Die Erwartungen an das French-Open-Finale zwischen Jannik Sinner und Carlos Alcaraz waren riesig - und sie werden übererfüllt. Das Duell der beiden Youngster wird episch, ein Spiel für die Geschichtsbücher. Das Finale verspricht Großes für die Zukunft.

Rafael Nadal ist der König von Paris. Das hat sich an diesem Sonntag nicht geändert. Kein Tennisspieler jemals zuvor hat die French Open so sehr dominiert, wie der Spanier. Kein Tennisspieler jemals zuvor hat dem großen Turnier so viele überragende Momente geschenkt. Momente für die Ewigkeit. Etwa das Finale 2008 gegen Roger Federer, das als das vielleicht brillanteste und dominanteste aller Zeiten gilt.

Doch was sich an diesem Sonntag geändert hat: In Zukunft wird in Paris nicht mehr nur über Nadal geredet. Sondern auch über seinen Landsmann Carlos Alcaraz. Der hat im Endspiel der French Open Dinge getan, die unfassbar waren. Er hat Dinge getan, die man in Paris nur von Nadal kannte. Alcaraz hat das Finale gebogen, auf sensationelle Weise. Er hat in aussichtsloser Lage Matchbälle abgewehrt, er hat Jannik Sinner besiegt, der nach seiner Dopingsperre wieder da war und phänomenal aufspielte. "Dieses Spiel hatte einfach alles. Ich überlasse anderen, wo sie es in der Tennis-Geschichte einordnen. Ich bin einfach stolz auf Jannik und mich", befand er.

Nach 5:29 Stunden war das Finale vorbei. Und wie es endete: Aufschlag Sinner, Return Alcaraz. Der Italiener geht ans Netz, treibt den Spanier in die andere Ecke des Feldes und der holt zu einem überragenden Passierball aus. Sinner kann noch schauen, wie die Filzkugel an ihm vorbeifliegt. Alcaraz fällt direkt in die Asche, erschöpft und von unfassbarem Glück beseelt. Er hat eines der größten Tennisspiele überhaupt gewonnen, 4:6, 6:7 (4:7), 6:4, 7:6 (7:3), 7:6 (10:2) steht es am Ende des längsten Finales der French-Open-Geschichte.

"Eine Statistik, die ich für immer haben werde"

Mit seinem Triumph hat Alcaraz mit Legende Nadal nun eine Sache gemeinsam: Beide Spanier waren gerade einmal 22 Jahre alt, als sie bereits ihren fünften Grand-Slam-Titel feierten. Und das auf den Tag genau. "Das ist doch Schicksal", sagte Alcaraz: "Lasst das bitte nicht aufhören! Das ist eine Statistik, die ich für immer haben werde. Meinen fünften Grand-Slam-Titel im selben Alter wie Rafa, meinem Idol, meiner Inspiration zu feiern, ist eine große Ehre für mich."

Und direkt wurden Superlative über dieses Spiel ausgeschüttet. Von einem Jahrhundertfinale war die Rede. Tennis-Ikone Boris Becker, Experte bei Eurosport und Beobachter von unzähligen Spielen, bekam sich während der Partie gar nicht mehr ein. "Historisch. Werbung für den Tennissport", jubelte er: "Wer sich im Tennis ein bisschen auskennt, sowas haben wir alle noch nie gesehen. Hier jagt ein Höhepunkt den anderen."

Auch und besonders in Spanien war man fassungslos vor Glück angesichts von Alcaraz' Triumph: "Alcaraz erfindet das Comeback aller Zeiten und gewinnt gegen Sinner zum zweiten Mal Roland Garros in einem der besten Spiele der Geschichte", feierte etwa die Zeitung "El Mundo". Die Zeitung "Sport" war ebenfalls in völliger Ekstase: "Alcaraz vollbringt das größte Wunder im Sport und gewinnt sein fünftes Grand-Slam-Turnier. So etwas hat man in der Geschichte des Sports noch nicht gesehen." Die "La Vanguardia" fand dagegen große Worte für beide Spieler: "Sinner ist eine perfekte Maschine; Alcaraz ein Superheld."

"Es ist eine Ehre, mich mit dir messen zu dürfen"

Was war das für ein Spiel. Unglaublich. Episch. Sinner hatte auf dem Weg ins Finale alle Gegner "zerstört", wie Alcaraz das vorab nannte. Er selbst musste sich deutlich mehr abmühen, wirkte weniger souverän im Verlauf des Turniers. Und so begann auch das Finale. Sinner fand schneller zu sich. Beide Spieler jagten sich über das Feld, lieferten sich monströse Rallies und packten immer wieder gigantische Schläge aus. Dieses Duell hatte fiebrige Vibes von Nadal, von seinen Duellen gegen Novak Djokovic und Roger Federer. Womöglich war dieses Finale die Geburt einer neuen, großen Sportgeschichte. Womöglich folgen auf die großen Drei, von denen nur noch Novak Djokovic spielt, nun die großen Zwei. Derzeit kann niemand dem Niveau von Sinner und Alcaraz folgen.

