Es ist wohl nicht übertrieben zu sagen, dass Matthias Sammer seit Langem nicht sonderlich enthusiastisch ist, wenn er seinen Blick auf den deutschen Fußball richtet. Unterm Strich, das ist sein Tenor, fehlen Tugenden. Das stößt ihm, dem Europameister von 1996, regelmäßig bitter auf – und daraus macht er keinen Hehl. Fußball in Deutschland ist aus Sicht von Sammer mehr oder minder zur Wohlfühloase mit Kurcharakter verkommen.

Der Sender Sky hat dem 58-Jährigen nun ein Talkformat eingeräumt, zusammen mit dem Sky-Mann Riccardo Basile geht er ein Mal im Monat auf Sendung und spricht „über die großen Themen des Fußballs“, wie es in der Ankündigung hieß. An diesem Dienstagabend um 21 Uhr erscheint das Format.

Darin, wie sollte es im Sammer-Programm anders sein, kritisiert er die Entwicklung im deutschen Fußball. Er fliegt das erst über die Personalie Manuel Neuer und die deutsche Nationalmannschaft ein – und kommt dann zum Kern seiner Botschaft.

Debatte über Neuers Rückkehr in die Nationalmannschaft

Sammer sitzt bei seiner Abrechnung mit Basile im schweren braunen Ledersessel vor einem monumentalen, antik anmutenden Gemälde. Seine Garderobe: brauner Pullover, braune Hose, braune Schuhe. Sammer und Basile beschäftigt als erstes die Frage, wer bei der WM 2026 im Tor der DFB-Elf steht.

Diese Personalie treibt die deutsche Fußball-Welt ja seit einiger Zeit um, weil der Verdacht besteht, dass nicht der Beste, sondern eher eine B-Lösung als Rückhalt herhält. Der Elefant im Raum der öffentlichen Debatte ist: Manuel Neuer. Der 39 Jahre alte Schlussmann des FC Bayern war nach der Heim-EM zurückgetreten. Sein potenzieller Nachfolger Marc-André ter Stegen vom FC Barcelona fällt wegen einer Operation am Rücken lange aus, zuletzt hütete der Hoffenheimer Oliver Baumann das deutsche Tor. Aber reicht das für die WM? Sammer hat da eine klare Meinung. „Wenn wir es uns leisten können“, sagt er, „auf die Besten zu verzichten, dann sollten wir nicht den WM-Titel ausgeben.“ Neuer selbst hatte sich zuletzt eher bedeckt zu seiner Rückkehr geäußert. „Erstmal wurde ich ja nicht gefragt“, erklärte er. Sein Rücktritt aus der DFB-Auswahl im vorigen Sommer sei eine „bewusste Entscheidung“ gewesen: „Dementsprechend steht das gar nicht im Raum für mich.“

Sammer hat nun einen Rat für Bundestrainer Julian Nagelsmann. Er merke, dass Nagelsmann „nach der richtigen Lösung und Stabilität für unsere Mannschaft sucht. Und die geht erst mal über Kontinuität und Vertrauen. Gib dieser Mannschaft diese Dinge. Ich kenne sehr viele dieser Spieler. Wir haben immer noch genug Qualitäten. Ich weiß nicht, ob wir den Titel holen können, aber in der Slowakei zu verlieren, macht keinen Sinn.“ Zur Erinnerung: Das deutsche Team hatte Anfang September das WM-Qualifikationsspiel überraschend 0:2 verloren.

Damit es fortan etwas besser läuft, skizziert Sammer, „müssen wir Mittelwege für die Kreativität und die Individualität unserer Spieler finden und daraus eine Mannschaft formen. Wir stellen die Idee über die Qualität des einzelnen Spielers. Das macht keinen Sinn. Die schlauen und guten Trainer haben immer darauf geachtet, was sie zur Verfügung haben und versucht, aus diesen Situationen heraus das Beste zu kreieren“.

Sammer sagt, dass der deutsche Fußball im Abwehrbereich an sich gut seit, „wir verteidigen nur nicht mehr gut. Wir müssen auch die Zweikämpfe wieder verbessern. Vielleicht sind wir uns mittlerweile zu schade für die Drecksarbeit. Ausdauertraining ist auch Drecksarbeit“. Vielleicht, gibt er zu bedenken, „sind wir zu bequem geworden. Weil Leute im deutschen Fußball in Positionen sind, die schön darüber reden können, aber davon keine Ahnung haben. Das sind teilweise die Leiter der Nachwuchsleistungszentren, die mehr Organisatoren als Fußballer waren“.

Aus seiner Sicht müsse „mehr über die Trainerausbildung geredet werden. Wir müssen über die Sportdirektoren reden. Sportdirektoren müssen doch mindestens mal Trainer gewesen sein. Die Sportdirektoren bewerten einen Trainer. Aber was wollen sie denn bewerten? Sieg oder Niederlage?“

Der Punkt ist gesetzt und schon bald wird zu begutachten sein, inwieweit Sammer recht hat. Für die deutsche Mannschaft steht der Start in die wichtige WM-Qualifikationswoche an. Zunächst mit dem Duell am Freitag gegen Luxemburg (im Sport-Ticker der WELT) in Sinsheim und drei Tage danach in Belfast gegen Nordirland.

Wunschgemäß verläuft der Auftakt für Bundestrainer Nagelsmann indes nicht. Topstürmer Nick Woltemade konnte wegen eines grippalen Infekts zunächst nicht wie geplant ins Stammquartier der deutschen Fußball-Nationalmannschaft nach Herzogenaurach anreisen. Am Montagabend musste Nagelsmann dann bei den Torhütern nachjustieren. Noah Atubolu wurde nachnominiert, weil Stammkeeper Baumann über Übelkeit klagte. Eine Nachnominierung für Woltemade nahm Nagelsmann vorerst nicht vor.

Nach der Pleite zum Auftakt in der Slowakei steht die DFB-Elf in der Gruppe A unter Druck. Nur der Gruppensieger löst das direkte WM-Ticket.

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