Wehe, wenn die DFB-Kapitänin zum Elfmeter antritt
Steht sie am Elfmeterpunkt, kann das Tor schon notiert werden: Giulia Gwinn hat eine eingebaute Strafstoß-Garantie. Doch das ist längst nicht das Einzige, was die neue Kapitänin des DFB auszeichnet. Bei der Fußball-EM darf sie sich in neuer Rolle präsentieren.
"Viel Spaß mit dem Haufen", das waren die Worte von Alexandra Popp an Giulia Gwinn. Es wirkt so, als hätte sich die neue Kapitänin des DFB-Teams die Worte ihrer Vorgängerin zu Herzen genommen. Egal, ob beim Singen mit Schlager-Legende Wolfgang Petry, beim gemütlichen Lümmeln im Liegestuhl beim gemeinsamen Schauen des EM-Eröffnungsspiels im Teamquartier oder sogar auf dem Podium während der Pressekonferenz vor dem Auftaktspiel gegen Polen (21 Uhr/ARD, DAZN und im ntv.de-Liveticker).
Sie könne sich "nicht erinnern, wann ich mal so zutiefst überzeugt war, dass wir was ganz Großes erreichen können", sagt Gwinn über die Erwartungen für das Turnier in der Schweiz. Die Außenverteidigerin, die am Mittwoch ihren 26. Geburtstag feierte, muss es wissen. Denn sie feiert bei dieser EM zwar ihre Premiere als Kapitänin, doch im DFB-Team ist sie schon ein alter Hase.
2019 hatte sie als 19-Jährige ihr Turnier-Debüt gegeben, bei der Weltmeisterschaft in Frankreich. Ihr 1:0 gegen China war das erste Tor des DFB-Teams im Turnier. Am Ende wurde sie als "Beste junge Spielerin" ausgezeichnet. Gwinn hatte sich einen Namen gemacht auf der großen Fußballbühne. Bei der EM 2022 hatte sie dann so richtig "Blut geleckt". Im EM-Finale hatte die DFB-Auswahl "die Luft schnuppern dürfen, wie es ist, im Finale zu stehen und haarscharf leider zu scheitern".
Diesmal soll es klappen mit dem letzten Schritt. Das Finale am 27. Juli und Gwinn stemmt den Pokal in die Höhe - so der Traum des Teams. Bis dahin ist es ein langer Weg, die weiteren Gruppenspiele gehen gegen Dänemark und Schweden. Schon im Viertelfinale droht ein Duell mit den Titelverteidigerinnen aus England oder den Mitfavoritinnen aus Frankreich. Nach den schwankenden Leistungen seit dem Amtsantritt von Christian Wück im vergangenen Jahr, scheint völlig unklar, was drinsteckt im Team. Die jüngsten Leistungen schüren Hoffnungen, das Selbstvertrauen ist groß - oder kommt es wieder zum großen Knall?
Schon zwei Kreuzbandrisse
Mehr als nur haarscharf war das DFB-Team bekanntlich ein Jahr nach dem Beinahe-Triumph bei der WM in Australien gescheitert. Aus in der Vorrunde, historisch schlecht. Gwinn war nicht dabei, sie hatte zuvor ihren bereits zweiten Kreuzbandriss erlitten. Mit dem Debakel hat sie also nichts zu tun, sie erlebte es als Expertin fürs ZDF aus der Ferne mit. Ihre Knie sind der Grund, warum Gwinn schon zweimal jeweils fast ein Jahr nicht Fußball spielen konnte. Beide Kreuzbandrisse zog sie sich in Spielen für den DFB zu.
Die Partie mit dem Happy End liegt noch kein Jahr zurück: das Bronze-Spiel bei den Olympischen Spielen 2024. Die Frau, deren Markenzeichen ihr langer geflochtener Zopf ist, war die entscheidende Torschützin gegen die Weltmeisterinnen aus Spanien. Völlig cool stand sie am Elfmeterpunkt und verwandelte den Strafstoß. So wie immer. Es ist eine beinahe unglaubliche Statistik: Gwinn hat noch nie einen Elfmeter verschossen, weder im DFB-Team, noch für ihren FC Bayern.
Nervenstark ist die Defensivspielerin, die mit dem FC Bayern jüngst Double-Siegerin wurde. Der Erfolg im Rücken dürfte beflügeln, doch belastet die Kapitänsbinde? Schließlich sind die Fußstapfen nicht gerade klein. Popp ist wohl die bekannteste deutsche Fußballerin. Sie hat in ihren 14 Jahren im DFB-Team den Fußball geprägt. Doch Gwinn kennt keine Scheu. Auf ihre Art. Leiser in der Außendarstellung. Aber deutlich in der Ansprache, nachdrücklich, wenn es sein muss. "Ich muss nicht auf dem Platz rumschreien, das wäre nicht authentisch", sagt sie "Sports Illustrated".
Ohnehin will sie niemandem nacheifern. "Write your own story" hat sie als Tattoo auf ihrem Unterarm verewigt - und es ist auch der Titel ihrer kürzlich erschienenen Biografie. Gwinn geht ihren eigenen Weg, der sehr gut beim Team ankommt. Die 26-Jährige ist eine "sehr, sehr gute Kapitänin", sagt etwa Elisa Senß. "Ich habe mega viel Vertrauen zu ihr. Man weiß einfach, sie steht immer hinter uns, stärkt uns den Rücken in jeglichen Situationen." Jule Brand sagt: "Auf dem Platz gibt sie mir Sicherheit, glaubt an mich, auch wenn sie weiß, dass es gerade nicht läuft. Sie ist immer gut drauf und der sozialste Mensch, den ich kenne."
Erst nur "das Mädchen"
Seit 2019 hängt ihr die Schlagzeile nach, die "Hübscheste" im DFB-Team zu sein. "Natürlich bin ich eine junge Frau, mache gerne meine Haare schön und schminke mich auch mal", sagt sie dazu in der ARD-Dokumentation "Shootingstars". "Viel wichtiger ist mir aber, was auf dem Platz passiert. Da haue ich mich in die Zweikämpfe rein, da renn ich um mein Leben." Und da verliert sie schonmal einen Zahn, wie in dieser Bundesliga-Saison im Spiel gegen Eintracht Frankfurt. Ausgerechnet ihre jetzige DFB-Teamkollegin Sophia Kleinherne hatte sie mit dem Ellenbogen im Gesicht erwischt. Passiert.
Ihre größten Fans tragen übrigens Perücken in schwarz-rot-gold und natürlich das Trikot mit dem Gwinn-Schriftzug: ihre Eltern. Dabei sah es ihre Mutter einst gar nicht so gern, dass Gwinn wie ihre Brüder jedes Wochenende auf dem Fußballplatz verbrachte. Und auch so mancher Trainer war skeptisch. Bei einem Probetraining war sie das einzige Mädchen neben vielen Jungs. Auf einer Namensliste war sie dann auch nur als "das Mädchen" vermerkt. Es verletzte die kleine Giulia - und ließ sie kämpfen. Nach dem Training fragte der Trainer dann übrigens nach ihrem Namen. Sie sollte wiederkommen.
Giulia Gwinn hat sich einen Namen gemacht. Erst als Talent. Inzwischen als Elfmeter-Killerin und jetzt auch als Kapitänin.
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