Hoeneß verordnet Einkaufsstopp – und Eberl reagiert mit Galgenhumor
Die sportliche Führung sah sofort, wie enorm groß das Interesse an ihrer Arbeit ist. Donnerstagvormittag war der Presseraum in der Klubzentrale des FC Bayern an der Säbener Straße sehr gefüllt, zur Pressekonferenz des deutschen Fußball-Rekordmeisters vor dem Bundesliga-Auftakt gegen RB Leipzig am Freitag (20.30 Uhr, Sat.1 und Sky) erschienen Trainer Vincent Kompany und Sportvorstand Max Eberl sowie zahlreiche Reporter und Reporterinnen.
Es ging längst nicht nur um das Sportliche, um das Spiel gegen die Sachsen. Im Fokus steht die Kaderplanung des Weltklubs. Und die heftigen Debatten um diese. Es wurde eine besondere Pressekonferenz. Mit ungewöhnlich viel Galgenhumor.
Hintergrund ist eine Aussage von Uli Hoeneß. Der Ehrenpräsident und Aufsichtsrat hatte in dieser Woche in der „Süddeutschen Zeitung“ in Bezug auf weitere Transfers der Bayern in diesem Sommer gesagt: „Ich würde sehr dafür plädieren, den Kader noch aufzufüllen mit einem Leihspieler, der bis zum 30. Juni 2026 unter Vertrag genommen wird.“ Das ist ein von den Vereinsbossen verordneter Einkaufsstopp, der von vielen rund um den Klub als Wende in der Transferpolitik angesehen wird.
Erstaunlich, denn die sportliche Führung um Eberl, Sportchef Christoph Freund und Kompany war nach dem Verkauf von Kingsley Coman an al-Nassr FC offenbar davon ausgegangen, mindestens einen Spieler verpflichten zu können.
„Erst mal ist das, was Uli in der Öffentlichkeit sagt, auch intern angesprochen. Ich erfahre nicht durch die Öffentlichkeit, was zu tun ist“, sagte Eberl auf der Pressekonferenz: „Wir haben die Voraussetzung, dass der Klub für sich entschieden hat, wir wollen Geld sparen.“
Eberl: „Über meine Gefühle möchte ich nicht sprechen“
Er stellt sich offensichtlich auf ein kompliziertes Ende der Transferphase ein. Jetzt sei es die Aufgabe, „eine Leihe zu machen. Das ist die Aufgabe, die uns im Sport gegeben wird, die wir zu akzeptieren haben. Wir müssen kreativ werden. Das ist ehrlicherweise keine einfache Aufgabe auf dem Markt. Wo wir gerade darüber gesprochen haben, was andere Ligen und Konkurrenten ausgeben. Aber das ist der Job, den wir im Sport zu tun haben“, so Eberl.
Die Transferperiode endet Anfang September. Auf die Frage, was er persönlich von der Aussage Hoeneß und der damit verbundenen Strategie halte, sagte der Sportvorstand: „Über meine Gefühle möchte ich jetzt nicht sprechen.“
Sein Auftritt am Donnerstagvormittag ließ tief blicken. Was er davon hält, wurde zwischen den Zeilen deutlich. „Wenn PSG uns fragt, ob wir Michael Olise leihen …“, sagte Eberl und machte eine eindeutige Scheibenwischer-Geste mit der Hand vor dem Kopf, „… dann gibt es eher eine Absage.“ Kaufen sei generell deutlich einfacher. Man dürfe jetzt nicht aufgeben. „Wir werden den Kopf nicht in den Sand stecken“, sagte Eberl. Er betonte, dass der Verkauf Comans nicht unbedingt geplant war.
Angesprochen auf Nationalstürmer Nick Woltemade, den die Bayern bislang trotz eines sehr hohen Millionenangebots nicht vom VfB Stuttgart loseisen konnten, sagte Eberl mit Galgenhumor: „Keine Ahnung, was bis zum 1. September passiert. Vielleicht leiht Stuttgart ihn noch mal an uns – weil leihen können wir ja. Vielleicht können wir kreativ werden.“ Ernsthafter sagte Eberl, der Transfer sei — Stand jetzt – vom Tisch.
Nach Coman, Thomas Müller und Leroy Sané wird auch Paul Wanner die Bayern verlassen. Der 19-Jährige absolviert an diesem Donnerstag den Medizincheck beim PSV Eindhoven. Das bestätigte Eberl und deutete an, dass Wanner nicht an seine Chance bei Bayern geglaubt habe.
Und auch auf anderer Ebene mussten die erfolgsverwöhnten Münchner einen Rückschlag hinnehmen. Beim Saisonstart fehlt Zugang Tom Bischof. Der Mittelfeldspieler wurde kurzfristig am Blinddarm operiert. Eine konkrete Prognose über die Dauer des Ausfalls und ein mögliches Comeback des 20-Jährigen gaben die Bayern bislang nicht ab.
