Die weitreichenden Folgen der Musiala-Verletzung
Ein solch bitteres Wochenende in Sachen Verletzungen haben der FC Bayern und der Deutsche Fußball-Bund (DFB) lange nicht erlebt. Freitagabend verletzte sich Giulia Gwinn, die Kapitänin der Nationalelf, im ersten Spiel der Deutschen bei der EM in der Schweiz am Innenband und kann bei dem Turnier nicht mehr spielen. Die Außenverteidigerin weinte vor Enttäuschung.
Samstagabend der nächste Schock: Jamal Musiala verletzte sich im Viertelfinale der Bayern bei der Klub-WM in den USA gegen Paris St. Germain (0:2) schwer und fällt monatelang aus. Mitspieler und Verantwortliche des deutschen Fußball-Rekordmeisters und des Verbandes sind geschockt. Der Ausfall Musialas schmerzt die Bayern noch viel mehr als das Ausscheiden. Die Klub-WM sollte viele Einnahmen bringen. Nun könnte die Teilnahme der Bayern an dem Turnier den Klub teuer zu stehen kommen.
Denn der Ausfall Musialas hat weitreichende Folgen. Nicht nur für den FC Bayern. WELT beantwortet die wichtigsten Fragen.
Kaufen die Bayern Woltemade jetzt sofort?
In jedem Fall dürfte ihr ohnehin großes Interesse nun noch größer sein. Problem: Woltemade dürfte für die Bayern nach der Musiala-Verletzung nicht gerade günstiger geworden sein.
Das Musiala-Drama von Atlanta ändert wohl die Personalplanung der Münchner. Wenige Stunden vor der Verletzung hatte Ehrenpräsident Uli Hoeneß auf einer Veranstaltung in München zwar Stürmer Woltemade gelobt und betont, dieser würde „prima“ zum FC Bayern passen. Hoeneß hatte jedoch auch klar gesagt: „Für einen Back-up 60, 70, 80 Millionen zu zahlen? Ich weiß nicht.“ Tenor: Sollte der VfB Stuttgart Woltemade nicht in diesem Sommer an die Bayern verkaufen, dann halt ein Jahr später.
Jetzt ist vieles anders. Woltemade könnte mehr als ein Ersatz für Harry Kane sein. Er könnte statt Musiala in der Startelf spielen, bis der Spielgestalter wieder fit ist. Der Woltemade-Wechsel für diesen Sommer ist für die Bayern nun dringlicher.
Der VfB Stuttgart verlangt dem Vernehmen nach rund 80 Millionen Euro für seinen zweimaligen A-Nationalspieler (Vertrag bis 30. Juni 2028). Das sei marktgerecht, heißt es beim VfB. „Bild“ schreibt treffend von einem „unausgesprochenen Verzweiflungszuschlag für Bayern“.
Die Not der Bayern ist nach Musialas Verletzung noch größer. Die Suche von Sportvorstand Max Eberls nach Verstärkungen treibt die Konkurrenz offenbar an, noch etwas mehr zu fordern. Keine leichte Aufgabe für Eberl.
Braucht Bayern wirklich noch einen neuen Außenstürmer?
Bislang suchen die Bayern nach einem Außenstürmer. Leroy Sané ist kürzlich zu Galatasaray Istanbul gewechselt, Serge Gnabry und Kingsley Coman galten bislang als Verkaufskandidaten (im Falle lukrativer Angebot andere Klubs). Die beiden könnten nun bleiben. Und der Fokus der Bayern bei der Kaderplanung könnte sich verschieben.
Rekordnationalspieler und Sky-Experte Lothar Matthäus sagte bei „Bild“: „Die Musiala-Situation dürfte auch einen Einfluss auf die Verhandlungen um Nick Woltemade haben. Der Stuttgarter ist ein Spieler, der die Position von Jamal Musiala spielen könnte. Bayern hat nun mehr Bedarf denn je für den U21-Star. Auf den Außenpositionen würde dann auch eine kleinere Lösung auf dem Transfermarkt reichen.“
Bislang hatten die Bayern phasenweise auf Spaniens Nationalspieler Nico Williams gehofft, der sich am vergangenen Wochenende aber entschied, bei Athletic Bilbao bis 2035 zu verlängern.
Uli Hoeneß sagte am vergangenen Samstag: „Wir haben intern beschlossen, nur vernünftige Dinge zu machen. Wir haben ja immerhin mit Kingsley Coman und Serge Gnabry noch zwei Spieler für die Position – gerade Coman hat mir zum Beispiel gegen Boca Juniors (2:1 im Gruppenspiel bei der Klub-WM, Anmerkung der Redaktion) eine Stunde lang unglaublich gut gefallen.“
Rafael Leão (26) vom AC Mailand wird nicht kommen, wie Hoeneß verriet: „Nein, nein, der war für uns nie ein Thema. Das hat mir auch Max Eberl gesagt. Er hat Gespräche da geführt, aber die waren nicht zielführend.“
Bekommt Thomas Müller jetzt doch ein Vertragsangebot?
