FC Bayern räumt auf – schon acht Spieler weg
João Palhinha hat in München Eindruck hinterlassen. Der Mittelfeldprofi trat immer höflich, geduldig und freundlich auf, beschwerte sich öffentlich nicht über seine Reservistenrolle, nahm das Thema Fannähe sehr ernst. Ein feiner Kerl, sagen sie beim FC Bayern und in der Anhängerschaft.
Menschlich alles bestens also. Palhinhas Problem ist nur: Das Sportliche überwiegt im Milliardengeschäft Profifußball. Und sportlich konnte er kaum Eindruck hinterlassen. Zu selten bekam der 30-Jährige in den vergangenen Monaten die Gelegenheit dazu. Und so endet seine Zeit bei den Bayern als ziemlich großes Missverständnis. Als Beleg dafür, dass der alte Spruch mitunter stimmt: Timing ist (beinahe) alles im Leben. Nach gerade mal einem Jahr ist Palhinha schon wieder weg. „Nix mehr Six“, schreibt die „SZ.“
Palhinha sollte die „Holding six“ der Bayern sein. Er sollte den deutschen Fußball-Rekordmeister als Abräumer mit Körperlichkeit und Defensivtugenden als zentrale Stärken im Mittelfeld zu großen Erfolgen führen. In der vergangenen Saison absolvierte er 25 Pflichtspiele und gewann die deutsche Meisterschaft. Doch die erhoffte tragende Rolle in der Mannschaft spielte er nicht. In 17 Bundesligapartien kam der Nationalspieler Portugals zum Einsatz, elfmal wurde er eingewechselt. Im DFB-Pokal spielte er zweimal, in der Champions League fünfmal. Ende des vergangenen Jahres verletzte sich Palhinha und fiel monatelang aus.
Tottenham und Bayern vereinbaren Kaufoption
Nun bleibt in München von dem ganzen Wirbel um Palhinha vor allem dieser Begriff: „Holding six.“ Der FC Bayern hat Palhinha für eine Saison bis Juni 2026 an Tottenham Hotspur verliehen. Die Londoner haben im Anschluss eine Kaufoption für den Profi.
Mit dem Fußball in England ist Palhinha bestens vertraut: Von 2022 bis 2024 spielte er für den FC Fulham. Mit Tottenham läuft er in der Champions League auf: Durch den Europa-League-Sieg in der Vorsaison qualifizierte sich der Klub nach einer verkorksten Liga-Spielzeit (Platz 17) noch für die Königsklasse.
„Mit Tottenham Hotspur haben wir die beste Lösung für alle Seiten gefunden. João kann dort eine ganze Saison auf internationalem Top-Niveau absolvieren. Wir wünschen ihm für das anstehende Spieljahr alles Gute“, sagte Bayerns Sportvorstand Max Eberl.
Unter Vincent Kompany selten im Einsatz
Palhinha war im Sommer 2023 der Wunschspieler des damaligen Bayern-Trainers Thomas Tuchel. Ein Wechsel zu dem Zeitpunkt aber zerschlug sich allerdings am letzten Tag der Transferperiode. Ein Jahr später holten die Münchner den Profi dann für kolportierte 51 Millionen Euro.
Unter dem neuen Trainer Vincent Kompany aber war der Portugiese nur Ergänzungsspieler und kam in den wichtigen Partien der Champions League kaum zum Einsatz. Palhinha kam einfach ein Jahr zu spät. Im Pressing-Fußball Kompanys ist er nicht vorgesehen. Der Belgier setzt im zentralen Mittelfeld bislang vor allem auf Joshua Kimmich, Aleksandar Pavlović und Leon Goretzka. Und zur neuen Saison kommen weitere Optionen dazu.
Eberl drückt es diplomatisch aus: „João Palhinha ist in der vergangenen Saison beim FC Bayern leider nicht auf die erhofften Einsatzzeiten gekommen.“ Und so fand sich nun offenbar auch kein Klub, der Palhinha direkt kaufen wollte.
Es heißt, Bayern gebe Palhinhas Gehalt von wohl etwa zehn Millionen Euro an Tottenham ab. Die Kaufoption des Klubs aus der englischen Premier League soll bei 30 Millionen Euro liegen. Palhinha ist beim FC Bayern bis 2028 gebunden. Zumindest theoretisch könnte er in einem Jahr eine neue Chance in München bekommen.
Donnerstag spielt Palhinha gleich gegen die Bayern
Zurückkehren an die Isar wird er schon vorher: Donnerstag (18.30 Uhr, Magenta TV) empfangen die Bayern Tottenham im Münchner Stadion zum Testspiel. Diese Partie war bereits vor dem Wechsel Palhinhas ausgemacht.
Palhinha ist ein weiteres Puzzleteil bei den Aufräumarbeiten der Bayern-Führung. Sie strukturieren ihren Kader. Der Mittelfeldprofi ist der achte Abgang: Thomas Müller (voraussichtlich zu Vancouver Whitecaps), Leroy Sané (Galatasaray Istanbul), Mathys Tel (ebenfalls Tottenham Hotspur), Adam Aznou (FC Everton) und Bryan Zaragoza (Celta Vigo), Daniel Peretz (Hamburg) und Eric Dier (AS Monaco) sind weg. Die Bayern wollen und müssen Gehälter sparen und ihr Aufgebot neu ordnen.
Neu im Aufgebot sind bislang Jonathan Tah (Bayer Leverkusen), Luis Díaz (FC Liverpool) und Tim Bischof (TSG Hoffenheim). Bischof spielt ebenfalls im Mittelfeld. Zudem kehrte Paul Wanner vom 1. FC Heidenheim zurück und könnte nach der schweren Verletzung Jamal Musialas eine Chance bekommen. Die Bayern wollen es künftig generell schaffen, mehr Talente aus dem eigenen Nachwuchs in der Profi-Startelf unterzubringen.
Beim 2:1 im Test gegen Olympique Lyon am vergangenen Samstag ließ Trainer Kompany den 19 Jahre jungen Wanner von Beginn an auf „der Zehn“ spielen. „Es war cool und hat Spaß gemacht, mit den Jungs wieder zu spielen“, sagte Wanner.
„Mein Fokus ist jetzt bei Bayern – jeden Tag im Training Gas geben und die Vorbereitung durchziehen. Und dann schauen wir mal. Wir sind in einem guten Austausch“, so der U21-Nationalspieler, der zuletzt mit anderen Klubs in Verbindung gebracht wurde. Von einem Leihgeschäft war die Rede.
Bayerns Sportvorstand Eberl sagte kürzlich zu der Personalie: „Durch die Verletzung von Jamal Musiala ist eine ganz neue Situation entstanden. Bei Paul ist es so, dass es viele Interessenten gibt. Das ist auch schön. Es zeigt, dass seine Entwicklung Schritt für Schritt dahin geht, wo wir es gerne hätten. Er soll beim FC Bayern eine Rolle spielen. Diese Chance hat er nun und soll er nutzen.“
Julien Wolff ist Sportredakteur. Er berichtet für WELT seit vielen Jahren aus München über den FC Bayern und die Nationalmannschaft sowie über Fitness-Themen.
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