Den schon vor Bischofs Ausfall zu verzeichnenden etlichen Abgängen in der Offensive steht bislang einzig Luis Díaz vom FC Liverpool als prominenter Zugang gegenüber. „In der Offensive sind wir relativ dünn, und das kann jeder sehen“, sagte Eberl bemerkenswert deutlich. „Wenn man dann nicht daran glaubt, dann muss man Entscheidungen treffen. Wir wollen mit Spielern arbeiten, die Bock darauf haben, Bayern-München-Spieler zu werden. Und da gehören halt Schritte dazu. Und da gehört auch Mut dazu.“
Generell habe man in der Offensive vier Spieler, so Eberl: „Jamal (Musiala, Anm. d. Red.) ist verletzt. Das ist eine Schwierigkeit in der Transferperiode. Trotzdem wollen wir einen Kader haben, der kompetitiv ist. Gleichzeitig wollen wir Möglichkeiten geben, um Entwicklungen nicht zu blockieren. Das ist absolut nicht in unserem Interesse.“ Eberl sagte zudem: „Am Ende der Transferperiode kommen oft ganz, ganz kuriose Sachen zustande. Ich fand die Antwort sehr kreativ. Wenigstens ich lobe mich mal …“
Wie könnten die kreativen Lösungen aussehen? Trainer Kompany sagte süffisant: „Also Manuel Neuer wird nicht im Sturm spielen.“ In der Offensive habe man „vier erfahrene Spieler und zwei talentierte Jungs.“ Er nannte Raphaël Guerreiro und Bischof, der aber erst einmal ausfällt, als Optionen für die Offensive. „Ich mag nicht diese Opferposition“, betonte Kompany bezüglich der Debatte um einen zu dünnen Kader. „Ich hasse das.“ Er glaube an sein Team. „Egal was ist, wir wollen angreifen. Wir haben viele Leute, die sich mit Transfers beschäftigen. Meine Aufgabe ist, dass wir gegen Leipzig gewinnen.“
Mittwoch im Pokal gegen Wehen Wiesbaden
Die Bayern brauchen allerdings einen breiten Kader für die lange Saison. Mittwoch (20.45 Uhr, ZDF und Sky) treten sie im DFB-Pokal beim SV Wehen Wiesbaden an. Am Donnerstag der kommenden Woche wird die Gruppenphase der Champions League gelost.
Was sind die Ziele für die drei Wettbewerbe, fragte WELT Kompany und Eberl. In der vergangenen Saison gewannen die Bayern die Meisterschaft. „Man kann eine Saison nicht anfangen und sagen, dass wir weniger wollen als letztes Jahr“, antwortete Kompany. „Man will die Latte immer etwas höher setzen, das wird immer so sein. Wir sind Meister, deswegen ist es ok, dass wir Favorit sind. Damit gewinnst du morgen aber das Spiel nicht. Wichtig ist, dass wir den Hunger haben, als ob wir zum ersten Mal was gewinnen wollen.“
Und Eberl sagte: „Wenn du bei Bayern arbeitest, willst du immer das maximal Mögliche. Wir gehen in eine Saison und wollen möglichst alles gewinnen. Dann gibt es in der Saison aber Entwicklungen. Wir wollen gegen Leipzig erfolgreich starten.“
Die Trainer der anderen Bundesligaklubs sind sich einig: Ihrer Meinung nach wird der deutsche Meister FC Bayern seinen Titel in der neuen Saison verteidigen. „Sie haben einfach die beste Mannschaft“, sagte der neue Werder-Trainer Horst Steffen und gab damit das eindeutige Meinungsbild in einer Umfrage der Deutschen Presse-Agentur wieder.
Nachdem Bayer Leverkusen 2024 überraschend die deutsche Meisterschaft gewonnen hatten, trauten gleich mehrere Bundesliga-Trainer der Werkself vor der vergangenen Saison eine Titelverteidigung zu. Diesmal jedoch findet sich in der Umfrage kein einziger anderer Meistertipp als der FC Bayern.
„Der Punkteabstand war letztes Jahr schon sehr groß. Deshalb glaube ich nicht, dass die anderen Mannschaften diese Lücke zum FC Bayern schließen können“, sagte Heidenheims Frank Schmidt. Am Ende der vergangenen Saison entthronte der Rekordmeister den Titelverteidiger Bayer mit 13 Punkten Vorsprung.
„Ich denke, es rückt alles wieder etwas enger zusammen“, sagte Julian Schuster, Trainer des SC Freiburg. „Aber am Ende werden die Bayern wieder vorn stehen.“
Zunächst beobachtet die Bundesliga ganz genau, was sich bei den Bayern in Sachen (Leih-)Transfers noch tut. Und wie sich das Innenverhältnis der Klubbosse und der sportlichen Leitung entwickelt.
Julien Wolff ist Sportredakteur. Er berichtet für WELT seit vielen Jahren aus München über den FC Bayern und die Nationalmannschaft sowie über Fitness-Themen und wird beim Spiel gegen Leipzig im Stadion sein.
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