Der Junge aus Gelsenkirchen hat sich nie als Star begriffen, geschweige denn inszeniert
Im Jahr 1989 befand sich Ulli Potofski in der Wahrnehmung der Öffentlichkeit auf dem Gipfel. Damals wurde ihm der Bambi, der renommierte deutsche Fernsehpreis, verliehen. Potofski war von einer Publikumsjury zum beliebtesten deutschen TV-Moderator gewählt worden – vor Thomas Gottschalk und Günther Jauch. „Das war ein Moment in meinem Leben, in dem ich sehr auf mich aufpassen musste“, sagte der Sportreporter, Buchautor und Entertainer vor einigen Monaten.
Denn als er damals auf der Bühne im Münchener Prinzregententheater gestanden und durch den Saal geschaut habe, wirkte dies irgendwie surreal. Neben den ganzen Fernsehstars hätten damals Hans-Dietrich Genscher, der Jerusalemer Bürgermeister Teddy Kollek, der Sänger Chris de Burgh und weitere Größen aus Politik und Gesellschaft gesessen, so Potofski: „Und oben steht Ulli aus Schalke“. In einem solchen Moment „denkst du für eine Sekunde: Du gehörst jetzt dazu. Aber das ist natürlich nicht so“.
Ulli Potofski, der am 3. August nach kurzer schwerer Krankheit im Alter von 73 Jahren gestorben ist, hat sich nie als Star oder bedeutender Zeitgenosse begriffen, geschweige denn inszeniert – gerade auch nicht gegenüber seinen Sportreporterkollegen, obwohl er vielen in puncto Bekanntheit um Lichtjahre voraus war. Im Gegenteil: Er war sehr respektvoll gegenüber jedem in der Branche, die seit jeher auch von einem harten Verdrängungswettbewerb und von Eitelkeiten geprägt ist – speziell im Fernsehbereich.
Esther Sedlaczek dankt ihrem „Fernsehpapa“
„Die Tränen sind noch nicht getrocknet, aber was bleibt sind endlos viele wunderbare Erinnerungen an unsere gemeinsame Zeit und dich als einzigartigen Menschen“, schrieb die Moderatorin Esther Sedlaczek bei Instagram und veröffentlichte mehrere gemeinsame Fotos. Potofski, so Sedlacek, sei ihr „Fernsehpapa“ gewesen.
Dass er einmal eine TV-Vaterfigur werden sollte, hätte sich der „Junge aus Gelsenkirchen“, wie er sich selbst gern bezeichnete, wohl nie träumen lassen. Potofski stand die meiste Zeit seiner über 50-jährigen Karriere für das Gegenteil: für einen jungen Wilden, einen Anarcho mit einer Frisur, die an Jimi Hendrix erinnerte. Allein schon sein Weg zum Radio und später zum Fernsehen war nach heutigen Maßstäben: schräg.
Potofski absolvierte eine Ausbildung als Koch. Er war Diskjockey, Puppenspieler und versuchte sich als Schlagersänger. „Ich kann an keinem Girl vorübergeh'n“ hieß seine Single, die 1969 unter dem Künstlernamen „Ulli Mario“ veröffentlicht wurde. Potofski kaufte sich damals auch ein Tonbandgerät, um Probereportagen aufzunehmen. Mit denen bewarb er sich erfolgreich bei Radio Luxemburg und später beim WDR-Hörfunk. Dann ging er zum Fernsehen, zu RTL, das am 1. Januar 1984 als erster privater TV-Sender in Deutschland auf Sendung ging.
Die vielen Anekdoten, die er aus dieser Zeit immer wieder gern erzählte, sind legendär – vor allem die Pannen, die im neuen Medium damals passierten. Wie die Geschichte mit dem sogenannten „Muttertagsfilm“. Der sei „für die ganze Familie und besonders für die Mütter“, habe die junge RTL-Ansagerin damals gesagt. Dummerweise hatte die Redaktion den Inhalt des Streifens vorher nicht gecheckt. Es handelte sich um einen Soft-Porno. Danach wurde jemand eingestellt, der Inhaltsangaben erstellte.
Helmuth Thoma schickte Potofski zum DFB
Die große Stunde von Potofski schlug dann 1986. Helmut Thoma, der damalige RTL-Programmdirektor, schickte ihn nach Frankfurt mit dem Auftrag, sich doch einmal beim Deutschen Fußballbund (DFB) zu erkundigen, wie man denn an die TV-Rechte für die Bundesliga kommen könnte. Potofski tat wie ihm geheißen – und verhandelte einen Deal, der damals nahezu aberwitzig teuer erschien: für 40 Millionen D-Mark sicherte sich RTL die Rechte und durfte ab der Saison 1988/89 die Zusammenfassung der Bundesligaspiele senden. Das Format „Anpfiff“ ging auf Sendung – und spaltete die Fußballnation.
„Die einen haben uns geliebt, aber für andere war es wie der Untergang des Abendlandes“, so Potofski. Die Zuschauer, die bis dahin nur die angestaubte Berichterstattung der ARD-Sportschau gewohnt waren, tobten. Die Zeitungs-Kritiken für die Sendung, die Potofski moderierte, waren zunächst vernichtend – vor allem, weil erstmals diverse Showelemente integriert wurden. So kürte u.a. RTL- Sexualberaterin Erika Berger den schönsten Fußballer. Das war zu viel für konservative Fans.
