Ein Feiertag für den deutschen Handball, der Bundestrainer Gislason in Erklärungsnot bringt
Die historische Dimension des Showdowns in Köln wurde direkt mit einem Blick auf die Endspielteilnehmer deutlich: Erst zweimal in dem seit 1993 bestehenden Wettbewerb standen sich zwei deutsche Teilnehmer im Champions-League-Finale gegenüber: 2007 und 2014 duellierten sich der THW Kiel und die SG Flensburg-Handewitt im Kampf um Europas Handball-Krone und heimsten jeweils einen Titel ein.
Insofern war allein schon die Endrunde an diesem Wochenende in der rheinischen Metropole bemerkenswert. In den beiden Vorschlussrundenpartien setzten sich am Samstag zunächst die Füchse Berlin auch ohne den nach neun Minuten mit einer Roten Karte vom Feld gestellten Superstar Mathias Gidsel gegen Nantes mit 34:24 durch. Danach bewies der SC Magdeburg beim 31:30 über den Champions-League-Rekordgewinner FC Barcelona seine Nervenstärke und machte das deutsche Finale mit einem Last-Second-Treffer von Tim Hornke perfekt. „Jedem, der den deutschen Handball liebt, muss das Herz aufgehen“, befand Magdeburgs Trainer Bennet Wiegert vor dem Showdown mit dem Konkurrenten aus der Hauptstadt. „Das ist ein Feiertag für den deutschen Handball.“
Mit seiner Prognose sollte er Recht behalten. Denn keine 22 Stunden nach Wiegerts Bestandsaufnahme lieferten sich die beiden Gegner im Finale ein Duell auf hohem Niveau. Am Ende durften die Magdeburger jubeln – weil sie es zum einen verstanden hatten, die Kreise Gidsels überraschend souverän einzudämmen und zudem den von einer Schulterblessur genesenen Gisli Kristjansson in ihren Reihen hatten. Der Isländer war mit acht Treffern erfolgreichster Schütze beim 32:26-Erfolg und ragte wie schon 2023, als er das Finale mit einer ausgekugelten Schulter gespielt hatte, heraus.
Tragende Rolle für Lichtlein?
Während Protagonisten des Kölner Endspiels wie SCM-Coach Wiegert angesichts von nur zwei deutschen Startern ein drittes Bundesligaticket für die Teilnahme an der Champions League forderten, gibt es weitere wichtige Erkenntnisse aus diesem einmaligen Endspiel. Die wegweisende Frage muss umgehend Bundestrainer Alfred Gislason beantworten. Denn warum er in seiner bisherigen Amtszeit einem Ausnahmekönner wie Berlins Regisseur Nils Lichtlein bei Großereignissen nur sporadische Einsatzzeiten gewährte, ist kaum zu erklären. Lichtlein, Neffe des 2007er-Weltmeisters Carsten, spielte nicht nur während des Final Fours trotz der Finalpleite groß auf – er legte zuvor gemeinsam mit Überflieger Gidsel auch den Grundstein für den erstmaligen Gewinn der deutschen Meisterschaft.
Hinzu kommt, dass Lichtlein als Mittelmann den zuletzt bei der Weltmeisterschaft im Januar mit der Rolle des Alleinunterhalters überforderten Juri Knorr die dringend benötigten Verschnaufpausen verschaffen könnte. Weshalb Lichtlein (22) nicht längst mehr eingebunden ist in die Planungen Gislasons, ist fast schon ein fahrlässiges Vorgehen des Bundestrainers.
Ein anderes der jüngeren Vergangenheit liegt darin, dass der bisweilen sture Isländer es nicht verstanden hat, eine Basis für ein Comeback von Fabian Wiede in der deutschen Nationalmannschaft zu schaffen. Der abwehrstarke Halbrechte gehört zwingend wieder ins Team – und wäre schon bei den globalen Titelkämpfen zu Beginn dieses Jahres eine wichtige Alternative zu Vielspieler Renars Uscins gewesen. Dass weder Lichtlein noch Wiede in Gislasons Planungen wegweisende Rollen einnahmen, war mitverantwortlich für das vermeidbare Ausscheiden Deutschlands im WM-Viertelfinale gegen Portugal. Statt einer dringend erforderlichen Analyse des Scheiterns durfte Gislason ohne große Gegenrede feststellen, dass das Turnier kein Rückschritt gewesen sei.
Für den weltgrößten Handballverband gilt es nun, rasch aus seiner gefährlichen Selbstzufriedenheit zu erwachen und die Lehren aus dem Final Four respektive der gerade abgelaufenen Bundesligasaison zu ziehen. Mit tragenden Rollen für Lichtlein und Wiede. Der nächste Lehrgang steht im Oktober an, das nächste Großereignis mit der Europameisterschaft bereits in einem guten halben Jahr. Es ist an der Zeit zu handeln – für Gislason und den Deutschen Handballbund.
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