Millionen für die Trennung – Der Abfindungs-Wahnsinn in der Bundesliga
Es war einer der teuersten Schachzüge bei Borussia Mönchengladbach. Um das Machtgefüge innerhalb der Kabine aufzubrechen und nachhaltig zu verändern, sollte der einflussreichste Spieler gehen: Christoph Kramer. Sein Wort hatte innerhalb der Mannschaft viel Gewicht, aber sein Einfluss auf dem Platz war extrem geschrumpft. Die Einsatz-Chancen sanken während der Vorbereitung im Sommer 2024 immer weiter.
Borussia-Sportchef Roland Virkus löste das Problem mit Stil. Es sollte keinen Verlierer geben. Also bot er Kramer einen Deal an, den er nicht ausschlagen konnte. Er soll dem ehemaligen Nationalspieler fast das komplette Gehalt bis zum Vertragsende 2025 ausgezahlt haben, rund 300.000 Euro pro Monat. Nur dafür, dass der nicht mehr kam.
Im Gegenzug musste der Mittelfeldspieler nach Informationen von „Sport Bild“ eine spezielle Klausel unterschreiben: Wenn er während der Saison, die Gladbach ihm ausbezahlt hatte, bei einem anderen Klub einsteigen würde, wäre eine Teil-Rückzahlung der Abfindung fällig geworden.
Kramer, lange einer der Top-Verdiener in Gladbach, kehrte nicht mehr als Spieler in den Profi-Fußball zurück. Die Millionen-Zahlung ließ ihn weich fallen. Der heutige TV-Experte ist damit nicht allein. Viele Spieler, Trainer, Manager können sehr gut vom „Hau-ab-Geld“ leben. Trainer José Mourinho ist der erste Star des Fußballs, der allein an Trennungen über 100 Millionen Euro kassiert hat.
Er profitierte an der Stelle am meisten vom Kreislauf im Milliarden-Geschäft Profi-Fußball: Durch die steigenden Gehälter kommt es zum Abfindungs-Wahnsinn. Oder wie es Heribert Bruchhagen, der ehemalige Boss von Eintracht Frankfurt und dem Hamburger SV, gerne formulierte: „Die Flut hebt alle Boote.“
Seoane bekommt 300.000 Euro im Monat bis zum Vertragsende
Gladbach ist zumindest in dieser Hinsicht aktuell wieder vorn dabei. Zuletzt musste Trainer Gerardo Seoane gehen, weil Borussia zum Start direkt im Keller stecken blieb. Der Schweizer liegt in der Kramer-Preisklasse: Rund 300.000 Euro monatlich stehen ihm bis zum Vertragsende im Sommer zu. Sollte er vorher einen anderen Klub übernehmen wollen, kann er nach Informationen von „Sport Bild“ sofort aus dem Vertrag raus. Dann muss er jedoch auf einen Teil der Rest-Zahlung verzichten – so besagt es eine Klausel, die alle profitieren lässt.
In Trainer-Verträgen sind derartige Vereinbarungen üblich. Zwar halten die nicht vor Gericht stand, wie die Klage von Mirko Slomka 2014 gegen den HSV zeigte. Der Trainer bekam einen Nachschlag, aber anschließend keinen Job mehr in der ersten Liga. Seine Kollegen halten sich in der Regel an die Vereinbarung, die sie selbst zu Beginn ausgehandelt haben.
In Leverkusen profitiert Erik ten Hag davon. Er hatte im Juli begonnen und wurde ab September schon nicht mehr gebraucht. Die acht Wochen brachten ihm neben den beiden Monats-Gehältern noch eine Abfindung von knapp fünf Millionen Euro. In Dortmund bekam Nuri Şahin zum Abschied zu Jahresbeginn 3,5 Millionen Euro. Mittlerweile arbeitet er in der Türkei bei Erstligist Istanbul Basaksehir.
Der BVB meint es gut mit seinen Mitarbeitern, die nicht mehr benötigt werden. Sven Mislintat war im Mai 2024 als Technischer Direktor zum BVB zurückgekehrt und musste schon im Februar 2025 nach internen Querelen wieder gehen. Vor wenigen Wochen einigten er und die BVB-Bosse um Lars Ricken sich auf einen „Bye-Bye-Bonus“. Der ehemalige Kaderplaner kassierte für die Vertragsauflösung zwei Millionen Euro.
