„Doppelpass“-Geburtstag gerät zum großen Uli-Hoeneß-Psychogramm
Die TV-Institution „Doppelpass“ feierte am Sonntag ihren 30. Geburtstag. Zeit für jede Menge Anekdoten und Erinnerungswürdiges, verpackt in einer Geburtstagssendung, so dürften viele geglaubt haben. Zumal Sender Sport1 neben Moderator Florian König auch dessen drei Vorgänger eingeladen hatte. „Wir wollen nicht nur in der Vergangenheit schwelgen“, sagte König zur Begrüßung – und sollte damit allen Vorzeichen zum Trotz nach 150 Minuten tatsächlich Recht behalten haben.
„Doppelpass“, von den zahlreichen Fans kurz „DoPa“ genannt: Keine andere Sendung versteht es seit 30 Jahren so sehr, dem Fußballvolk aus dem Bauch zu sprechen. Mit Floskeln und Thesen auf Stammtisch-Niveau, zweieinhalb Stunden in bunter Runde parlierend und polternd. Nicht immer fundiert, aber mit einem Schuss Höhöhö-Witzchen und reichlich Endlich-sagts-mal-einer-Potenzial.
Und genau so ging es auch gleich los: Das Ex-Moderatoren-Trio Rudi Brückner, Jörg Wontorra und Thomas Helmer war lang genug am „Dopa“-Mikro, als dass sie nicht wissen würden, wie ihre Sendung funktioniert. Direkt beim ersten Thema, die Krise der Nationalmannschaft, lieferten die Alten ab: „Ich werde Weltmeister, hat der Nagelsmann gesagt. Ich frage mich, in welcher Sportart“, spottete Brückner. Wontorra erinnerte anschließend an die Weltmeister von 2014: „Jeder hatte mehr Qualität als die Elf vom Donnerstag.“ Und auch Helmer zeigte sich meinungsstark: „Nagelsmann muss aufhören, so viel zu experimentieren.“
So läuft das im „Doppelpass“: Hier ist Meinung garantiert, wird ungefiltert Klartext gesprochen. Der „Dopa“, die letzte TV-Insel der „Das wird man doch noch mal sagen dürfen“-Fraktion. Weil hier vermeintlich mehr geht als anderswo, werden zuverlässig Thesen und Schlagzeilen geliefert. Genau dafür hatte sich die Redaktion den wohl zuverlässigsten Produzenten im deutschen Fußball eingeladen: Uli Hoeneß.
Und der rückte mit zunehmender Dauer immer mehr in den Fokus. Waren die Gesprächsanteile beim Thema Nationalmannschaft noch einigermaßen gleich verteilt und boten daher Raum für Expertentipps an die Spieler von Stefan Effenberg („Reißt euch den Arsch auf!“) und dem zugeschalteten Reiner Calmund („Gas geben!“), hatte der Patron des FC Bayern bei den Themen zwei (Fehlende Typen im Fußball) und drei (FC Bayern) die Redemehrheit, ehe zu den Themen vier (Einfluss von Investoren) und fünf (Max Eberl) fast ausnahmslos Hoeneß befragt wurde. Das sechste und letzte Thema war dann Uli Hoeneß selbst.
Hoeneß über Eberl, Matthäus und die Scheichs
„Kannst du jetzt mal über etwas anderes reden als über mich?“, fragte Hoeneß Moderator Wontorra. Nach 121 Minuten wohlgemerkt. Wie zuvor Helmer und Brückner hatte auch Wontorra noch mal eine Viertelstunde Sendungsleitung erhalten, doch egal, wer gerade Gastgeber war – der Blick des Moderators ging stets über die linke Schulter, wo Hoeneß tief in seinen Sitz gerutscht war und launig seine Thesen abfeuerte.
Er verwechselte Newcastle mit Nottingham, war aber ansonsten klar in seinen Aussagen: Der internationale Transfermarkt sei „wie Monopoly: Rücke vor bis zur Schlossallee, dann kommt ein Scheich, und dann kannst du kaufen.“ Lauter Applaus. „Die Schlossallee ist nur deshalb nicht mehr beim FC Bayern, weil jetzt Abu Dhabi, Saudi-Arabien und Katar mitspielen. Und dann hast du bei diesen irren Auswüchsen keine Chance. Aber irgendwann haben die Scheichs auch die Schnauze voll.“ Ullliiiiiiii!
Als er dann – wie bei wahrscheinlich jedem seiner Besuche – zu seinem Verhältnis mit Lothar Matthäus befragt wurde, nachdem er diesem zuletzt unterstellt hatte, nicht mehr alle Tassen im Schrank zu haben, schenkte sich mancher Fan im Publikum einarmig schenkelklopfend ein frisches Weißbier ein: „Wir haben uns nicht viel zu sagen, weil ich festgestellt habe, dass er noch keine neue Tasse gefunden hat.“ Uli! Uli! Uli!
Spätestens jetzt war es die große Uli-Hoeneß-Show. Er wetterte gegen die Scheichs, die Medien, Trump und Lothar, gegen Transfer-Journalisten und fehlenden Anstand allgemein.
