Wenn eine Legende ins maximale Schwärmen gerät. 1997 wurde Jan Ullrich zum ersten und bislang einzigen deutschen Sieger bei der Tour de France. Jetzt fiebert der 51-Jährige, der die Tour als Eurosport-Experte und mit seinem Podcast „Ulle & Rick“ begleitet, mit seinem möglichen Nachfolger auf dem Rad-Thron mit – Florian Lipowitz. Die Überraschung vom Team Red Bull-Bora-hansgrohe liegt auf Platz 3 der Gesamtwertung.

„Es ist fantastisch, grandios und weltklasse, was der Junge bei der Tour abliefert“, sagt Jan Ullrich über den 24-Jährigen: „Einfach gigantisch, dass ein deutscher Fahrer aus einem deutschen Team am Ende auf dem Podium stehen kann.“

Frage: Überrascht, dass Lipowitz so eine Leistung abliefert?

Jan Ullrich: Ich habe ihn das erste Mal vor zwei Jahren bei den Deutschen Meisterschaften gesehen, da hat er mir bereits gut gefallen. Dass er jetzt so durchstartet, hat sich angedeutet, es überrascht mich nicht wirklich nach seinen Top-Ergebnissen bei Paris-Nizza (Platz 2, die Redaktion) oder dem Critérium du Dauphiné (Platz 3, die Redaktion).

Frage: Was zeichnet ihn aus?

Ullrich: Er ist locker drauf, scheint seine Grenzen zu kennen. Das merkt man zum Beispiel daran, dass er nicht bei jeder Attacke von Tadej Pogacar mitgeht und Gefahr läuft, kräftemäßig zu implodieren. Er hat sich im Zeitfahren enorm verbessert, ist ein stabiler, sehr kraftvoller Fahrer im Hochgebirge. So wie ich damals.

Frage: Da liegt natürlich die Frage auf der Hand, ob er so wie Sie auch das Zeug hat, vielleicht schon nächstes Jahr die Tour zu gewinnen?

Ullrich: War ja klar, dass diese Frage kommt. (lacht) In Deutschland ist die Erwartungshaltung immer gleich so hoch. Aber ich verstehe das auch. Wenn du in den Radsport-Himmel, in die Weltspitze fährst, musst du eben mit Druck umgehen.

Frage: Und? Kann er gewinnen?

Ullrich: Klar ist, dass Lipowitz die Zukunft vor sich hat, ein Pogacar oder Jonas Vingegaard nicht jünger werden. Wichtig wird sein, dass er von seinem Team maximal unterstützt wird. Dass man auf ihn aufpasst, ihn in Ruhe trainieren lässt, dass sich auch die Kapitäns-Rolle vielleicht mal ändert. Man sieht ja schon jetzt, dass der eigentliche Kapitän Primoz Roglic für ihn gearbeitet hat. Aber nun lasst den Jungen in diesem Jahr erst mal hoffentlich seinen Podiumsplatz bis Paris verteidigen, das Weiße Trikot gewinnen – und dann träumen wir weiter.

Frage: Noch sind Sie der einzige deutsche Tour-Sieger. Würde Sie es wurmen, dieses Alleinstellungsmerkmal zu verlieren?

Ullrich: Überhaupt nicht! Ich denke nicht an mich, sondern an den deutschen Radsport. Es würde mich wahnsinnig freuen.

Das Interview wurde für das Sport-Kompetenzcenter (WELT, „Bild“, „Sport Bild“) erstellt und zuerst in der „Bild“ veröffentlicht.

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