Vier Elfmeter gehalten – dennoch trottete Schwedens Torhüterin in schwarzen Birkenstock-Schlappen tieftraurig und mit glasigem Blick an den Scheinwerfern und Kameras vorbei. Gelegentlich blieb Jennifer Falk stehen, stemmte die Hände in die Hüften, um dann mit brüchiger Stimme zu erklären, was eigentlich kaum zu erklären war: das Ausscheiden nach einem Elfmeter-Drama in einem denkwürdigen EM-Viertelfinale gegen England. Falk versuchte es tapfer, fast flüsterte sie: „Leere, tausend Gefühle gleichzeitig, das ist kaum zu beschreiben.“

Drei Elfmeter der Engländerinnen hatte die 32-Jährige schon pariert, als sie ihren eigenen Versuch in den Nachthimmel von Zürich drosch. Falk war die fünfte Schützin Schwedens. Hätte sie getroffen, stünde Schweden am Dienstag in Genf im Halbfinale der Fußball-Europameisterschaft gegen Italien. Stattdessen ging die Lotterie weiter, bis die 18-jährige Smilla Holmberg ebenfalls klar übers Tor schoss. Titelverteidiger England jubelte über ein 3:2 im Elfmeterschießen. Da half es auch nicht, dass Falk zwischendurch noch ihren vierten Strafstoß parierte. 2:2 hatte es nach 120 Minuten gestanden.

Es waren bizarre Szenen, die in die EM-Historie eingehen. Fünf Treffer von 14 Elfmetern – eine schlechtere Trefferquote gab es in der Geschichte des Turniers noch nie. Bislang waren fünf Fehlschüsse der Negativrekord. Im Viertelfinale der Frauen-EM 2009 vergaben Frankreich und die Niederlande gemeinsam fünfmal in Folge, am Ende siegte die Niederlande mit 5:4. Fünf Fehlschüsse – kein Vergleich zu deren neun am Donnerstagabend in Zürich.

Wie es sich anfühle, vier Elfmeter gehalten, das Spiel aber verloren zu haben, fragte ein schwedischer Reporter Torhüterin Falk: „Es ist eine schwierige Situation, einen Strafstoß zu schießen“, antwortete diese monoton: „Ich habe meinen eigenen Strafstoß verschossen. Um ehrlich zu sein, weiß ich nicht, was ich sagen soll, es fühlt sich im Moment einfach sehr schwer an.“

Die Liste des schwedischen Trainers

Was sie gedacht habe, als sie den Ball auf den Elfmeterpunkt legte, wurde die Torhüterin des Göteborger Clubs BK Häcken gefragt: „Ich dachte einfach nur, dass ich tief einatme und ihn nach links schieße – was ich nicht getan habe“, presste Falk hervor. Immer wieder seufzte sie tief. Ihr 35. Länderspiel dürfte sie noch lange beschäftigen.

Schnell erklärt war, warum sie überhaupt antrat zum fünften Versuch, der oft der entscheidende ist. „Peter hat mich gefragt, und ich habe Ja gesagt“, berichtete Falk. Peter Gerhardsson, Schwedens Trainer, für den es nach acht Jahren das letzte Spiel als Nationalcoach war, suchte ebenfalls nach Worten für das bittere Aus: „Das ist Fußball, man kann nichts vorhersehen.“

Wie er die Elfmeterschützinnen bestimmte, erklärte der 65-Jährige so: „Wir hatten ein Meeting und die Spielerinnen baten uns, eine Liste zu machen: von eins bis elf. Aber natürlich sind es unglaublich schwierige Entscheidungen.“ Weil in der Verlängerung etatmäßige Schützinnen wie Top-Stürmerin Stina Blackstenius (mit schmerzenden Muskeln) herausmussten, rutschte Falk auf Schützinnen-Position fünf.

Statt Falk durfte sich Englands Torhüterin Hannah Hampton als „Spielerin des Spiels“ feiern lassen, die „nur“ zwei Strafstöße parierte. Zwei weitere Bälle flogen übers Tor, ein Versuch landete am Pfosten. „Ich wäre natürlich froh gewesen, wenn wir kein Elfmeterschießen und nicht so viel Stress gehabt hätten“, sagte sie: „Ich habe 120 Minuten gespielt – ich kann mich gar nicht mehr erinnern, was in der ersten Halbzeit los war.“ Interessierte ohnehin nur am Rande. Nach 120 Minuten hatte es 2:2 gestanden.

„Wir haben Elfmeter immer wieder im Training geübt“

Die 24-Jährige von Chelsea sorgte auf der Pressekonferenz für Gelächter, als sie aus der Tasche ihrer Trainingsjacke plötzlich ein vibrierendes Handy zog. „Ah, Facetime“, sagte sie zu den Reportern. Und zum Anrufer: „Ich bin in einer Pressekonferenz, ich muss auflegen, ich rufe zurück.“ Wieder an die Reporter gerichtet: „Entschuldigung. Normalerweise gehe ich da nicht ran, das waren meine Freunde und meine Familie, die zu Hause das Spiel mitverfolgt haben.“

Erleichterung herrschte auch bei Stürmerin Chloe Kelly. Sie gehörte zu den wenigen, die keine Nerven zeigten. Schwedens Torhüterin Falk war bei Kellys Versuch in die falsche Ecke unterwegs. „Wir haben immer dran geglaubt. Wir haben Elfmeter immer wieder im Training geübt, das hat sich ausgezahlt“, sagte Kelly. Dass man bei ihren Kolleginnen, die in Reihe scheiterten, davon wenig sah, sei ihr verziehen.

Bei Englands Trainerin Sarina Wiegman hinterließ der Elfer-Krimi tiefe Spuren. „Sehr emotional, sehr aufgekratzt“, fühle sie sich: „Ich kann mich an kein Spiel erinnern, das diesem gleich kommt“, sagte die 55-Jährige. Ihr Team kann nun am Dienstag in Genf mit einem Sieg gegen Italien ins Endspiel einziehen – etwas unerwartet, wie die Niederländerin zugab: „Wenn man so viele Elfmeter verschießt, dann denkt man jedes Mal, das war’s … Ich muss erst mal runterfahren.“

Eine bemerkenswerte Antwort lieferte Schwedens Coach Gerhardsson auf die Frage, wie er sich nach acht Jahren nun verabschiede: „Ich werde zurück ins Hotel fahren, das Spiel noch mal anschauen und dann schauen, wie wir die Heimreise organisieren.“

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