Für Fußball-Traditionalisten ist Paris St. Germain ein großer Schreck. Das Projekt wird mit Milliarden vollgepumpt und erreicht nun endlich sein Ziel - mit freundlichen Protagonisten. Katars kaltes Kalkül geht auf. Und die Perspektive ist golden.

Paris St. Germain hat gerade erst die Champions League gewonnen. Die ewige Sehnsucht wurde endlich erfüllt, nach katarischen Investitionen von rund zwei Milliarden Euro. Das Kuriose: PSG schlug zu, als die Mannschaft im Umbruch war, als man sich von all den Giganten getrennt hatte, die verzweifelt versucht hatten, das Projekt des Emirats zu krönen: Neymar etwa, Lionel Messi und bis zur vergangenen Saison auch Kylian Mbappé.

In diesem von den gigantischen Egos aufgeräumten Kader entwickelte die Mannschaft einen bemerkenswerten Teamgeist und wurde angeführt vom blitzgereiften Enfant terrible Ousmane Dembélé immer stärker. Im Finale gegen Inter Mailand lieferte das neue PSG seine Masterclass ab. Mit 5:0 fielen die Franzosen über die ratlosen Italiener her. Sie verweigerten den Unverwüstlichen nahezu jede Teilnahme an diesem Endspiel. Und in dieser Form sind die Pariser nun heißer Kandidat auf den nächsten großen Titel: auf den Triumph bei der Klub-WM.

"Deshalb ist diese WM hier auch historisch"

Das wäre wohl eine passende Pointe: Das wohl zumindest bei Fußball-Traditionalisten umstrittenste Konstrukt Europas schnappt sich auch noch den goldenen Superpokal des vor Stolz auf sein Herzensprojekt platzenden Gianni Infantino. Der will sich mit dem umstrittenen Mega-Turnier in den USA, gepimpt mit saudischen Milliarden für die TV-Übertragung, ein Denkmal im Weltsport setzen und bemüht direkt mal die größten Vergleiche für sein Turnier: "Es ist ein bisschen so wie 1930, als die erste Weltmeisterschaft begann", sagt der FIFA-Boss der Agentur AFP: "Heute spricht jeder über die allererste Weltmeisterschaft. Deshalb ist diese Weltmeisterschaft hier auch historisch."

Infantino sieht mit Beginn des Turniers eine "neue Ära des Fußballs" am Horizont. Seine Ära. Und womöglich wird sie geprägt von PSG. Denn diese Mannschaft hat das Potenzial für eine goldene Zukunft. Fast alle wichtigen Spieler sind noch jung oder sehr jung. Selbst Anführer Dembélé ist mit seinen 28 Jahren noch weit entfernt vom Karriere-Endspurt. Der Kader platzt vor Talent, der 20-jährige Désiré Doué hat gegen Mailand hinterlegt, dass er ein Herausforderer von Fußball-Weltwunder Lamine Yamal werden kann. Hinzu kommen Khvicha Kvaratskhelia, Vitinha, Joao Neves, Nuno Mendes oder Bradley Barcola, alle zwischen 20 und 25 Jahren alt.

Mega-Transformation des Pariser Fußballs

Und diese Mannschaft ist von einer kindlichen Freude umfasst. Da flossen nach der Masterclass in München Tränen, da sprangen die Burschen so aufgeregt durcheinander, als hätte ihnen der Weihnachtsmann alle Herzenswünsche auf einmal erfüllt. Das war schön mitanzusehen. So wie ihr Fußball schön anzusehen war. PSG spielte mit einer erfrischenden Leichtigkeit, die sonst in Europa nur Hansi Flicks wild gewordener FC Barcelona an den Tag legt. Bei Paris geht es nicht mehr um Egos, um das eigene Wertekonto der Anerkennung. Bei Paris geht es um den Erfolg des Teams. Wundervoll zelebrierte Tore wie das 1:0 durch Achraf Hakimi oder das 2:0 durch Doué wären wohl noch in der Vorsaison undenkbar gewesen. Jetzt spielte die Mannschaft den Ball so lange weiter, bis der perfekte Abnehmer gefunden wurde und nicht der mit dem größten Selbstverständnis.

PSG hatte die Welt für sich eingenommen. An dem Abend von München, an den Tagen danach, als das Team flankiert von über 100.000 Fans zu einer sehr euphorischen Parade aufbrach, die allerdings auch mit Krawallen endete. PSG hatte eine gute, eine sympathische Geschichte zu erzählen. Mit den jungen Protagonisten und dem charismatischen Trainer Luis Enrique, dessen dramatische Vergangenheit mit dem Tod seiner kleinen Tochter rund um das Finale nochmal groß gemacht worden war. Von den Medien, von den PSG-Fans, die ihm mit einer emotionalen Choreografie Tränen in die Augen trieben. Das waren große Momente.

Und tatsächlich ist der Henkelpott ja auch ein Geschenk, auf das der Klub lange warten musste. Zum ersten Mal überhaupt seit der offiziellen Vereinsgründung 1970. Hervorgegangen ist PSG aus dem Vorstadtklub Stade Saint-Germain. Lange Jahre fehlt dem Klub der große Glanz, in Frankreich waren andere Adressen en vogue, trotz des Vorzugs der Hauptstadt, trotz Stars wie Ronaldinho, wie Nicolas Anelka, Youri Djorkaeff oder George Weah.

Dunkler Schatten auf dem Triumph

In den 90er-Jahren waren sie einmal nah dran, sich den großen Glanz Europas umzuhängen. 1994/95 scheiterten sie im Halbfinale an einer großen Generation des AC Mailand. Ein Jahr später triumphierte die Mannschaft schließlich im Europapokal der Pokalsieger. Ein großer Titel, ohne große Wertigkeit. Paris, das klingt nach der schillernden Welt, nach Licht, nicht nach Schatten. Doch genau dieser legte sich 2011 langsam über den Klub, als die katarische Investorengruppe Qatar Sports Investments den Klub kaufte und ihn von der Schuldenlast befreite. Katar machte PSG zu einem "Brachialprojekt", wie die "Süddeutsche Zeitung" schrieb. Und ist nun am Ziel.

Aber diese Momente waren nicht uneingeschränkt ungetrübt. Denn in die Feierlichkeiten mischte sich auch Klubboss Nasser Al-Khelaifi ein, der eng verbunden ist mit Staatschef Tamim bin Hamad Al Thani. Der ernannte ihn sogar 2013 zum Minister ohne Geschäftsbereich. Al-Khelaifi wischte sich ein paar Tränen aus dem Auge und drängte sich bei der Siegerehrung dazwischen. Man stelle sich mal vor, Uli Hoeneß würde das beim FC Bayern tun. Das waren seltsame Bilder, die da in die Welt flogen. Sie offenbarten, worum es dem Emirat Katar vor allem geht: Einfluss auf den Weltfußball nehmen, das Image des Landes mit erfolgreichem Sportwashing aufbessern, die schweren Menschenrechtsverletzungen in der Heimat kaschieren. PSG ist in den vergangenen Wochen das freundliche Gesicht des international umstrittenen Emirats geworden. Im Glück vergisst man schnell. Der Schrecken des Fußballs hat eine Ende gefunden. Katar gefällt das.

An diesem Sonntagabend geht Paris auf erneute Titeljagd. Erster Gegner bei der Klub-WM: Atlético Madrid.

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