Was häufig jedoch vergessen wird: Wohl nie gab es so viel Bundesliga-Fußball im frei empfangbaren Fernsehen zu sehen wie zu „Anpfiff“-Zeiten. Es war fast schon zu viel: Bei bis zu zwanzigminütigen Zusammenfassungen von Spielen wie Uerdingen gegen Duisburg sackt die Quote dann doch gefährlich ab – auch weil RTL damals noch nicht deutschlandweit terrestrisch empfangbar war. Mit Beginn der Saison 1991/92 überließ RTL die Rechte an den Samstagspielen dann wieder der ARD.
„Ich habe damals 10.000 Mark als Sportchef verdient“
Dennoch hat „Anpfiff“ die Sportberichterstattung nachhaltig verändert. Ab 1992 sicherte sich Sat.1 die Rechte. Die Sendung „ran“ baute auf dem auf, was Thoma und Potofski kreiert hatten. Der Show- und Eventcharakter wurde noch weiter ausgebaut und professionalisiert. Fußballer wurden durch Homestorys zu Stars stilisiert – und die „ran“-Protagonisten wie Reinhold Beckmann, Jörg Wontorra und Johannes B. Kerner gleich mit.
„Unsere Zeit war noch nicht die Goldgräberzeit für Moderatoren und Kommentaren, die begann erst mit Sat.1. Da konnte man auch mal eine halbe Million oder mehr im Jahr verdienen“, sagte Potofski, der auch nach „Anpfiff“ noch mehrere Jahre bei RTL blieb. „Ich habe damals 10.000 Mark als Sportchef verdient. Ich habe das für viel Geld gehalten“, sagte er mal.
Wahrscheinlich wäre Potofski auch weiterhin fest bei RTL geblieben. „Doch irgendwann war ich denen zu alt – obwohl ich da erst Anfang 50 war.“ Er widmete sich verschiedenen anderen Projekten, nahm eine Hörspielreihe („Teufelskicker“) auf, war Programmverantwortlicher bei einem Kanal für Pferdesport, seine eigentliche Leidenschaft.
Potofski schrieb viele Kinderbücher
2006 ging er als Kommentator zum Bezahlsender Premiere, der 2009 zu Sky wurde. Bis zu seinem Tod berichtete er meistens über Spiele der zweiten Liga. Er machte zusammen mit dem Politiker Wolfgang Bosbach einen Podcast und eine Bühnenshow („Ein Jahrgang – zwei Leben“), moderierte Radiosendungen und schrieb Bücher, darunter viele Kinderbücher.
In der vergangenen Saison, als Potofski auch einige Reportereinsätze in der Ersten Bundesliga hatte, sorgte er noch mal für ein spezielles Highlight. Er interviewte Leverkusens Meistertrainer Xabi Alonso, der zu diesem Zeitpunkt bereits mit Real Madrid in Verbindung gebracht wurde. Das Thema sollte eigentlich tabu sein.
„Mal ganz ehrlich: Wenn Real Madrid einen fragt, dann kann man doch gar nicht nein sagen“, sagte Potofski. Alonso regierte ausweichend: „Du sprichst hypothetisch.“ Potofski: „Für den Fall, dass das alles nicht klappt – auf Schalke suchen sie auch noch einen Trainer.“ Alonso konnte sich das Lachen nicht verkneifen: „Ich hatte keine Ahnung.“ Woraufhin Potofski das Gespräch abmoderierte: „Da muss man auch keine Ahnung haben.“
„Übermorgen wird eine andere Sau durchs Dorf getrieben“
Alonso ging natürlich nicht zu Schalke, sondern zu Real. Dass Potofski nach dem Interview kritisiert wurde, er hätte sich respektlos über seinen Lieblingsverein geäußert, störte ihn wenig. „So ist das halt: Übermorgen wird eine andere Sau durchs Dorf getrieben“, erklärte er lapidar.
Ulli Potofski war jemand, der sowohl den Fußball als auch das Fernsehen sehr geliebt hat. Es war sein Leben. Aber er hat sich nie von den Auswüchsen und Überspanntheiten des Geschäfts verrückt machen lassen.
1989, als ihm Harry Valérien den Bambi überreichte, verblüffte er den früheren Sportstudio-Moderator und Wintersportexperten mit einer Anekdote. Er habe einmal ein Abfahrtsrennen übertragen müssen, obwohl er keine Ahnung hatte. Doch da Valérien in der Reporterkabine neben ihm saß, habe er einfach nur gelauscht und dann nachgesprochen, was der gesagt habe. Lediglich wenn dem waschechten Valérien ein „Sapperlott“ entfahren wäre, hätte er im breitesten Ruhrgebietsdeutsch entweder „Donnerwetter“ oder „mein lieber Scholli“ gesagt.
Haftungsausschluss: Das Urheberrecht dieses Artikels liegt bei seinem ursprünglichen Autor. Der Zweck dieses Artikels besteht in der erneuten Veröffentlichung zu ausschließlich Informationszwecken und stellt keine Anlageberatung dar. Sollten dennoch Verstöße vorliegen, nehmen Sie bitte umgehend Kontakt mit uns auf. Korrektur Oder wir werden Maßnahmen zur Löschung ergreifen. Danke