Robert Lewandowski erlebte die Kontraste des Fußballgeschäfts zuletzt deutlich wie vielleicht noch nie in seiner Karriere. Während er beim FC Barcelona seine beste Saison spielte, seit er im Sommer 2022 vom FC Bayern nach Spanien gewechselt war, gab es Ärger in der polnischen Heimat.

Der 36-Jährige wollte unter Trainer Michal Probierz nicht mehr für die Nationalmannschaft spielen und erhöhte mit einer Rücktrittsankündigung den Druck auf den Verband massiv. „Angesichts der Umstände und des Vertrauensverlusts in den Trainer der polnischen Nationalmannschaft habe ich beschlossen, meine Tätigkeit in der polnischen Nationalmannschaft einzustellen, solange er im Amt ist“, schrieb Lewandowski auf Polnisch bei X.

Er hoffe, danach wieder „für die besten Fans der Welt spielen zu können“. Der Weltklasse-Stürmer, der früher auch für Borussia Dortmund auf Torejagd gegangen war, hatte nach einer langen Saison mit dem FC Barcelona auf das derzeit laufende Qualifikationsfenster verzichtet.

Vor Lewandowskis Post hatte Nationaltrainer Probierz erklärt, dass künftig nicht mehr der Stürmer, sondern Piotr Zielinski Kapitän des Nationalteams sein soll. „Der Trainer hat Robert Lewandowski, das ganze Team und den Trainer-Staff persönlich über seine Entscheidung informiert“, hieß es in einem Statement des Verbandes.

Lewandowski hat 158 Länderspiele für Polen absolviert und dabei 85 Tore erzielt. Er will seine Nation zur WM 2026 in den USA, Mexiko und Kanada führen. Der Druck auf Probierz war nach dem Social-Media-Post von Lewandowski, der in der Heimat als Volksheld gilt, enorm gewachsen. Am Donnerstagmorgen zog Probierz Konsequenzen und trat zurück. „Zum Wohle der Nationalmannschaft“, wie er verkündete.

Weitaus besser und störungsfreier lief es für Lewandowski beim FC Barcelona, mit dem er in der abgelaufenen Saison gleich drei Titel abräumte.

WELT: Herr Lewandowski, vor drei Jahren wechselten Sie aus München zum FC Barcelona. Nicht jeder war damals überzeugt, dass dies der richtige Schritt für Sie sei. Im letzten Saisonspiel von LaLiga feierten Sie mit Barça nach dem Gewinn des Supercups und Pokals jetzt nicht nur die Meisterschaft: Sie schossen beim 3:0 gegen Bilbao auch Ihre Tore 100 und 101 für den Verein. Was bedeutet Ihnen diese Marke?

Robert Lewandowski: Das ist eine große Zahl, eine große Leistung. Ich hätte nie geglaubt, dass mir das gelingt. Nun habe ich das in drei Jahren geschafft, das ist etwas Besonderes für mich. Mir sind mit Dortmund, Bayern und Barcelona über 100 Tore gelungen. Das macht mich stolz. Wir haben nun eine tolle Saison hinter uns, ich habe über 30 Titel in meiner Karriere gewonnen. Aber ich bin bereit für mehr. Unsere Mannschaft wird in der nächsten Saison noch besser sein.

WELT: Barcelona strotzt vor Talent und Kreativität mit Spielern wie Lamine Yamal, Pedri, Pau Cubarsí. Wohin kann es für dieses Team noch gehen?

Lewandowski: Wir sind schon jetzt zusammengewachsen, haben uns als Team entwickelt. Aber ich kann versprechen: Wir stehen erst am Anfang und werden noch stärker. Die Erfahrung aus dieser Saison wird helfen. Wir haben jetzt die Basis gelegt, in Zukunft werden wir eine viel bessere Kontrolle haben. Die jungen Spieler wachsen mit jedem Einsatz. Wir haben Fehler gemacht – und trotzdem Titel gewonnen!

WELT: War die abgelaufene Saison Ihre schönste in Barcelona?

Lewandowski: Auf jeden Fall. Nicht nur wegen der Titel, die wir gewonnen haben, oder meiner Leistung. Aber die Art und Weise, wie wir gespielt haben, hat die Menschen begeistert. Viele Menschen haben sich wieder in Barcelona verliebt. Oft lagen wir ein, zwei Tore hinten, haben am Ende dann noch gewonnen.

WELT: Haben Sie schon einmal in einem Team gespielt, das so viel Spektakel gezeigt hat?

Lewandowski: Nein, so spektakulär wie mit Barcelona war es noch nie in meiner Karriere. Auf beiden Seiten: Wir haben auch Gegentore bekommen, viele Treffer selbst erzielt. Manchmal wäre vielleicht ein 1:0 besser gewesen, auch für den Puls von Hansi Flick (lacht). Aber nehmen Sie das Hinspiel gegen Inter Mailand in der Champions League (3:3; d. Red.). Hätten wir dort etwas strukturierter, cleverer agiert, wären wir in München im Finale gestanden. Ich wäre sehr gerne in die Allianz Arena zurückgekehrt.

WELT: Was hat Hansi Flick mit dem FC Barcelona gemacht?

