Als ein Bundesliga-Spiel schon vor Anpfiff vor dem Abbruch stand
Vor 35 Jahren standen sich die beiden Klubs des heutigen Topspiels der zweiten Bundesliga, der VfL Bochum und Fortuna Düsseldorf, an einem Karnevalssamstag im Ruhrstadion ebenfalls gegenüber. Eine Partie, die kurz nach dem Mauerfall eine sonderbare Geschichte schreiben sollte.
"Es stimmt tatsächlich: Karneval - das ist die Zeit der größten Narren", schrieb der "Kicker" am Rosenmontag nach einem Samstag zum Vergessen im Bochumer Ruhrstadion. Die Partie des heimischen VfL gegen Fortuna Düsseldorf am Karnevalssamstag vor 35 Jahren hatte von Anfang an unter keinem guten Stern gestanden. Was genau an diesem Nachmittag an der Castroper Straße alles schiefgelaufen war, darüber sinnierte man noch lange in Bochum. Doch eine Sache war klar: So etwas sollte sich im besten Fall nie wiederholen.
"Rot-weiße Altbierseligkeit auf der einen, Aschermittwoch-Stimmung auf der anderen Seite", fasste der "Reviersport" die Situation am nächsten Tag zusammen - und rein sportlich betrachtet hatte das Fachblatt aus dem Ruhrgebiet damit recht. Die Fortuna hatte am Ende mit 2:1 in Bochum gewonnen - doch insgesamt hatte dieser kuriose Samstagnachmittag an der Castroper Straße fast nur Verlierer gesehen. Und daran hatte auch ein Mann aus Dresden seinen Anteil, auch wenn er es eigentlich nur gut gemeint hatte. Damals hatte im Zuge des Mauerfalls und der anstehenden Wiedervereinigung der VfL den Stadionsprecher von Dynamo Dresden, Gert Zimmermann, eingeladen.
In diesen historischen Zeiten hatte sich Bochums Manager Klaus Hilpert direkt nach dem Öffnen der Mauer um einige Spieler des früheren Meisters der DDR-Oberliga bemüht - dabei allerdings vergessen, die Spitze von Dynamo darüber zu informieren. Das war den Herren um Vereinspräsident Alfons Saupe sauer aufgestoßen, doch Hilpert konnte die Situation retten und fortan wurde sogar über eine dauerhafte Kooperation zwischen dem Westen (VfL) und dem Osten (Dynamo) gesprochen. Und in diesem Zuge stand nun am 24. Februar 1990 der spätere Sportreporter Gert "Zimmi" Zimmermann in der Sprecherkabine des Ruhrstadions. Doch das ging ungewollt nach hinten los.
Auf "komische Lieder" folgt weniger lustiger Stress
"Knapp 20.000 Zuschauer - unter ihnen 5000 Fortuna-Fans - lassen sich zum Rückrunden-Auftakt vom Stadionsprecher von Dynamo Dresden, Gert Zimmermann, begrüßen. Seinen Wunsch nach guter Stimmung verstehen einige falsch: 100 Freunde der Randale stürmen über den Rasen auf die Bochumer Kurve zu, die sich mit Leuchtraketen auf zweifelhafte Weise zur Wehr setzen", schrieb der "Reviersport" hinterher.
Und tatsächlich war die Lage an diesem Nachmittag noch weit vor dem Anpfiff hochbrisant. Denn Zimmermann, der äußerst sprachgewaltig und in guter Absicht versuchte, die Fans beider Lager in Stimmung zu bringen, erkannte zu spät den Ernst der Situation.
Die Bochumer Gesänge vom "Düsseldorfer Karnevalsverein" hatte der Dresdener Stadionsprecher lustig gefunden und so forderte er die VfL-Anhänger schließlich auf, noch mehr solch "komischer Lieder" zu singen. Das fanden die Gästefans, die in guter und beschwingter Karnevalslaune den Weg ins Ruhrgebiet angetreten waren, natürlich nach einer gewissen Zeit nicht mehr ganz so spaßig. Vor allem, wenn man bedenkt, dass damals noch die berüchtigten Hooligans in den Stadien regierten. Und so fingen schon recht bald einige Düsseldorfer mit Schaum vor dem Mund an, an den Eisenzäunen zu rappeln. Vereinzelt hangelten sich Krawallmacher auch bereits die Absperrungen hinauf.
Leuchtraketen, die auf das Spielfeld niederprasseln
Das sah auch der damalige Stadionsprecher von Dynamo Dresden - schätzte die Lage aber völlig falsch ein. Und so stachelte er die Fortunen, begeistert darüber, dass nun auch auf der anderen Seite die 'Stimmung' hochkochte, weiter an, als er lauthals in sein Mikrofon rief: "Kommt doch hoch! Oder traut ihr euch nicht? Heyheyhey. Was ist los mit euch?! Kommt hoch!" Und als die ersten "Fans" tatsächlich die Zäune passiert hatten und über die Sitzplätze auf der Süd Richtung der heimischen Fans liefen, meinte Zimmermann noch: "Jippie. Kommt doch rüber! Hier ist was los. Yeah, kommt rüber!"
Kurz darauf verstummte die Stimme aus Dresden und der etatmäßige Sprecher meldete sich mit besänftigenden Worten aus der Kabine hoch oben unter dem Dach des Ruhrstadions. Im Folgenden war es dem besonnenen Einsatz der Ordnungskräfte zu verdanken, dass dieses Spiel am 24. Februar vor 35 Jahren überhaupt begonnen werden konnte. Denn es stand schon vor dem Anpfiff kurz vor dem Abbruch. Doch auch später sollte es während der Partie immer wieder zu brenzligen Situationen kommen.
Und so notierte der "Kicker" am Montag nach der Begegnung in der Saison 1989/90 zwischen dem VfL und der Fortuna zusammenfassend und ohne Umschweife: 'Karneval in Bochum' skandierten Tausende im Düsseldorfer Fanblock; einige demonstrierten, was sie darunter verstanden: Leuchtraketen prasselten reihenweise aufs Spielfeld und sorgten für minutenlange Unterbrechungen. Aus den Reihen der Bochumer 'Fans' segelten Feuerzeuge auf den Rasen, eins traf Andreas Kaiser am Knie. Schiedsrichter Föckler drohte mit Spielabbruch. Es stimmt tatsächlich: Karneval - das ist die Zeit der größten Narren."
Dass die Partie an diesem närrischen Samstag auch an den Bochumer Anhängern insgesamt nicht spurlos vorbeigegangen ist, zeigt eine launige Notiz aus dem "Reviersport". Mit dem gewohnt pointierten Blick auf die kleinen, scheinbaren Nebensächlichkeiten schrieb man: "Derweil verscherbelte ein Mitglied des Freundeskreises gläserne Bierseidel mit den Unterschriften der VfLer zum Preis von 10 D-Mark, die der VfL-Kasse zugutekommen sollen. Die Krüge gingen überraschend weg wie warme Semmeln. Es ist zu vermuten, dass die Bochumer Sympathisanten noch am gleichen Abend ihren Kummer ertränken wollten." Das war nach diesem so unrühmlichen Nachmittag für den Fußball wahrscheinlich auch das Beste.
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