Der Italiener, den immer noch der Schatten seiner milden und sehr gut getimten Dopingsperre zwischen den Australian Open und den French Open umgibt, und der Spanier schenkten sich von Beginn an nichts. Das war Tennis auf bestem Niveau. Diese Erwartungen hatte das Finale vorab bereits geschürt. Und diese Erwartungen wurden übertroffen. Von der Art, wie sich die beiden duellierten. Von der Dramatik, die dieses Match bereithielt. Schon das erste Aufschlagspiel von Sinner dauerte zwölf Minuten, nach Abwehr von drei Breakbällen ging er 1:0 in Führung. Schon hier konnte man das Gefühl bekommen, dass es ein magischer Nachmittag wird.

"Es ist ein Privileg, den Court mit Dir zu teilen. Es ist eine Ehre, mit Dir Geschichte geschrieben zu haben. Du bist eine Inspiration für mich", sagte Alcaraz nach seinem Triumph an Sinner gerichtet. "Es war ein unglaubliches Finale. Danke an alle." Es war indes nicht nur sportlich groß, sondern auch von großer Fairness geprägt. Beide Spieler überstimmten jeweils Entscheidungen - zugunsten des Rivalen. "Ich werde heute Nacht nicht besonders gut schlafen, aber es ist ok", sagte Sinner enttäuscht und bekannte trotzdem glücklich zu sein. Er hatte alles, wirklich alles gegeben, doch Alcaraz war besser. "Du hast diesen Titel verdient, Carlos."

"Es ist nicht mit Worten zu erklären"

Auch die Tennis-Welt war restlos begeistert von dem unglaublichen Finale. "Was für ein unglaubliches Finale bei @rolandgarros!", schrieb der 14-malige Paris-Champion Nadal bei X. Auch Boris Becker fand: "Was für ein Match, was für ein Drama, was für ein Niveau! Es ist nicht mit Worten zu erklären und zu begreifen." Alcaraz war erst der sechste Spieler, der in Paris nach einem 0:2-Satzrückstand im Finale noch den Titel gewinnt. Sinner hatte bis zum Finale keinen Satz verloren. Und es sah lange so aus, als würde es dabei bleiben.

Im ersten Durchgang musste sich Alcaraz behandeln lassen. Etwas war in sein Auge geflogen. Das brachte den Spanier vorübergehend aus dem Rhythmus. Der erste Satz ging an Sinner. Natürlich. Alcaraz wirkte danach ein wenig ratlos. Er verlor sofort wieder sein Aufschlagspiel. Er hetzte dieser Hypothek hinterher. Und erst beim Stand von 5:3 kämpfte er sich das Break zurück. Alcaraz pushte sich wie Nadal zu besten Zeiten. Auf den Tribüne war längst Feiertag. Staunend flogen die Blicke hin und her, ein Weltklasseschlag folgte dem nächsten. Die Liebe der Fans neigte sich in Richtung des emotionalen Spaniers, doch Sinner, das größte Pokerface der Szene, blieb cool und hatte nach 2:11 auch den zweiten Satz gewonnen. Als Sinner den dritten Durchgang mit einem Break eröffnete, schien das Duell vorentschieden. Doch dann kam Alcaraz. Dann kam das Comeback, für das es nur Superlative gibt.

Die Fans tanzen und Alcaraz wehrt Matchbälle ab

Der Spanier spielte sich in einen Rausch. Es knallte und krachte auf dem Court. Und beide Spieler rannten, als ging es um ihr Leben. Kein Ball ging verloren. Den dritten Satz schnappte sich Alcaraz, auch weil Sinner die schwächste Phase in diesem Finale erlebte. Der Italiener kassierte den ersten Satzverlust bei einem Grand-Slam-Turnier seit dem Achtelfinale gegen Holger Rune bei den Australian Open. Danach hatte Sinner 31 Sätze in Serie in Melbourne und Paris gewonnen. Ein Wahnsinn.

Alles war plötzlich enthemmt. Der Spanier, der Italiener. Das Finale. Die Fans. Und dann wurde es tatsächlich unglaublich. Im vierten Satz führte Sinner 5:3 und 40:0. Er hatte drei Matchbälle. Doch der Spanier wehrte alle drei ab, nahm Sinner danach auch noch das Service ab und entschied dann den Tiebreak klar für sich. Paris tobte wie lange nicht mehr. Die Zuschauer tanzten völlig losgelöst zum Song "Sweet Caroline" von Neil Diamond auf den Tribünen. Wann hatte es das mal gegeben? Satz fünf musste in diesem epischen Finale die Entscheidung bringen. Es ging weiter hin und her. Es ging in den Tiebreak. Dann stürmte Sinner nach vorne und Alcaraz pfefferte ihm den Ball um die Ohren. Was für ein Moment. Was für ein Finale.

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