Das DFB-Team kommt nicht zum Durchschnaufen. Nach dem aufreibenden Viertelfinal-Krimi folgt im Eiltempo das Halbfinale gegen die Weltmeisterinnen aus Spanien. Und wieder muss Bundestrainer Christian Wück basteln. Er ist erneut gezwungen, seine Startelf zu verändern.

"Mal schauen, ob wir noch elf Spielerinnen aufstellen können", sagt Christian Wück nach dem Viertelfinal-Kraftakt bei der Fußball-Europameisterschaft. Was als Witz gemeint ist - und als Huldigung seiner Spielerinnen, die sich im Kampf gegen Frankreich völlig verausgabt haben -, wird dem Bundestrainer aber tatsächlich einiges an Kopfzerbrechen bereiten. Denn die DFB-Defensive ist mehr als nur bröckelig. Und schon am Mittwoch (21 Uhr/ARD, DAZN und im ntv.de-Liveticker) steht das Halbfinal-Duell gegen die Weltmeisterinnen aus Spanien an.

Kathrin Hendrich muss dabei definitiv zuschauen, nach ihrer Roten Karte in der 14. Minute ist sie gesperrt. Mindestens für das Halbfinale, der DFB tut alles, dass es nicht noch härter kommt. "Wir möchten auf jeden Fall unterstreichen, dass keine Absicht vorliegt und Kathy beim Versuch, Kontakt aufzunehmen in der Box, durch die Haare streift und dabei hängen geblieben ist", sagt Sportdirektorin Nia Künzer. "Sie schaut in eine ganz andere Richtung." Auf den TV-Bildern ist Hendrichs Zupacken allerdings deutlich zu erkennen. Die Verteidigung von Künzer zielt wohl auch darauf ab, die UEFA davon zu überzeugen, Hendrich "nur" für ein Spiel zu sperren. Sollten die Verantwortlichen eine Tätlichkeit erkennen, würde die Sperre höher ausfallen und auch das mögliche Finale betreffen.

Ausgerechnet der mit 33 Jahren und sieben Turnier-Teilnahmen Erfahrensten unterlief dieser Patzer. Ein Bärendienst für das Team, es war schon die zweite Rote Karte für eine DFB-Verteidigerin bei diesem Turnier. Carlotta Wamser war nach ihrem Handspiel auf der eigenen Torlinie gegen Schweden für ein Spiel aus dem Wettbewerb genommen worden, sie darf gegen Spanien wieder mitwirken.

Kleinherne ist "dauer-ready"

Und es ist gut möglich, dass die 21-Jährige auch direkt wieder ran darf. Die eigentliche Kapitänin Giulia Gwinn fällt mit ihrer Innenbandverletzung aus dem Auftakt gegen Polen weiter aus. Und auch Sarai Linder, die Gwinn und Wamser auf der rechten Seite vertrat, muss sich nun zu Gwinn in das Krankenlager begeben. Die 25-Jährige, die nach den drei Gruppenspielen auf der linken Seite auf rechts gerückt war, hat "eine Kapsel-Band-Verletzung am linken Sprunggelenk" erlitten, wie der DFB am Sonntagabend mitteilt. Ob sie zu einem eventuellen Finale wieder einsatzbereit wäre, ließ der Verband offen.

Schon in der 6. Minute der Partie gegen Frankreich hatte sie sich die Verletzung zugezogen, war mehrere Minuten vor der deutschen Bank behandelt und getaped worden. Linder kehrte dann noch einmal aufs Spielfeld zurück, doch nach 20 Minuten musste sie ausgewechselt werden. Für sie kam Sophia Kleinherne.

Es war das Turnier-Debüt der 25-Jährigen, die nach dem Turnier von Eintracht Frankfurt zum VfL Wolfsburg wechselt. Sie zeigte in ihrem 36. Länderspiel eine gute Leistung, passend zu ihrer Aussage: "Ich muss dauer-ready sein, um diesen einen Moment zu nutzen, wenn ich ihn bekommen sollte." Eigentlich für die Innenverteidigung eingeplant zeigte Kleinherne, dass sie auch auf rechts spielen kann. Doch Wamser ist wieder einsatzbereit und dürfte damit Kleinherne wieder von der Position verdrängen.

