Für einen Namen in der Überschrift gab es einen Kasten Bier in der Kabine
Es war der erste Weg am Montagmorgen. In der Hoffnung, den Bus zur Schule nicht zu verpassen, ging ich kurz in den Supermarkt. Nicht für Pausenbrote oder ein Getränk, sondern für die Ergebnisse vom Wochenende. Resultate aus der C-Jugend, Landesliga Berlin, Spielberichte der Verbandsliga Männer und die Torschützenliste der Bezirksliga. Die Berliner Fussball-Woche war Pflichtlektüre für Amateurfußballer der Hauptstadt. Auch schon für einen Elfjährigen wie mich, der die 2,10 D-Mark lieber in Schlümpfe, saure Pommes und Brause-Ufos investierte – und deshalb das heilige Blatt des Berliner Fußballs hektisch am Zeitungsregal am Supermarkt durchblätterte.
Mit steigendem Taschengeld sowie etwas Sieg- und Auflaufprämie kaufte ich mir die FuWo, wie sie von allen genannt wurde, regelmäßig. Der Montagabend gehörte Spielberichten, Auswertungen der künftigen Gegner und dem Interview der Woche. Doch ich werde mir die FuWo nie wieder kaufen können, Berlins älteste Fußballzeitung ist an diesem Montag zum letzten Mal erschienen. Nach 102 Jahren wurde die Produktion eingestellt.
„Wir hatten gehofft, dass wir diese Zeilen niemals schreiben müssen. Bis zuletzt haben wir darum gekämpft, die FuWo zu erhalten und ihr eine Perspektive für die nächsten Jahre zu geben“, schrieb Herausgeber Horst Bläsig über das traurige Ende des Magazins. Bläsig begründete das Ende mit einer „toxischen Mischung aus Einnahmerückgängen, Kostensteigerungen und fehlenden Investitionsmitteln“.
Extra-Meter wegen des FuWo-Reporters
Seit 15 Jahren hat auch im Amateurfußball das Internet die Kontrolle übernommen. Liveticker aus der Kreisliga C, die Mannschaftsaufstellungen 20 Minuten vor Anpfiff und Fotos der Partien werden aber niemals das Gefühl ersetzen, im Spielbericht der FuWo als einer von drei besten Spielern aufgeführt zu werden.
Die Aufregung in der Kabine, wenn es hieß: „Jungs, heute ist einer von der FuWo da.“ Dies bedeutete nämlich, dass am Montag ein richtiger Spielbericht und nicht nur ein vom Trainer vom Platzwart-Telefon durchgegebener Dreizeiler zu lesen war. FuWo-Reporter sorgten noch einmal für die Extra-Meter auf dem Platz und gaben uns das Gefühl, nur noch ein paar Tore vom Profifußball entfernt zu sein.
Ihre Präsenz steigerte auch die Wahrscheinlichkeit, in der Elf des Tages zu landen. Was natürlich überhaupt nicht wichtig war, am Dienstag beim Training aber schon das bestimmende Thema. Genauso wie die Erwähnung eines Spielers in einer fett gedruckten Überschrift. Dies sorgte nämlich für Freude nicht nur beim Genannten. Denn die Regel hierfür war sehr viel eindeutiger als die Abseitsregel und nicht verhandelbar. Name in der Überschrift = ein Kasten Bier in der Kabine.
Das Kerngeschäft begann ab Seite zehn
In jeder Vereinskneipe lag das Blatt aus, das auch einem Betriebssportfußballer das Gefühl gab, ein Star zu sein. Die ersten Seiten berichteten pflichtschuldig über den vermeintlich großen Fußball – erste und zweite Liga. Der Abgegriffenheit der Seiten in den Vereins-Casino-Exemplaren nach zu urteilen, wurden diese meist schnell überblättert. Das Kerngeschäft der FuWo begann ab Seite zehn. Oberliga abwärts, beim ehrlichen Fußball.
Spielberichte von den Kleinsten bis zur Ü60. Alle Torschützen, alle Tabellen und manchmal sogar ein Foto vom Spiel Eintracht gegen Concordia. Die FuWo war wie ein Spiel in der Kreisklasse B – nicht immer fehlerfrei, aber mit ganz viel Leidenschaft und mitten auf dem Platz, wo das Herz des Fußballs schlägt.
Stephan Flohr berichtet vor allem über Fußball und zwischen Oktober und April die beste Sportart der Welt, Eishockey. Zufälligerweise besteht sein FuWo-Archiv nur aus der Ausgabe, in der die Elf des Jahres der Landesliga-Saison 2001/2002 Staffel 2 abgedruckt ist.
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