Kaum ein Duell trifft die Beschreibung David gegen Goliath besser als das von Oliver Tarvet und Carlos Alcaraz. Auf der einen Seite ein 21 Jahre alter Brite am Beginn seiner Tennis-Karriere, Platz 733 der Weltrangliste, vor Wimbledon noch nie ein Turnier auf der großen ATP-Tour geschweige denn einen Grand Slam gespielt. Auf der anderen Seite der Titelverteidiger, die Nummer zwei der Welt, ein fünffacher Grand-Slam-Sieger. Klarer könnten die Rollen in der zweiten Runde auf dem Center Court an diesem Mittwoch (zweites Spiel, nicht vor 15.40 Uhr, im Sport-Ticker der WELT) nicht verteilt sein.

Schon das Erreichen des Hauptfeldes und der anschließende Erstrundensieg gegen den Schweizer Qualifikanten Leandro Riedi (6:4, 6:4, 6:4) ist der bisher größte Erfolg Tarvets. Die etwas mehr als 115.000 Euro Preisgeld logischerweise auch die höchste finanzielle Belohnung in Tarvets Karriere. Nur behalten darf er davon kaum etwas.

Der kuriose Grund liegt in Tarvets bisherigem Karriereweg. Der junge Brite spielt und trainiert an der Universität in San Diego. Und als Collegespieler greifen die Regeln der National Collegiate Athletic Association (NCAA). Das Regelwerk sieht vor, dass Spieler nur bis zu 10.000 US-Dollar (rund 8500 Euro) sowie die während eines Turniers entstandenen Kosten einnehmen dürfen. Die NCAA ist eine gemeinnützige Non-Profit-Organisation, über die viele Colleges und Universitäten in den USA ihre Sportprogramme organisieren.

„Seine tatsächlichen und notwendigen Ausgaben werden auf der Grundlage des gesamten Jahres berechnet und umfassen alle Ausgaben, die er tatsächlich getätigt hat und die für seine Teilnahme notwendig gewesen wären, wie z. B. Trainingsgebühren, Trainerhonorare und Reisekosten für ihn und seine Familie“, erklärte die Universität von San Diego im Gespräch mit dem Fernsehsender ntv. „Letzten Endes kann er also das Preisgeld annehmen, vorausgesetzt, er nimmt nicht mehr als seine tatsächlichen Ausgaben für die Teilnahme an. Der Rest wird von Wimbledon einbehalten.“ Größter Profiteur sind also die Turnierorganisatoren selbst – zumindest vorerst.

„Fliege Business-Class“, sagt Tarvet mit einem Lächeln

Tarvet nahm die Geld-Regelung nach seinem Sieg gegen Riedi gelassen. Mit einem Augenzwinkern erklärte er seinen kreativen Plan. Er wolle einfach die Ausgaben für die Reise nach London erhöhen, die darf er schließlich einnehmen. „Tennis ist ein teurer Sport, also hoffe ich, dass ich das schaffen kann. Ich bezahle meinen Trainern einfach ein bisschen mehr. Fliege Business-Class“, sagte Tarvet. „Natürlich nicht, ich bleibe bescheiden“, fügte er hinzu.

Wenige Tage zuvor hatte der nur 40 Kilometer von Wimbledon in St. Albans geborene Collegespieler noch kritische Töne geäußert. „Ich habe hart gearbeitet, um dieses Geld zu bekommen. Ich habe nicht das Gefühl, dass ich das Geld, das ich bekommen habe, nicht verdient habe“, erklärte Tarvet nach seinem entscheidenden Sieg in der dritten Quali-Runde, zu der er überhaupt erst mit einer Wildcard zugelassen war. „Ich denke, es wäre gut, wenn es eine Regeländerung bei der NCAA gäbe, aber gleichzeitig möchte ich mich da nicht einmischen.“

Eine Hoffnung auf das Preisgeld besteht für Tarvet aber doch noch. „Wimbledon kann das Preisgeld bis zu zwei Jahre lang einbehalten. Oliver ist noch ein Jahr lang in der NCAA startberechtigt“, heißt es von der Universität in San Diego. Danach könnte die Auszahlung also erfolgen. Sein viertes Jahr in San Diego will Tarvet zuvor aber in jedem Fall abschließen.

Jetzt steht aber erst mal das größte Tennis-Match seiner Karriere an. 15.000 Zuschauer passen auf den Center Court. Bislang habe er mal vor 800 Zuschauern am College gespielt, sagte Tarvet. Sollte er Alcaraz sensationell schlagen, würde das Preisgeld übrigens auf rund 176.800 Euro steigen. Auch davon würde er nur einen Bruchteil sehen.

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