Wieder Fünferkette?

Möglich ist allerdings, dass beide von Wück aufgestellt werden. Schon gegen Frankreich hatte der Bundestrainer eine sehr defensive Startaufstellung mit fünf Verteidigerinnen gewählt. Den Plan machte Hendrich nur eben sehr früh zunichte. Sollte der Bundestrainer auch gegen die Spanierinnen, die über eine "ungewisse Passqualität" und "eine gewisse Abgezocktheit" verfügen, so Künzer, mit einer Fünferkette agieren, würden alle noch verbleibenden Verteidigerinnen eingesetzt werden: Kleinherne würde dann mit Kapitänin Janina Minge und Rebecca Knaak in der Innenverteidigung spielen.

Knaak hatte von Wück den Vorzug vor Hendrich und Kleinherne erhalten, weil sie mit ihrem starken linken Fuß mehr dem Anforderungsprofil entspricht, das der Bundestrainer für die Position hat. Die in der Vorrunde offensichtlichen Geschwindigkeitsdefizite kamen gegen Frankreich nicht zum Tragen, auch weil das DFB-Team mit Willen und Gemeinschaft und "Defensivlust", so Künzer, agierte. Knaak hatte auch deswegen die sehr athletische Marie-Antoinette Katoto im Griff.

Auf links hat sich Franziska Kett bei ihrem EM-Debüt hervorgetan. Es sei nicht "hoch genug einzuschätzen, wie sie sich gegen eine absolute Topspielerin der Franzosen behauptet hat", lobt Wück. Im erst vierten Länderspiel löste die 20-Jährige, die vor dem Turnier ihr Abitur gemacht hatte, die ihr gestellte Aufgabe bravourös. Unaufgeregt und voller Power hat sie "alles gegeben", so Kett. Alles bedeutet in ihrem Fall: Nach 114 Minuten war der Ofen aus, sie musste mit Schmerzen in den Beinen nach Behandlung ausgewechselt werden. Sie selbst sagt: "Ich glaube, die Französinnen haben sich genervt gefühlt von mir." Dabei ist sie erst frisch in die Defensive gerückt, hat früher immer in der Offensive gespielt. Nach Linders Ausfall wird sie sicherlich auch gegen Spanien starten.

Wer spielt für emotionale Nüsken?

Die Abwehrkette dürfte also stehen, doch das Puzzle für Wück ist damit noch nicht komplett. Denn er muss auch auf Sjoeke Nüsken verzichten. Die zweite Gelbe Karte im Turnier bedeutet für sie ein Spiel Sperre. Ausgerechnet gegen Spanien wird die Vorkämpferin fehlen. Die Frau vom FC Chelsea, die sich immer mehr als emotionale Leaderin hervortut. Die das 1:1 köpfte, die zwar den Elfmeter im Spiel vergab, aber im Elfmeterschießen traf. Die gemeinsam mit Elisa Senß die Doppelsechs bildet.

Im Mittelfeld hat Wück immerhin mehr Alternativen. Er könnte Sara Däbritz bringen, wie in der Schlussphase gegen Schweden. Die einzige Europameisterin im Team - sie war 2013 schon dabei - hat ihre Erfahrung als großes Pfund. Oder Wück setzt auf die offensivere Sydney Lohmann, die seit Jahren als hochtalentiert gilt, aber immer wieder durch Verletzungen zurückgeworfen wird. Die entscheidende Frage wird sein, ob das DFB-Team sich gegen die spielstarken, offensiv brillierenden Spanierinnen eher defensiv wappnen oder selbst offensiv vorangehen will. Mit 16 Toren stellt Spanien die bislang stärkste Offensive des Turniers. Allerdings hatten sie auch noch keinen Top-Gegner, im Viertelfinale setzten sie sich trotz zweier verschossener Elfmeter locker mit 2:0 gegen die Gastgeberinnen aus der Schweiz durch.

"Wir machen uns auf den Weg in die Köpfe der Spanierinnen, sobald wir wieder fit sind", sagt Künzer. Es wird eine Mammutaufgabe für das DFB-Team. Kapitänin Minge aber sagt: "Man hat gesehen: Wir sind zu Großem fähig! Ich bin mir ganz sicher, dass wir auch die Spanierinnen packen."

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