Unwahrscheinlich. Er ist zwar topfit. Doch eigentlich ist das Kapitel Thomas Müller als Spieler beim FC Bayern abgeschlossen. Für Müller endete mit der Pleite in Atlanta die Zeit als Profi der Münchner. Die Klub-Legende verlässt die Bayern nach 25 Jahren. Zumindest ist das der Plan.
Matthäus findet, dass Müller jetzt doch noch bleiben sollte. Er sagte „Bild“: „Der FC Bayern sollte sich in dieser Situation überlegen, ob Thomas Müller nicht noch einen Vertrag über ein halbes Jahr bekommen sollte. Die Saison in den USA startet dann ja erst und in der Zwischenzeit könnte er dem FC Bayern eine große Hilfe sein. Ähnlich wurde es ja auch von Bayern mit mir bei meinem Wechsel zu den New York Metro Stars gemacht. Auch die Fans würden sich mit Sicherheit freuen.“
Müller selbst fand die Frage nach einer möglichen Zukunft als Spieler der Bayern Samstagabend unangebracht. Nach der Niederlage gegen PSG wurde der Weltmeister bei DAZN auf das Szenario einer möglichen Vertragsverlängerung aufgrund der Verletzung Musialas angesprochen. Der 35-Jährige sagte: „Die Frage ist jetzt so ein bissl ... also ich verstehe, dass du sie stellst“, sagte Müller zum Reporter. „Und ich sage nicht, dass sie geschmacklos ist. Aber es fühlt sich für mich jetzt unangenehm an.“
Ähnlich äußerte sich Müller danach auch in weiteren Interviews im Stadion. „Ich würde jetzt in der Situation wirklich erst mal die Gedanken Richtung Jamal richten und dass wir aufpassen, dass wir nicht irgendwelche geschmacklosen Diskussionen führen, nachdem sich jemand verletzt hat“, sagte er: „Aber ich denke, es ist alles gesagt zu dem Thema. Nur, weil man jetzt irgendwelche Gedankenspiele auf den Tisch bringen kann, hat das nichts mit der Realität zu tun.“
Vor wenigen Monate misslang dem FC Bayern das Managen der Verkündung, dass Müller keinen neuen Vertrag erhielt. Müller hat das damals überhaupt nicht gefallen. Er ist dem Verein enorm dankbar und nicht nachtragend, doch es wäre schon eine sehr besondere Konstellation, wenn er jetzt doch einen neuen Kontrakt erhalten würde. Zuletzt beschäftigte sich Müller mit einem möglichen Wechsel in die US-Liga.
Gibt es Alternativen aus dem eigenen Nachwuchs?
Zumindest keine, die sich absolut aufdrängt. Die mangelnde Integration talentierter Nachwuchsspieler ist im Klub schon lange ein Thema. Bis auf Lennart Karl und Adam Aznou, die 45 Minuten und acht Minuten beim 10:0 gegen Auckland City im ersten Spiel des Turniers zum Einsatz kamen, spielte bei dieser Klub-WM kein Talent aus dem Bayern-Nachwuchs.
Karl wird viel zugetraut, doch einen Musiala-Ersatz findet man in den U-Mannschaften der Bayern nicht, zumindest kurzfristig betrachtet. In München wird vielmehr über einen Klubwechsel Karls spekuliert. Karls Berater, der ehemalige Nationalspieler Michael Ballack, soll sich nach Optionen für seinen Klienten umsehen.
Was bedeutet Musialas Ausfall für die Nationalelf?
Bis zur WM 2026 in den USA, Mexiko und Kanada bleibt nicht mal mehr ein Jahr. Musiala wird wohl in mehreren Länderspielen dieses Jahres fehlen, die nächsten steigen Anfang September, in Bratislava gegen die Slowakei und in Köln gegen Nordirland. Dort startet die WM-Qualifikation. Der Gruppensieger qualifiziert sich direkt für die WM, der Zweite muss in die Play-offs.
Bitter für Julian Nagelsmann: Musiala ist ein Schlüsselspieler und in der Vorbereitung auf die WM sehr wichtig. In den Qualifikationsspielen geht es um zwei wichtige Faktoren: Ergebnisse und das Einspielen.
An der WM kann Musiala aber hoffentlich teilnehmen – das ist der Satz, der vielen am Wochenende durch den Kopf ging. Nagelsmann muss ihn bis zu seiner Rückkehr ersetzen. In der Nationalelf wird in den kommenden Monaten Florian Wirtz noch wichtiger sein. Er entschied sich gerade gegen einen Wechsel zum FC Bayern – und spielt künftig für den FC Liverpool.
Bis Ende des Jahres stehen sechs Länderspiele an. Die Folgen des Ausfalls von Jamal Musiala sind für den FC Bayern und die Nationalmannschaft weitreichend.
Julien Wolff ist Sportredakteur. Er berichtet für WELT seit vielen Jahren aus München über den FC Bayern und die Nationalmannschaft sowie über weitere Fußball- und Fitness-Themen. Er kennt Thomas Müller seit 14 Jahren und hat zahlreiche Interviews mit ihm geführt.
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