Der Fall Bellingham zeigt das Problem der deutschen Nationalmannschaft
Spektakulär waren die Videoschnipsel nicht, auch nicht sehr lang. Es war lediglich ein kleines Flugzeug zu sehen, das sich im Landeanflug befand. Und trotzdem gingen diese Sequenzen am Pfingstwochenende viral: Denn der, der da in einer Privatmaschine angeflogen kam, war Jobe Bellingham, der jüngere Bruder des englischen Weltstars Jude, der einst bei Borussia Dortmund spielte und nun Mitglied des Star-Ensembles Real Madrids ist.
Jobe Bellingham wird künftig für den BVB spielen. Dass sich das 19 Jahre alte Talent vom AFC Sunderland für den Champions-League-Teilnehmer entschied, ist durchaus ein Grund zur Freude für die Dortmunder. Und dennoch wirft dieser Transfer einen Schatten auf den deutschen Fußball – just in diesen Tagen, in denen aufgrund der zwei Niederlagen der Nationalmannschaft beim Final-Four-Turnier in der Nations League gegen Portugal (1:2) und Frankreich (0:2) über die Qualität im deutschen Fußball debattiert wird.
Dabei geht es nicht nur um die Ergebnisse, sondern vor allem um die Frage: Was kommt nach, wenn Eckpfeiler wie Antonio Rüdiger, Jamal Musiala, Nico Schlotterbeck oder Kai Havertz verletzungsbedingt fehlen? Wer kann sie ersetzen? Wer sind die Spieler, die großes Potenzial haben und eine Option für die Zukunft wären?
Nicht wenige Experten attestierten der Eliteauswahl nach den Niederlagen im Final Four eine fehlende Breite – und da ist was dran. Die Spieler, denen sich jüngst die Chance bot, mit Nachdruck auf sich aufmerksam zu machen, nutzten die Möglichkeit kaum bis gar nicht. Die renommierte „New York Times“ hielt vielsagend fest: „Unter der Oberfläche dieser deutschen Mannschaft sieht es nicht so gut aus.“
Womit wir wieder bei Jobe Bellingham wären. Es spricht für die Bundesliga, dass sich hoffnungsvolle internationale Talente für sie entscheiden. Das haben in der Vergangenheit schon einige andere getan, um nach entsprechender Entwicklung den nächsten großen Schritt zu gehen – Kevin de Bruyne sei erwähnt, Erling Haaland oder Jaden Sancho.
Doch so sehr die Bundesliga für internationale Talente als Sprungbrett auch dient: Nicht nur vor dem Hintergrund einer starken Nationalmannschaft sollte es der Anspruch der Bundesligaklubs sein, erst einmal zu schauen, den vielen einheimischen und von ihnen teils über Jahre selbst ausgebildeten Talenten eine Perspektive aufzuzeigen. Zu wenige von ihnen bekommen die Chance, den Sprung nach oben zu schaffen. Gut möglich, dass am Ende vielleicht die berühmten zwei, drei Prozent fehlen, doch dann ist es an den Vereinen dafür zu sorgen, an den Schwächen zu arbeiten, die Spieler zu verbessern – und ihnen Zukunftsoptionen aufzuzeigen.
Fabian Wohlgemuth, der Sportvorstand des VfB Stuttgart, fand vor wenigen Wochen mahnende Worte in einem Interview mit WELT AM SONNTAG. „Es fällt auf, dass immer weniger Spieler, die in Deutschland ausgebildet worden sind, in der Bundesliga ankommen“, sagte Wohlgemuth. Es sei, so ergänzte er, an der Zeit, „die verbandsseitigen Vorgaben zum Einsatz von Nachwuchsspielern weiter anzuziehen. Bundesliga-Spieler werden im letzten Schritt in der Bundesliga entwickelt und nicht im Nachwuchs.“
Ob der Verband oder die Liga als oberste Instanzen den Hebel ansetzen können, bleibt abzuwarten. Vielleicht sollten erst einmal die Vereine in sich gehen und überlegen, was sie tun können, damit der Nachwuchs besser wird.
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