Was den 1. FC Köln vom HSV unterscheidet – und was nicht
An Selbstbewusstsein hat es Marius Bülter noch nie gefehlt – und nach zwei Saisontoren und drei Spielen erst recht nicht. „Die sieben Punkte haben wir nicht einfach so, sondern weil wir sie uns verdient haben“, sagte der Stürmer nach dem 3:3 (1:1) beim VfL Wolfsburg – dem zweiten Sieg und dem dritten ungeschlagenen Bundesligaspiel.
Dem ist nicht zu widersprechen: Erneut waren die Kölner an ihre Grenzen gegangen – oder diesmal sogar ein gutes Stück darüber hinaus. In der 14. Minute der Nachspielzeit konnte der FC durch das Tor von Jakub Kaminski aus einem eigentlich schon verlorenen Spiel noch ein Remis machen. Einen späteren Treffer hat es in der Bundesliga-Geschichte noch nicht gegeben. Was für eine Willensleistung.
Nur das? Nein. Denn auch in diesem Wochenende war beim Aufsteiger wieder ein bestimmtes Muster zu erkennen: Die Mannschaft von Trainer Lukas Kwasniok kann gegen Ende zulegen – mental, physisch und vor allem: personell.
Sechs der zehn Kölner Pflichtspieltore fielen ab der 80. Minute
Rückblende. Am ersten Spieltag traten die Kölner beim FSV Mainz 05 an, einem Europapokal-Teilnehmer. Es war ein solider Auftritt für einen Liga-Neuling. Köln verteidigte gut, es fehlte aber der Mut, nach vorne zu spielen. Das änderte sich nach einem Platzverweis für den Gegner. Plötzlich waren Räume da. Bülter erzielte in der 90. Minute den Siegtreffer zum 1:0 – nach einer Flanke des eingewechselten Luca Waldschmidt.
Eine Woche darauf bei der Heimpremiere gegen Freiburg, ebenfalls ein Europapokal-Teilnehmer, tat sich der FC zunächst erneut schwer. Die Führung durch Kaminski nach 35 Minuten war glücklich. Erst nach dem 2:0 durch Bülter (57.) spielte die Mannschaft gut – und siegte hinten heraus verdient mit 4:1. Den vierten Treffer erzielte das junge Talent Said El Mala, der eingewechselt worden war.
Es ist auffällig, dass die Mannschaft hinten heraus Spiele zieht, in denen sie nicht unbedingt überlegen war – dann, wenn Kwasniok sie durch Einwechselungen verändert. Sechs der zehn Kölner Pflichtspieltore – das 2:1 im DFB-Pokal in Regensburg mit eingerechnet – fielen ab der 80. Minute. Kaum ein anderer Bundesligatrainer nutzt die Alternativen von der Bank so massiv wie Kwasniok und hat damit bemerkenswerten Erfolg. In Wolfsburg wurden gleich zwei späte Treffer durch Joker eingeleitet: El Mala legte das 2:2 für Johannesson auf, Ragnar Ache das 3:3 für Kaminski.
Dazu gehört natürlich auch Glück. Doch es wäre falsch, es nur damit zu erklären. Denn darauf, solche Alternativen zu haben, hat Kwasniok hingewirkt. Er hat sich zusichern lassen, mit einem Kader zu arbeiten, der es ihm erlaubt, in jeder Phase der Saison und von allem auch während der Spiele neue Impulse setzen zu können. Ohne die Zusage wäre Kwasniok womöglich gar nicht gekommen. „Das war ein wichtiger Teilaspekt“, sagte der im Interview mit WELT AM SONNTAG.
Kwasniok änderte bislang von Spiel zu Spiel die Grundformation und die Aufstellung – und wechselte dann die richtigen Leute ein. Da stört es ihn wenig, wenn Uli Hoeneß sich darüber beklagt, „dass viele Trainer ständig etwas verändern“. Kwasniok macht genau das – und entlarvt damit die Kritik, die nicht nur von Hoeneß geäußert wird, als das, was sie ist: eine überholte Sichtweise, die nicht mehr der Komplexität des modernen Fußballs gerecht wird.
Der zweite Aufsteiger, der HSV, wirkt derzeit als der Gegenentwurf zu den Kölnern. Die Hanseaten haben ihren Saisonauftakt verpatzt – obwohl die Voraussetzungen ähnlich wie die in Köln zu sein schienen.
Der HSV musste einen Preis für seine Transferstrategie zahlen
In Köln und in Hamburg wurde nach der Rückkehr ins Oberhaus einiges verändert. Bei den Rheinländern gingen mit Max Finkgräfe, Tim Lemperle, Damian Downs und Dejan Ljubicic vier Stammspieler – bei den Norddeutschen wurde nahezu die komplette Achse der Aufstiegsmannschaft ausgetauscht: Sebastian Schonlau, Ludovit Reis und Davie Selke, der 22 Tore in der vergangenen Zweitligasaison geschossen haben, verließen den Klub. Auch hier gab es einen Umbruch.
Der Unterschied: In Bezug auf den Neuaufbau setzten die Kölner größtenteils auf Spieler wie Isak Johannesson, Tom Krauß, Ache oder Bülter, die die Liga oder zumindest den deutschen Fußball bereits kannten. Das versprach eine relativ kurze Eingewöhnungszeit.
Die Hamburger schauten international und vornehmlich nach England, was eine zeitliche Verzögerung zur Folge hatte. Dort kommt erst spät Bewegung in den Markt. Dafür musste der HSV einen Preis bezahlen. Während Kwasniok mit dem Aufgebot, das ihm vorgeschwebt hat, das Abenteuer Bundesliga beginnen konnte, musste Polzin bis zur Länderspielpause warten.
Da waren bereits zwei Spiele (0:0 in Mönchengladbach, 0:2 gegen St. Pauli) gespielt. Erst kurz vor dem Deadline-Day kamen mit Luka Vuskovic, Albert Sambi Lokonga und Fabio Vieira noch drei Spieler auf der Premier League. Doch beim 0:5-Debakel in München vom Samstag konnten sie nicht wirklich helfen. Im Gegenteil: Es war ein Fehler, den 18-jährigen Vuskovic und den vom FC Arsenal ausgeliehenen Fabio Vieira ausgerechnet bei den Bayern debütieren zu lassen.
Das erklärt die Unterschiede, die sich derzeit an der Tabelle und der Stimmung rund um die beiden Aufsteiger ablesen lassen: Die Kölner grüßen von der Spitze – die Hamburger mit nur einem Punkt und ohne einen einzigen Torerfolg aus dem Keller.
Es ist äußerst wahrscheinlich, dass sich diese Gegensätze nivellieren werden. Zumal es auf Sicht, darüber dürfte sich auch Lukas Kwasniok im Klaren sein, für beide Aufsteiger nur um eines gehen kann: irgendwie in der Liga zu bleiben. Die sechs Punkte, die die Kölner gegenüber den Hamburgern bereits mehr haben, könnte dabei am Ende sehr hilfreich sein.
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