogenfahnen oder andere Symbole, die Solidarität mit der LGBTQ+-Community bekunden, vom Sicherheitspersonal einkassiert werden. „Schon 2022 hat Infantino versprochen, dass das in Katar nicht passieren wird. Trotzdem wurden Fans am Zugang zum Stadion gehindert, wenn sie ihre Sachen nicht abgeben wollten. Ich schließe nicht aus, dass das in den USA wieder passiert“, sagt Reisig.
Die lokalen WM-Organisatoren im von den Demokraten regierten Seattle teilten derweil mit, an ihren Plänen außerhalb des Stadions und in der Stadt festhalten zu wollen. Möglicherweise mit drastischen Folgen. Reisig: „Unter dem Rechtspopulisten Donald Trump, der die WM als politische Bühne nutzt, halte ich nichts für ausgeschlossen – auch nicht, dass er Seattle die WM-Spiele entzieht.“
„Blatter? Infantino ist schlimmer“
Der US-Präsident hat bereits mehrfach gedroht, demokratisch regierten Spielorten wegen „Sicherheitsbedenken“ die Spiele zu entziehen. Seattle mit Bürgermeisterin Katie Wilson (43) hat Trump besonders im Fokus: „Sollten wir auch nur den geringsten Verdacht auf Probleme haben, würde ich Gianni Infantino bitten, die Veranstaltung in eine andere Stadt zu verlegen.“
Für die LGBTQ+-Szene ist Trump selbst das große Problem: Kurz nach seinem Amtsantritt strich er per Dekret bundesweite DEI-Programme (Diversity, Equity, Inclusion) zum Abbau von Diskriminierung von Minderheiten und ordnete an, dass nur noch zwei Geschlechter anerkannt werden sollen, keine Transpersonen.
Dass Infantino einer „Bitte“ Trumps auf Spielverlegung nachkommen würde, davon ist Reisig überzeugt: „Früher haben wir oft über Sepp Blatter geschimpft. Infantino ist schlimmer, unter ihm ist die Fifa nur an Gewinn-Optimierung interessiert und nimmt dafür alles in Kauf – auch den absurden Friedenspreis für Trump.“
Der Text wurde für das Sport-Kompetenzcenter (WELT, SPORT BILD, BILD) erstellt und zuerst in SPORT BILD veröffentlicht.
Haftungsausschluss: Das Urheberrecht dieses Artikels liegt bei seinem ursprünglichen Autor. Der Zweck dieses Artikels besteht in der erneuten Veröffentlichung zu ausschließlich Informationszwecken und stellt keine Anlageberatung dar. Sollten dennoch Verstöße vorliegen, nehmen Sie bitte umgehend Kontakt mit uns auf. Korrektur Oder wir werden Maßnahmen zur Löschung ergreifen. Danke