Eigentlich sollte der Fußball durch die neue Nachspielzeitenregelung transparenter werden - doch dieser Plan ist erst einmal krachend gescheitert. Aktuell ist weder für die Fans noch für die Offiziellen verständlich, wie die Zeiten zustande kommen. Nun muss das Problem gelöst werden - bevor es zwangsläufig eskalieren wird.

"Da haben sie sich eine schöne Aufgabe gestellt", meinte der Trainer des VfL Bochum, Dieter Hecking, am Samstagabend nach dem Topspiel der Zweiten Bundesliga auf Schalke (Highlights auf RTL+) - und traf damit den Nagel auf den Kopf. Denn acht Jahre nach der Einführung des VAR in der Bundesliga hat (nicht nur) der deutsche Fußball ein neues Problem. Im Bestreben eine "transparentere Spielleitung und eine höhere Nettospielzeit" zu ermöglichen, hat sich der internationale Fußball eine Aufgabe gestellt, die es hierzulande vonseiten des DFB und der DFL schnell zu lösen gilt.

Denn aktuell kann man jeden Fußballfan verstehen, der wie der Bielefelder Profi Joel Grodowski über die neue Nachspielzeitenregelung sagt: "Ich finde das ein bisschen quatschig alles!" Denn nachvollziehbar ist nach den ersten Spielen der Saison 2025/26 bei dieser neuen Regelung nur die Vorgabe seitens des DFB, doch die Umsetzung ist so schwammig, dass der Ruf nach einer gerechteren Auslegung ganz schnell gehört werden muss - bevor sich die Geschichte verselbstständigt und in einem (medialen) Flächenbrand endet.

Kniat "könnte ausrasten"

Doch wie das genau zu schaffen ist, darüber sollte sich der DFB recht bald zusammen mit seinen Schiedsrichtern differenziert auseinandersetzen. Denn so einfach, wie es sich der Trainer der Bielefelder Arminia, Mitch Kniat ("Ich könnte ausrasten, wenn ich über das Thema rede"), vorstellt, ist es offenbar nicht: "Auf einer Stoppuhr sind drei Knöpfe: Play, Pause und Zurücksetzen. Ich muss immer nur den Knopf drücken, damit ich die genaue Nachspielzeit rausbekomme." Auf Schalke waren es am Samstagabend nur drei Minuten ("Drei Tore, vier oder fünf Wechsel-Slots - da bist du schon bei vier, fünf Minuten", Dieter Hecking), während am Sonntag in Bielefeld (Highlights auf RTL+) erst 11 Minuten angezeigt und am Ende sogar fast 13 Minuten gespielt worden sind. Sehr zum Unmut der beiden Trainer von Bochum wie von Bielefeld.

Ganz offensichtlich liegt das Problem der neuen Nachspielzeitenregelung weniger bei den harten Fakten - Tore und Auswechslungsslots werden immer mit 30 Sekunden verrechnet - als bei den Dingen, die im Ermessensspielraum des Schiedsrichters und seiner Assistenten liegen. Ob dort tatsächlich jemand vom DFB sitzt und ganz klassisch eine Stoppuhr bei Verletzungen und anderen Unterbrechungen drückt, ist zwar nur schwer vorstellbar, aber möglich. Und wenn das so ist, würde eine solche Verfahrensweise - natürlich direkt sichtbar gemacht für alle Fans und Offiziellen - das Problem im ersten Schritt lösen. Denn dann könnten alle unmittelbar nachvollziehen, woher die entstandene Nachspielzeit stammen würde.

Dass man sich dadurch allerdings zwangsläufig weitere Probleme schafft - die Spielzeit würde sich anfangs sicherlich deutlich erhöhen, bis sich Spieler und Trainer anpassen würden und das berühmte Zeitschinden wegen Effektlosigkeit sein lassen würden -, müsste man wohl in Kauf nehmen, wenn einem tatsächlich an einer "transparenteren Spielleitung und einer höheren Nettospielzeit" gelegen ist. Das wird dann also zwangsläufig erst einmal dazu führen, dass die alte Weisheit - "Ein Spiel dauert 90 Minuten" - keinen Bestand mehr haben wird. Ob man das alles bei den großen Verbänden im Vorfeld genaustens bedacht und bis zum Ende überlegt hat, ist wenigstens infrage zu stellen.

Thomas Müller profitiert in MLS

Etwas beruhigend ist allerdings, dass der deutsche Fußball mit seinen großen Nachspielzeiten-Spannen international nicht alleine ist. In der amerikanischen Major League Soccer profitierte beispielsweise Thomas Müller am Wochenende davon, dass das Spiel seines Klubs Vancouver Whitecaps gegen St. Louis City deutlich verlängert wurde, so dass er noch in der 14. Minute der Nachspielzeit einen Elfmeter zum Sieg seines Teams verwandeln konnte. Auch in England erzielte beispielsweise noch in der 12. Minute der Nachspielzeit Brentfords Dango Ouattara gegen Aston Villa den 1:0-Siegtreffer.

Doch zurück nach Deutschland. Dieter Hecking meinte nach der Partie auf Schalke sichtlich angefressen: "Bei dem einen Spiel sind es elf Minuten, bei dem nächsten sind es nur drei oder zwei. Das sind Dinge, die man dann nicht nachvollziehen kann." Dass das schon immer ein großes Problem war (man erinnere sich nur einmal an den legendären Satz des damaligen Hertha-Coachs Pál Dardai im Jahr 2017, als in der 96. Minute die Bayern noch zum Ausgleich gekommen waren: "So viel Nachspielzeit, das ist der Bayern-Bonus, da sollen die alle ruhig beleidigt sein"), ist leider keine Entschuldigung. Ganz im Gegenteil sogar.

Bislang nur kleinere Vereine betroffen

Denn wenn man ein Problem eigentlich lösen will, aber in diesem Zuge offensichtlich ein noch viel Größeres schafft, dann muss man sich schnell hinterfragen und schauen, wie man aus diesem Dilemma wieder herauskommt. Der DFB sollte also nicht warten, bis sich die Sache immer weiter verschärft. Denn aktuell waren erst einmal nur kleinere Vereine betroffen. Man mag sich gar nicht ausmalen, auf welche Weise das Problem medial eskalieren würde, wenn sich diese Geschichten auch einmal bei größeren Klubs abspielen würden.

Also, lieber internationaler Fußball: Die Idee hinter der neuen Nachspielzeitenregelung ist gut. Jetzt setzt aber bitte alles daran, dass diese Neuerung auch gerecht, nachvollziehbar und vor allem einheitlich umgesetzt wird! Das ist "eine schöne Aufgabe", wie Dieter Hecking völlig zurecht mit einem Augenzwinkern meinte - und ganz sicher keine einfache. Aber gelöst werden muss sie auf jeden Fall. Am besten schon vorgestern.

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