Eberl und die Debatte um Rückritt – „Würde gern ein Geheimnis offenbaren“
Vincent Kompany erinnert sich sehr gut an den besonderen Tag. An den 15. August 2008. Bis heute zum letzten Mal holte der Hamburger SV an diesem Freitagabend einen Punkt beim FC Bayern. Seitdem verloren die Hamburger immer beim deutschen Fußball-Rekordmeister aus München. Mitunter sehr deutlich: 2:9, 0:6, 0:5.
An diesem Samstag (18.30 Uhr, Sky) kommt es erstmals seit Jahren wieder zu dem Bundesliga-Duell FC Bayern gegen den HSV. Auf der Pressekonferenz vor der Partie Freitagvormittag in der Klubzentrale an der Säbener Straße sagte der Trainer der Münchner auf Frage von WELT zu dem Tag damals: „Ich habe nach diesem Spiel entschieden, dass ich weg will. Das hatte nichts zu tun mit dem HSV, aber mir wurde was versprochen ...“
Kompany hatte damals mit der belgischen Nationalmannschaft das Halbfinale beim olympischen Fußballturnier in China spielen wollen, doch der HSV beorderte ihn zurück – und Trainer Martin Jol setzte ihn in der Partie in München auf die Bank. Erst in der Endphase der Partie wechselte Jol ihn für Bastian Reinhardt ein. „Ich war so sauer“, erzählte Kompany Freitagmittag. „Da habe ich gesagt: Das geht nicht! Mein Land spielt im Halbfinale bei Olympia. Und ich darf nicht spielen.“
Es habe nur eine Person im Verein dafür gesorgt. „Nach diesem Spiel habe ich im Hilton am Flughafen gesagt: Ich muss was anderes machen.“ Sein Vater habe noch versucht, Kompany zu beruhigen und einen Wechsel zu verhindern. „Ich weiß, dass es ein super Verein ist“, antwortete Vincent Kompany seinem Vater. „Aber aus Prinzip bin ich weg. Das war für mich inakzeptabel.“
Für 10,5 Millionen Euro zu Manchester City
Eine Woche später wechselte Kompany für 10,5 Millionen Euro vom HSV zu Manchester City. In den folgenden Jahren gewann er als Kapitän des Klubs vier englische Meisterschaften. „Ich habe keine schlechte Wahl getroffen“, so Kompany.
Dankbar ist er dem HSV trotzdem, obwohl er in den rund drei Jahren in Hamburg auch Dramatisches erlebte. Wegen eines Achillessehnenrisses musste er lange pausieren, seine Mutter Joseline starb, seine Schwester Christel erkrankte an Krebs. „Persönlich war das alles nicht einfach“, sagte Kompany. „Trotzdem habe ich viele Freunde gefunden. Die Verbindung wird immer bleiben.“
Neben ihm auf dem Podium saß Freitag Max Eberl. Der Sportvorstand hörte Kompanys Erzählungen sehr interessiert zu. Und betonte, dass er nie einen Rücktritt beim FC Bayern erwogen habe. Zuletzt war darüber berichtet und diskutiert worden. Es hieß, im Aufsichtsrat habe man mitunter den Eindruck gehabt, dass Eberl hinschmeißen könnte.
Zunächst sagte Eberl auf eine Frage zu den jüngsten Aussagen von Hoeneß im Fußball-Talk „Doppelpass“ auf Sport1: „Ich würde gern ein Geheimnis offenbaren. Bei Viny (Vincent Kompany, Red.), Christoph (Freund, Red.) und mir ist es immer, wenn Themen um mich herum sind, die irgendwann ausgelutscht sind. Dann haben wir eine Aussage. Die heißt: 'Und jetzt Fußball'.“
Auf eine spätere Nachfrage zu dem Thema Rücktritt sagte Eberl dann: „Mein Herz ist hier. Never ever dran gedacht, hier hinzuschmeißen. Dafür habe ich viel zu viel vor.“ Ehrenpräsident Hoeneß hatte zuletzt Meinungsverschiedenheiten in Transferfragen eingeräumt und Eberl attestiert, „ziemlich empfindlich“ zu sein. Später beteuerte der Bayern-Patron, er habe seinem Sportvorstand mit den deutlichen Aussagen nur helfen wollen.
