Simon Rolfes hat bei Bayer Leverkusen turbulente Monate hinter sich. Die Anstellung von Trainer Erik ten Hag entpuppte sich als Missverständnis, schon nach dem zweiten Spieltag zog der Klub die Reißleine. Dazu musste der Geschäftsführer Sport den Umbruch im Leverkusener Kader managen. Hier blickt Rolfes zurück.

Frage: Herr Rolfes, wann war für Sie klar, dass Sie sich schnell wieder von Trainer Erik ten Hag trennen müssen, der erst im Sommer verpflichtet wurde?

Simon Rolfes: Es ist immer so, dass sich Prozesse erst mal einspielen müssen. Es gibt Spieler, die brauchen am Anfang Zeit, aber man spürt, dass es in eine gute Richtung geht. Dieses Gefühl hatten wir auf der Trainerposition nicht, sondern dass leider andere Themen entstehen und wir nicht vorankommen. Vor dem Spiel in Bremen (3:3 am 2. Spieltag; d. Red.) haben wir die Entscheidung getroffen, uns zu trennen.

Frage: War die fehlende Kabinenansprache vor dem ersten Bundesliga-Spiel gegen Hoffenheim (1:2) der ausschlaggebende Grund?

Rolfes: Es gab nicht den einen Moment als Auslöser. Das Gesamtbild – so war es bei Erik und so sollte es immer sein – führte letztlich zu der Entscheidung.

Frage: Sie haben nach ten Hag sofort Kasper Hjulmand kontaktiert. Er hatte aber einen Beratervertrag beim dänischen Verband. Wie schwierig war es wirklich, Hjulmand aus dem Campus-Projekt herauszubekommen?

Rolfes: Wir haben es sofort bei Kasper probiert, richtig! Wir wollten ihn ja auch schon im Sommer haben, aber da hat es – eben wegen seiner bekannten Verpflichtungen –nicht funktioniert. Es war deswegen nach wie vor nicht klar, ob wir Kasper da herauskriegen, weil das ein sehr wichtiges Thema für ihn persönlich und für die Zukunft des dänischen Fußballs ist. Aber wir haben gemerkt: Die Tür ist doch einen Spalt weit auf, dann haben wir den Fuß reingestellt. Wir sind überzeugt, dass Kasper zu den Menschen im Verein passt und die Art, wie er Fußball spielen und trainieren möchte, ideal zu uns passt.

Frage: Wissen Sie aus dem Kopf, wie viele Verträge von Trainern und Co-Trainern Sie in diesem Sommer unterschrieben bzw. aufgelöst haben?

Rolfes: (überlegt lange) Mit dem Trainerteam von Xabi Alonso müsste das zweistellig sein ...

Frage: Spielerverträge waren es noch viel mehr. Lassen Sie uns über den wildesten Transfersommer sprechen, den Sie als Manager in Leverkusen erlebt haben ...

Rolfes: Ich würde intensiv sagen, aber nicht wild, weil gewisse Entwicklungen vorhersehbar waren und wir andere Transfers zum überwiegenden Teil natürlich auch geplant hatten. Dass Spieler, die sich bei uns über vier, fünf Jahre zu internationalen Top-Stars entwickelt haben, den Schritt in die Weltspitze machen wollen, ist nicht ungewöhnlich. Wir haben in den letzten Jahren immer propagiert, dass wir ein Klub sein wollen, der Spielern diese Möglichkeit schaffen will und wir selbst als Bayer 04 damit erfolgreich sein können. Das ist alles aufgegangen. Außergewöhnlich ist, dass es diesen Sommer vier Protagonisten (Wirtz, Frimpong, Hincapie, Tah; d. Red.) und der Trainer (Alonso; d. Red.) waren, die diese Möglichkeit hatten. Der Erfolg spricht für uns. Diese Abgänge sind auf der anderen Seite auch ein Fluch der guten Tat.

Frage: Sie haben rund eine halbe Milliarde Euro bewegt: Über 300 Mio. an Transfer-Einnahmen, rund 200 Mio. Euro in neue Spieler investiert. Verlieren Sie bei diesen Summen im Alltag – etwa im Supermarkt – schon mal das Gefühl für Geld?

Rolfes: Ich habe es im Alltag bislang immer geschafft, normal zu bleiben, mit einem Gefühl für die Realitäten des Lebens. Und im Verein haben wir immer im Blick, was wir nachhaltig finanzieren können. Wenn du hohe Einnahmen hast, ist es nicht so leicht, Spieler günstig zu bekommen. So machen wir es ja auch, wenn wir wissen, dass der aufnehmende Verein über große finanzielle Ressourcen verfügt.

Frage: Was ist Ihre Transfer-Strategie?

Rolfes: Wir wollen eine Mannschaft aufbauen, die top ist, und nicht nur profitable Transfergeschäfte machen, die gut für die Bilanzen sind. Wir versuchen, auf dem Transfermarkt clever zu agieren und zu investieren. Es ist unser Geschäftsmodell, sportlich erfolgreich zu sein und mit Verkäufen wachsen zu können.

Frage: Nie zuvor hat ein Bundesliga-Manager in einem Sommer mit einer halben Milliarde Euro hantiert. Konnten Sie noch ruhig schlafen?

Rolfes: Dadurch, dass es in diesem Sommer schlicht mehr Transfers waren als gewöhnlich, hatte ich natürlich auch mehr unruhige Nächte als früher – das auf jeden Fall. Aber schlaflos waren sie nicht. Bei diesen Summen ist es wichtig, dass du als Verein Leitplanken zur Orientierung hast. Wenn wir in diesem Sommer bei Spielerinvestitionen etwas drüber lagen, ist das den sehr hohen Einnahmen geschuldet. Das wird im nächsten Sommer wieder anders sein. Wir konnten jetzt aber auch nicht mehr auf einem vergleichbaren Level wie 2019 und 2020 investieren, weil wir bei der Qualität einen Schritt weitergehen mussten.

Frage: Trotzdem hatten Sie sich eine Leitplanke gesetzt: keine Transfers über 50 Mio. Euro. Dabei wäre ja genug Geld da gewesen, um zum Beispiel Maghnes Akliouche aus Monaco zu kaufen.

Rolfes: Es gibt Grenzen – bei den Ablösen und auch bei den Gehältern. Und wir haben nie bei den Gehältern unseren Weg verlassen, auch in diesem Sommer nicht. Klar, wir haben mehr bei den Ablösen investiert, das haben wir 2020 nach dem Verkauf von Kai Havertz auch gemacht. Aber bei den Gehältern darfst du nicht die Struktur deiner Mannschaft verlassen. Das ist gefährlich, weil sich das nicht so schnell wieder einfangen lässt.

Frage: Wäre Florian Wirtz bei einer Verlängerung der Spieler gewesen, für den Sie beim Gehalt eine Ausnahme gemacht hätten?

Rolfes: Ja. Für Flo wären wir bereit gewesen, aus diesem Rahmen auszubrechen. Zumal es vermutlich auch um nicht mehr als ein weiteres Jahr gegangen wäre. Wir alle wissen, was Florian Wirtz für die Mannschaft, die Fans, den Verein, die Region und auch für Bayer 04 international bedeutet hat. Es war ja nicht so, dass wir ihn gekauft und gleich mit einem hohen Gehalt ausgestattet hatten, sondern er hat sich über die Jahre hinweg ein außergewöhnliches Standing in allen Facetten erarbeitet.

Der Artikel wurde für das Sport-Kompetenzcenter (WELT, SPORT BILD, BILD) verfasst und zuerst in BILD AM SONNTAG veröffentlicht.

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