In den Etats von mehreren 100 Millionen Euro pro Jahr gehen diese Summen fast unter. Den Fans sind sie trotzdem nicht vermittelbar. Der Fußball wirkt wie Monopoly – nur mit echtem Geld.
Hohe Abfindungen oft wegen Management-Fehlern
Stürmer Sébastien Haller, der wegen einer Krebserkrankung in seinen drei Jahren beim BVB nie ein Leistungsträger werden konnte, wechselte im August nach Utrecht. Damit sein finanzieller Verlust nicht zu groß ausfällt, bekam er vier Millionen Euro Entschädigung. Dortmund ließ ihn zudem ablösefrei ziehen.
Häufig werden die hohen Abfindungen aber nicht deshalb fällig, weil es einen Schicksalsschlag gab, wie bei Haller. Oder weil eine Fehlentwicklung einsetzte, wie oftmals bei Trainern. Sondern aufgrund von Management-Fehlern.
Hertha BSC ist dafür das aktuellste Beispiel. Der Zweitligist wurde gerade dazu verurteilt, seinem Ex-Manager Fredi Bobic über vier Millionen Euro zu zahlen. Der Hauptstadt-Klub hatte zweieinhalb Jahre lang versucht, die Zahlung zu drücken. Mit zweifelhaften Anträgen wurde das Verfahren in die Länge gezogen. Ergebnis: Bobic siegte auf ganzer Linie. Und der Zweitligist muss allein an Zinsen rund 800.000 Euro zahlen. Das ist das Jahresgehalt eines absoluten Top-Spielers in der 2. Liga.
Bei Schalke 04 kassiert Sportdirektor Ben Manga für seinen vorzeitigen Rauswurf eine Entschädigung von rund 800.000 Euro. In Bochum mussten kürzlich Trainer Dieter Hecking und Sportchef Dirk Dufner gehen. Der Manager, der erst im April verpflichtet worden war (Vertrag bis 2027), wird weiterhin bezahlt.
Hecking hatte sich im ebenfalls bis 2027 datierten Vertrag eine Feuer-Klausel festschreiben lassen. Nicht, weil er im Falle des ausbleibenden Erfolgs kräftig Kasse machen wollte. Sondern weil er weiß, dass man damit emotionalen Streitereien nach der Trennung aus dem Weg gehen kann. Er erhält nun rund eine halbe Million Euro und ist frei für den nächsten Job.
Tuchel bekam die bisher höchste Abfindung in Deutschland
Dieser Punkt treibt Steffen Baumgart an, seinen Abschied schon beim Start bis ins letzte Detail zu regeln. Deshalb konnte er nach der Entlassung Ende 2023 in Köln bereits Anfang 2024 beim HSV einsteigen. Nach dem Aus in Hamburg im November 2024 war es ihm möglich, Anfang Januar 2025 bei Union Berlin wieder in der Bundesliga loszulegen. Vom HSV kassierte er rund eine Viertelmillion Euro Abfindung. Das entsprach in etwa der Hälfte seines ausstehenden Gehalts bis zum Vertragsende.
Der FC Bayern soll bei Ex-Trainer Thomas Tuchel auf eine derartige Klausel verzichtet haben. Nach der Freistellung im Mai 2024 soll sich der Rekordmeister mit dem heutigen Nationaltrainer Englands auf eine Zahlung von über zehn Millionen Euro geeinigt haben – für ein Jahr Restlaufzeit. Es ist bisher die höchste Abfindung im deutschen Fußball.
Für dessen Vorgänger Julian Nagelsmann sollen die Münchner 2021 die höchste Trainer-Ablöse aller Zeiten an RB Leipzig gezahlt haben: rund 25 Millionen Euro. Im Vergleich dazu war seine Abfindung ein Schnäppchen. Etwa 1,5 Millionen Euro soll er dafür erhalten haben, dass ihn der FC Bayern nach der Freistellung (März 2023) vor zwei Jahren als Bundestrainer zum DFB wechseln ließ. Alle profitierten davon: Bayern sparte Geld, Nagelsmann konnte das geringere Einkommen beim DFB kompensieren, und Deutschland hatte einen Trainer. Ziel erreicht.
Der Artikel wurde für das Sport-Kompetenzcenter (WELT, SPORT BILD, BILD) verfasst und zuerst in SPORT BILD veröffentlicht.
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