Der Umgang des FC Barcelona mit Marc-André ter Stegen ist nur noch schwer mitanzusehen. Der katalanische Superklub degradiert den DFB-Torwart zur Notfall-Aushilfe. Er muss Spanien wohl verlassen.

Selbst äußert sich Marc-André ter Stegen dieser Tage kaum. Eigentlich machte er das gar nicht. Auch auf seiner Instagram-Seite gibt es nur ganz vereinzelte Einblicke in das Seelenleben des DFB-Nationalkeepers. Das letzte gepostete Foto ist eine Woche alt. In seiner Story verabschiedete er zuletzt den 22-jährigen Pablo Torre. Der Offensivspieler kam vor Jahren als Talent zum FC Barcelona, konnte sich nach mehreren Leihen allerdings nicht durchsetzen. Weder unter Trainer Xavi, noch unter dessen Nachfolger Hansi Flick. Jetzt verlässt Torre den Klub nach Mallorca, immerhin mit Rückkaufoption.

"Die ersten Male vergisst man nie", schreibt der Spanier unter seinem Abschiedspost. Es ist eine Sammlung von vielen Bildern aus seiner noch jungen Karriere. Mal schlägt er eine Ecke, mal jubelt er mit Teamkollegen. Und auf einem Bild ist sogar auch Marc-André ter Stegen zu sehen. Dort schaut der DFB-Torwart im Barça-Dress noch glücklich drein: Es stammt vom Gewinn der spanischen Fußball-Meisterschaft 2023. Es waren die guten Zeiten.

Vergangene Zeiten. Während der Kapitän schweigt, sprechen andere für ihn. "Ter Stegens Herz schmerzt", schreibt die "Sport" in einem Kommentar zur Situation des Keepers. Denn der 33-Jährige wurde auf maximal demütigende Weise aussortiert. Wie die "Bild"-Zeitung berichtet, soll Flick ter Stegen per Telefon mitgeteilt haben, dass er nicht der zweite Torwart für die kommende Saison ist, sondern nur noch der dritte. Die meisten Spiele, so heißt es, werde er nicht einmal im Kader stehen. Vielleicht kommt er im Notfall zum Einsatz.

Selbst Messi schwärmte

Es ist die Demontage eines ehemaligen Helden. Der Torwart kam 2014 von Borussia Mönchengladbach zum FC Barcelona, ersetzte dort den alternden Chilenen Claudio Bravo. Selbst Weltstar Lionel Messi, den Beiden wurde kein gutes Verhältnis nachgesagt, schwärmte von dem Deutschen, der das Tor hütete. Ter Stegen drang in die Weltspitze hervor, war der sichere Rückhalt für einen Klub, der sich erst seit der Ankunft von Flick im vergangenen Sommer aus dem Krisenmodus befreien konnte.

Anfangs setzte Flick noch auf ter Stegen. Doch bei einer Ecke im vergangenen September passierte das, was man keinem Profisportler wünscht: Der Torwart fängt im Ligaduell mit dem FC Villareal den Ball ab, landet dabei aber unglücklich. Die Patellasehne im rechten Knie ist gerissen. Was folgte, war doppelt problematisch: Zum einen fiel er wie schon 2021 mit einer schweren Knieverletzung aus, zum anderen wurde Wojciech Szczęsny aus dem Fußballruhestand geholt, der den Job nicht nur günstiger, sondern auch zur Zufriedenheit Barças löste.

Und so rückte ter Stegen erst in die zweite und nun in die dritte Reihe. Den Vertrag mit Fußballrentner Szczęsny hat Barça verlängert, dazu wurde als neue Nummer eins Joan García vom Stadtrivalen Espanyol verpflichtet und mit einem Langzeitvertrag bis Mitte 2031 ausgestattet. Für Barça ist es die pragmatischste Lösung: Beide sind günstiger als ter Stegen. Geld spielt bei den Katalanen keine unerhebliche Rolle: Der Klub ist chronisch und astronomisch verschuldet. Bevor Barça einen neuen Spieler verpflichtet, muss meist ein anderer verkauft werden. Auch deshalb spielt DFB-Verteidiger Jonathan Tah nun beim FC Bayern - und nicht in Barcelona.

Die große Ironie

Die Ironie beim Fall ter Stegen ist jedoch, dass er das eine Tor verlor, nachdem er das andere gewonnen hatte. Über Jahre war er die Nummer zwei im DFB-Team, hinter dem ewigen Manuel Neuer. Egal, ob dieser ohne Spielpraxis in ein Turnier ging oder eine echte Schwächephase zeigte: Neuer stand bei der DFB-Elf im Tor, ter Stegen saß auf der Bank.

Nach der Heim-Europameisterschaft änderte sich das aber. Neuer trat zurück, machte den Weg frei. Und sein Nachfolger hatte das Glück, dass Bundestrainer Julian Nagelsmann von dessen Können überzeugt ist. Ter Stegen wurde die neue Nummer eins, obwohl er mit seinem Patellasehnenriss fehlte. Bei der Nationalelf gab es zwischen Oliver Baumann und Alexander Nübel lediglich ein Casting um den Vertretungsjob.

Lange konnte ter Stegen seine Rückkehr nicht feiern. Während er in der Nations League im Juni eine Parade nach der anderen zeigte, wurde daheim eifrig an seinem Nummer-eins-Status gesägt. Er selbst habe es auch nur aus den Medien erfahren, erzählte ter Stegen bei den Pressekonferenzen. Erst waren es nur Gerüchte, nun ist mittlerweile mehr als das: Ter Stegen ist nicht mehr die Nummer eins des FC Barcelona.

Von allen isoliert

Als wäre die Ausbootung nicht frustrierend genug, sieht er sich mit unschönen Methoden konfrontiert. Ter Stegen trainiert isoliert im Kraftraum, während sich die restlichen Barça-Profis auf die kommende Saison vorbereiten. Mittlerweile drei Tage am Stück geht das schon so, erst später sprach der Klub von angeblichen Rückenschmerzen, die für die Maßnahme verantwortlich seien.

Jetzt lässt sich einwenden: Warum sitzt ter Stegen das nicht einfach aus? Schließlich hat er einen gut dotierten Vertrag beim FC Barcelona, der noch bis 2028 läuft und kolportierte 18 Millionen Euro pro Jahr einbringen soll. Der ließe sich prima in der Sonne Kataloniens genießen.

Das Problem ist sein Alter - und die Weltmeisterschaft in den USA, Kanada und Mexiko im nächsten Jahr. Die oberste Maxime von Bundestrainer Nagelsmann lautet Spielzeit, auf der Torwartposition wird er keine Ausnahme machen. Auch deshalb werden Nübel, Baumann und Co. genau verfolgen, was in Barcelona passiert. Zudem werden ter Stegen mit seinen 33 Jahren wohl auch nicht mehr viele Turniere bleiben.

Also? Es gibt ein paar Möglichkeiten. Galatasaray Istanbul, der Klub von Leroy Sané, sucht einen neuen Torwart. Aber was für den Ex-Bayern-Star als Karriererückschritt interpretiert wurde, wird es bei ter Stegen auch sein. Beide Klubs in Manchester suchen ebenfalls, auch der FC Chelsea. Sollte ter Stegen den FC Barcelona in diesem Sommer verlassen, dann nicht wie der der 22-jährige Pablo Torre mit Rückkaufoption. Sondern mit viel Wut im Bauch.

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