Gwinn-Schock versetzt DFB-Team in lästige Unruhe
Die Europameisterschaft ist für Giulia Gwinn nach nicht einmal 40 Minuten beendet. Ihre Knieverletzung sorgt für das Aus. Und beim DFB-Team für viele offene Fragen. Auf einige gibt es so kurz nach der Diagnose noch keine Antwort. Doch diese müssen schnell gefunden werden.
Ausschlafen, Regeneration, keine Termine mit den Medien. So hatten sich beim DFB-Team alle den Tag nach dem 2:0-Auftaktsieg gegen Polen in die Fußball-Europameisterschaft vorgestellt. Stattdessen tritt Sportdirektorin Nia Künzer am Nachmittag im Medienzentrum des Deutschen Fußball-Bundes in Zürich vor die Presse. Die ist zahlreich versammelt und wartet auf den verzögert eintreffenden DFB-Tross, obwohl der Termin kurzfristig anberaumt ist.
Der Grund ist kein guter, entsprechend gedämpft ist die Stimmung. Der DFB muss kurz vorher das Aus von Kapitänin Giulia Gwinn für das Turnier verkünden. Die 26-Jährige hat sich nach nicht einmal 40 Minuten eine Innenbandverletzung im linken Knie zugezogen. Es ist zwar nicht der befürchtete Kreuzbandriss - es wäre bereits Gwinns dritter gewesen -, doch die Verletzung setzt sie für mehrere Wochen außer Gefecht. Das Krankenhaus in Zürich verlässt die Rechtsverteidigerin des FC Bayern nach der Untersuchung mit Schiene am Bein und auf Krücken.
"Sie ist niedergeschlagen, hat sich sehr auf das Turnier gefreut, war vorbereitet. Dementsprechend ist sie jetzt auch enttäuscht", so Künzer. Gwinn ist derzeit beim Team im Hotel, ihre Familie bei ihr. Sie wird am morgigen Sonntag abreisen und sich in München in Behandlung begeben, teilt der DFB am Abend mit. Dies ist in Absprache mit dem FC Bayern entschieden worden. Gwinn soll aber zum dritten Gruppenspiel nach Zürich zurückkehren, um ihr Team zu unterstützen.
Mannschaftsrat tagt nach Gwinns EM-Aus
Während die Frage, wie es für Gwinn persönlich weitergeht, geklärt ist, sind viele weitere Details ungeklärt. Mehrfach verweist Künzer darauf, dass erst gegen 12 Uhr die Diagnose gestellt wurde. Seitdem konnte noch nicht viel besprochen werden. Während die Journalisten viele Fragen haben, hat Künzer meist noch keine Antwort. Entsprechend ernst und mit knappen Sätzen äußert sie sich. Unklar ist etwa, wer die Aufgaben von Gwinn übernehmen wird. Als Kapitän war sie die wichtigste Ansprechpartnerin abseits und auf dem Feld. Sie war das wichtigste Werbegesicht des DFB für die EM, sie war die gefragteste Interviewpartnerin. "Man hat ja gesehen, auch gestern, wie wichtig Giuli ist fürs Team, und wir sind auch alle gleich zu ihr noch mal in die Kabine gegangen", so Künzer.
Die Binde wird fortan Janina Minge tragen, sie hatte diese bei der Auswechslung übernommen, sie ist die Vize-Kapitänin, hatte Bundestrainer Christian Wück bestimmt. Wer aber nun Minges Stellvertreterin wird, ist unklar. Künzer verweist darauf, dass noch am Samstag ein Treffen mit dem Mannschaftsrat stattfinden wird und betont, dass es einige wichtige Spielerinnen gibt. Dem Mannschaftsrat gehören neben Gwinn und Minge noch die erfahrenen Sara Däbritz und Kathrin Hendrich an.