Lewandowski: Er hat eine typisch deutsche Eigenschaft zu Barcelona gebracht: Hansi hat dem Verein eine Struktur gegeben. Junge Spieler, die locker mit einigen Dingen umgehen, denken, dass gewisse Kleinigkeiten nicht wichtig sind. Er hat ihnen gesagt, um was es im Fußball geht. Dass Kleinigkeiten doch den Unterschied machen. Hansi hat klargemacht, was er erwartet. Und er konnte durch seine Art aus jedem das Beste herauskitzeln. Es gab eine Phase im Dezember, in der wir ein paar Probleme hatten. Aber wichtig war, diesen schlechten Moment nicht am Ende der Saison zu haben. Es war unglaublich, wie wir von Beginn der Saison an gespielt haben, von Sieg zu Sieg geeilt sind.

WELT: Wie schwer war es für die Mannschaft, den neuen Spielstil von Flick anzunehmen?

Lewandowski: Am Anfang gab es schon Momente, wo wir lernen mussten: Wann ist der Zeitpunkt gekommen, um zu attackieren? Wann nehmen wir etwas Risiko raus? Junge Spieler müssen das erst adaptieren.

WELT: Wie hat Flick Ihnen persönlich geholfen?

Lewandowski: Die vielleicht größte Stärke von Hansi ist es, dass er aus jedem Spieler – egal, ob in der Startelf oder auf der Bank – das absolut Beste herausholen kann. Weil er einen Draht zu jedem Spieler aufbauen kann. Die Spieler fühlen sich unter Hansi wohl. Und das sorgt einfach für bessere Leistungen, das ist wie in jedem Job. Auch ich bin ein Mensch, keine Maschine. Ich fühle mich besser und spiele besser, wenn ich merke: Der Trainer vertraut mir. Dann kann ich dem Team mehr geben.

WELT: Sie haben zuletzt angekündigt, dass Sie auf jeden Fall in Barcelona bleiben und im Sommer nicht wechseln. Wie alt fühlen Sie sich mit 36 Jahren neben Jungstars wie Lamine Yamal, der 17 ist?

Lewandowski: Ich teste das immer wieder. Aktuell ist mein biologisches Alter bei 30 Jahren. Ich denke, das ist nicht so schlecht – ich fühle mich wie ein erfahrener Teenager (lacht). Ich habe zuletzt, als wir viel Zeit miteinander verbracht haben, wieder das Kind in mir entdeckt. Der Kontakt zu den jungen Spielern war in dieser Saison besser als in der zuvor. Wir gehen oft zusammen raus, in Restaurants, wir liefern uns Duelle an der Tischtennisplatte. Also keine Sorge: Ich fühle mich nicht wie der Papa in dieser Mannschaft, eher wie der ältere Bruder. Zudem kann man 18-jährige Fußballer nicht mit normalen Teenagern in diesem Alter vergleichen: Sie erleben so viele Dinge, haben so viel Druck von außen. Daher ist ein 18-Jähriger vom FC Barcelona deutlich älter als ein normaler 18-Jähriger. Und der Unterschied im Denken und Handeln zu mir ist nicht groß, obwohl ich doppelt so alt bin.

WELT: Wie gut kann Lamine Yamal werden?

Lewandowski: Die letzten drei Monate hat er unglaublich gespielt. Er ist mit einem herausragenden Talent gesegnet. Mental ist er schon auf dem Level eines 22-, 23-Jährigen. Er ist clever, weiß, was er machen muss. Wenn er Lust hat, über fünf, sechs und mehr Jahre zu arbeiten, kann er sehr, sehr lange auf dem Topniveau bleiben. Das Talent von Topspielern trägt sie bis zum Alter von 20, 21 Jahren. Danach muss man hart arbeiten. Aber Lamine ist außergewöhnlich. Er versteht das Spiel. Ich werde nie vergessen, wie ich ihn das erste Mal im Training gesehen habe. Lamine war 15 Jahre alt – und ich war schockiert. Ich habe nie einen Spieler gesehen, der sofort solche Sachen gemacht hat.

WELT: Schlägt Real Madrid nächste Saison mit Xabi Alonso als neuem Trainer zurück?

Lewandowski: Ich war mir immer sicher, dass Xabi ein super Trainer wird. Die Mannschaft wird mit ihm sicher umgebaut. Sie werden etwas Zeit brauchen, aber Real mit Xabi Alonso: Das wird ein harter, gefährlicher Gegner.

WELT: Ihr langjähriger Teamkollege Thomas Müller hört beim FC Bayern auf. Was würden Sie ihm raten?

Lewandowski: Für seinen Kopf wäre es sicher gut und ein Vorteil, noch einmal einen anderen Klub, eine andere Kultur kennenzulernen. Wir hatten in den letzten Tagen oft WhatsApp-Kontakt, wollten immer telefonieren, aber haben uns nicht erreicht. Wenn wir demnächst sprechen, erfahre ich die Entscheidung ja vielleicht von Thomas selbst …

WELT: Im deutschen Fußball gibt es einen neuen Stürmer, der für Aufsehen sorgt: Nick Woltemade. Ist er Ihnen ein Begriff?

Lewandowski: Sein Name sagt mir natürlich etwas. Ich habe die erste Halbzeit vom Pokalfinale gesehen. Woltemade hat etwas. Ich weiß, dass Deutschland ein Stürmer-Land ist. Seit Miroslav Klose sucht man aber nach einer echten Nummer 9, diese Lücke muss geschlossen werden. Eine große Nationalmannschaft wie Deutschland – und Julian Nagelsmann – braucht einen echten Mittelstürmer. Woltemade ist schon 23 Jahre alt, aber wenn er sich so weiterentwickelt wie zuletzt und hart arbeitet, kann er vielleicht die Lösung für Deutschland werden.

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