Brückner hakt bei Hoeneß nach
Gegenwind gab es zwischendurch nur einmal. Brückner, dem immer noch anzumerken ist, dass er die Moderation 2004 nach mehr als acht Jahren gegen seinen Willen abgeben musste und seitdem wirkt, als müsse er noch jemandem etwas beweisen, fragte für „Dopa“-Verhältnisse fast schon investigativ nach, wie Hoeneß‘ Furor gegen die Scheichs mit Bayern-Sponsor Emirates zusammenpasse.
Brückner war ein bisschen drüber, als er Morde an amerikanischen Journalisten und saudische Verhältnisse in den USA in den Bereich des Möglichen stellte, setzte aber einige Punkte, wie auch „Spiegel“-Reporter Markus Feldenkirchen, der politische Expertise in einfacher Sprache mit seiner Leidenschaft als (Gladbach)-Fan mixte.
So präsentierte Brückner auch einen Lösungsansatz für den deutschen Vereinsfußball im internationalen Kontext: Auf die Jugend setzen. „Das dauert aber zehn Jahre“, erwiderte Hoeneß. Brückner: „Na und? Das erleben wir doch alle noch, oder?
Ein weiterer gewagter Beitrag, wurde doch an diesem 30. Geburtstag der Altersrekord locker geknackt. In der Runde saßen Hoeneß (73), Helmer (60), Experte Alfred Draxler (72), Feldenkirchen (50), Effenberg (57), Podcaster Christoph Kröger (34), König (57), Wontorra (76) und Brückner (70), Calmund (76) war zugeschaltet. Sehr viele, überwiegend alte, Männer auf engstem Raum.
Ein bisschen Frische hätte der Runde gutgetan, doch es ging ja ohnehin nur um einen. Und der wurde nun selbst zum Thema. Seine Kritik an Bayern-Sportchef Eberl („Max ist ziemlich empfindlich“, „Max muss schauen, dass er im Juni, Juli die großen Transfers tätigt“) wurde sehr gut genutzt, um Hoeneß‘ eigene Rolle zu hinterfragen und ihn zu entlarven.
Die Vorwürfe, er könne nach seinem Rücktritt als Manager nicht loslassen und habe großen Anteil an der latenten Unruhe im Klub und der fehlenden Stärke seiner Nachfolger, stützte er, ob nun gewollt oder unfreiwillig. „Wir suchen ein Team. Das haben wir nach dem Rücktritt von Kalle (Karl-Heinz Rummenigge, d.Red.) und mir nicht so geschafft“, sagte Hoeneß und verdeutlichte sein Selbstverständnis: „Wir können nicht nicht eingreifen, wenn wir das Gefühl haben, dass etwas falsch läuft.“
Die Sendung entwickelte sich nun zum Hoeneß-Psychogramm. Er versuchte gar nicht zu widerlegen, dass er sich immer noch als operativer Teil des FC Bayern verstehe: Nicht er, nicht Eberl oder Rummenigge würden die Transfers tätigen, sondern der FC Bayern, so Hoeneß: Es sei stets und immer noch ein Gemeinschaftsprodukt. Im Erfolg, wie im Misserfolg.
Draxler erinnerte ihn daran, dass Hoeneß als Manager niemand reingeredet habe und er wirken konnte, weil ihm völlig freie Hand gelassen wurde. Hoeneß erzählte daraufhin von früher, von Schafkopf-Abenden, auf denen er „mit Franz und Kalle“ die Dinge geregelt hätte. Auch damals hätte man das gemeinschaftlich entschieden. „Es wäre auch für Max gut, wenn er endlich begreift, dass man das auf mehrere Schultern verteilen sollte.“ Ullliiiiiii!
Hoeneß will nicht aufhören
Schon in der Vergangenheit war es das johlende Publikum, das ihn zu immer noch spitzeren Aussagen angestachelt hatte. Hoeneß, der Mann fürs Bierzelt. So auch am Sonntag: „Wenn gewisse Dinge nicht gut laufen, werde ich immer mein Maul aufreißen.“ Er wurde jetzt derb. Auch gegen die Kritiker: „Markus Babbel liest morgens die ‚Bild‘-Zeitung und sagt abends, was er denkt. Das ist so unwichtig, wie wenn in China ein Radl umfällt.“ Uli! Uli! Uli!
Ein Ende seines Wirkens sei nicht in Sicht und überhaupt nur unter einer Bedingung denkbar: „Wenn wir die richtigen Leute in den richtigen Positionen haben, ziehen wir uns zurück, der Karl-Heinz und ich.“ Effenberg unterstützte devot, hob noch einmal seine Erfolge und Expertise hervor. Hoeneß habe vielen Spielern geholfen, Vereine gerettet. Was er meinte: Der darf das. Vor allem galt es, die Hauptfigur des Tages ein wenig zu umgarnen. Der Gast hatte seinen Dienst schließlich überaus zufriedenstellend verrichtet. „Diese Sendung wird die Sportjournalisten fünf Tage beschäftigen“, orakelte Feldenkirchen, der beim TV-Zuschauer wie Kröger und auch Draxler längst in Vergessenheit geraten war. Auf der letzten Etappe der Sendung waren die drei Gäste dann nicht mal mehr zu sehen, kehrten erst zum abschließenden Weißbier-Prost stehend vor die Kamera zurück. Die drei ehemaligen Moderatoren waren zu König in die Runde gekommen und hatten die Plätze erhalten. Nur einer durfte bleiben, wo er war: Hoeneß.
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