Statt zu regenerieren, muss sich das DFB-Team nun erst einmal mit diesen Fragen beschäftigen. Denn, wie im Turnier üblich, bleibt nicht viel Zeit. Schon am Dienstag (18 Uhr/ARD und im ntv.de-Liveticker) steht das zweite Gruppenspiel gegen Dänemark an. Der vermeintlich stärkste Gegner in der Vorrunde wartet dann am 12. Juli mit Schweden (21 Uhr/ZDF und im ntv.de-Liveticker). Doch der Reihe nach: Mit Gwinns Bayern-Teamkollegin Pernille Harder haben die Däninnen einen Offensiv-Superstar im Team, der aufgrund des restlichen Kaders wohl noch gefährlicher werden kann als Polens Starstürmerin Ewa Pajor.
Gegen diese hatte Gwinn eine Mega-Grätsche ausgepackt und so den Rückstand verhindert. Doch es war eben auch die Szene, die zu ihrem EM-Aus führte, weil sie auf dem linken Knie rutschte, das stark gebeugt war und verdrehte. "Das ist ein bitter erkaufter Sieg", hatte Wück nach dem Spiel gesagt.
UEFA verbietet Nachnominierung
Dem Bundestrainer stehen damit nur noch 22 Spielerinnen zur Verfügung, eine Nachnominierung ist laut der UEFA-Regeln nicht möglich. Viele Spielerinnen senden gute Wünsche für ihre Kapitänin via soziale Medien in die Welt. Der Tenor: Jetzt spielen wir für dich und kämpfen für dich um den Titel. Schon nach dem Spiel hatte Torschützin Jule Brand gesagt: "Die Devise war: jetzt erst recht für Giuli!"
Künzer betont: "Ich bin überzeugt von diesem Team und diesem Teamspirit. Natürlich wollen alle jetzt auch noch mal mehr für Giuli spielen." Und die Sportdirektorin glaubt ans Team: "Die Spielerinnen haben ein gutes Selbstbewusstsein. Es gibt keinen Grund, dass die Spielerinnen an ihrem Selbstverständnis zweifeln."
Wer statt Gwinn nun als Rechtsverteidigerin spielen wird, ist immerhin klar: Carlotta Wamser. Die 21-Jährige wurde für Gwinn eingewechselt, ihr drittes Länderspiel absolvierte sie mit Bravour. Sie habe es "faszinierend gut gemacht", hatte Torhüterin Ann-Katrin Berger gelobt. Wamser spielt sich gerade erst hinein in die Öffentlichkeit, sie hatte nicht einmal selbst mit ihrer Nominierung gerechnet. Wück sagte lobend: "Ich glaube, jetzt hat der Letzte gesehen, dass sie zu Recht bei uns ist."
Doch nicht auszudenken, es würde in der Defensive noch eine Spielerin ausfallen. So wie bei der Debakel-WM 2023, die Gwinn aufgrund ihres zweiten Kreuzbandrisses verpasst hatte. Damals waren die Verteidigerinnen in Australien reihenweise ausgefallen, Vertreterinnen von Vertreterinnen spielten schließlich. Eine nominell dritte Rechtsverteidigerin gibt es im Kader von Wück nicht. Auch er müsste improvisieren, sollte Wamser - die ja ebenfalls erst seit Kurzem als Außenverteidigerin spielt - mal nicht mehr einsatzbereit sein. Als Verteidigerinnen stehen Hendrich, Sophia Kleinherne und Franziska Kett von denen im Kader, die gegen Polen nicht zum Einsatz kamen. Hendrich und Kleinherne sind eigentlich Innenverteidigerinnen, Kett ist als Backup für Sarai Linder auf der Linksverteidigerinnenposition vorgesehen.
Wück und sein Trainerinnenteam müssen sich mit diesen Aufstellungsfragen beschäftigen, das Team muss den Schock verdauen und einige Aufgaben neu verteilen. Viel zu tun beim DFB an einem eigentlich ruhiger erwarteten Tag. Entsprechend kurz ist der Pressetermin. Nach acht Minuten verschwinden Künzer und das Presseteam des DFB wieder aus dem Medienzentrum. Im Basecamp gibt es genug Fragen zu klären.
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