„Wir reden ja von empfindlich“, sagte Eberl. „Empfinden heißt fühlen; für etwas bereit sein, zu kämpfen. Wenn du nicht fühlst, nur einen Job machst, wenn man das will, dann ist das sehr kalt.“ Viele Leute heutzutage überall auf der Welt agierten „kalt und rücksichtslos“, kritisierte er. „Für mich geht es darum: fühlen. Weil ich das, was ich tue, mit Leidenschaft tue, dafür brenne.“
Eberl: „Musste immer kämpfen in meinem Leben“
Eberl sagte, dass er die Debatte hinter sich lassen wolle. „Ich möchte nicht bei Bayern München arbeiten, das ist nicht mein Ziel gewesen. Ich möchte bei Bayern München erfolgreich sein. Das ist das, wofür ich jeden Tag aufstehe. Das ist das, wofür ich jeden Tag kämpfe.“
Der 51-Jährige unterstrich: „Ich musste immer kämpfen in meinem Leben.“ Wie es ihm persönlich in den vergangenen Tagen ging, wollte Eberl nicht verraten.
Nach den Hoeneß-Ratschlägen im „Doppelpass“ wurde der Manager auch gefragt, ob er sich künftig mehr mit Hoeneß austauschen werde. „Ich wäre dumm, wenn ich sagen würde, ich würde nicht jeden Tag lernen und auch zuhören, was Menschen für Ratschläge und Gedanken haben“, antwortete Eberl. „Alles, was mir hilft, erfolgreich zu sein, das nehme ich natürlich an
Freitagvormittag stellte Eberl mit dem Klub auch noch den Leih-Spieler Nicolas Jackson vor. Den Nationalspieler des Senegals haben die Bayern für ein Jahr vom FC Chelsea geliehen. Für diese Saison ist zwischen den Münchnern und Chelsea zunächst ein Leihgeschäft vereinbart worden. Zur Leihgebühr von 16,5 Millionen Euro kommt eine Kaufoption für den 24-jährigen Offensivprofi, die bei weiteren 65 Millionen Euro liegen soll.
Die Kaufpflicht ist allerdings an einige Bedingungen geknüpft. Ehrenpräsident Hoeneß sprach von 40 Partien in der Startelf. Diese werde Jackson aber nicht erreichen, so Hoeneß.
Was denkt man über solche Aussagen, wenn man zu den Bayern wechselt? „Ich weiß, dass er eine große Legende ist“, sagte Jackson über Hoeneß. „Die Spielzahl ist nicht mein Fokus. Meine Aufgabe ist so viele Tore zu erzielen wie möglich. Die Spielanzahl ist nicht mein Fokus.“
Jackson wird im Dezember wohl fehlen
Eberl und Kompany hätten ihn unbedingt haben wollen. Deshalb habe er sich für den FC Bayern entschieden. „Als Spieler will man da sein, wo man unbedingt gewollt ist. Ich habe Bayern schon mein ganzes Leben verfolgt. Ich bin sehr aufgeregt und freue mich, loszulegen.“ Zudem sagte Jackson: „Ich möchte der Mannschaft einfach nur helfen. Ich bin eine Nummer neun.“ Er fühle sich aber auch in einem System mit zwei Angreifern wohl
Eberl sprach von einem „harten Fight“, um Jackson von Chelsea zu bekommen. Ein entscheidender Fakt sei gewesen, dass der Spieler „unbedingt zu uns wollte“. Die Spielerseite beteiligt sich sogar mit drei Millionen Euro an der Leihgebühr.
Im Dezember und Januar könnte der Zugang den Bayern länger fehlen. Dann steht der Afrika-Cup in Marokko an. „Wir wissen, dass er da wahrscheinlich für den Senegal spielen wird“, sagte Eberl. „Anschließend wird er dann hoffentlich weiter für uns Tore schießen.“
Am kommenden Mittwoch (21 Uhr) trifft Jackson mit den Bayern auf Chelsea. Es ist der Auftakt der Münchner in die Saison der Champions League. „Ich freue mich auf das Wiedersehen und will das Spiel unbedingt gewinnen“, sagte Jackson.
Julien Wolff ist Sportredakteur. Er berichtet für WELT seit vielen Jahren aus München über den FC Bayern und die Nationalmannschaft sowie über Fitness-Themen. Gegen den HSV wird er im Stadion der Bayern sein.
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