Warum die Bucket List fürs Reisen überholt ist
Als ich ein kleiner Junge war, faszinierten mich beim Reisen vor allem die Fortbewegungsmittel: Das Auto, mit dem wir am Wochenende Ausflüge unternahmen; die Züge, gerade, wenn sie imposant in große Bahnhöfe einfuhren; und natürlich die Flugzeuge, deren Magie mich auch als Erwachsener nie losgelassen hat. Früher war der Weg das Ziel, im wahrsten Sinne. Wohin es ging, war eigentlich egal. Das hat sich geändert.
Reiseziele sammeln
Während meiner Uni-Zeit fing ich an, selbstständig zu reisen, was relativ schnell zu einer Sucht wurde. Ich wollte überallhin, so schnell wie möglich meinen Reisepass mit Stempeln und Visa füllen, immer unterwegs sein. Damals hatte ich Dutzende Ziele vor Augen, meist europäische Großstädte, die jeder mal besuchen will.
Auch in meinem Kopf gab es eine „Bucket List“. Dabei ist dies ein wahrlich schrecklicher Begriff, der schon nach Oberflächlichkeit und Eile klingt. Und passenderweise erst aufkam, als das möglichst schnelle Abklappern von Orten populär wurde.
Mit wahrem Reisen hat das Abhaken einer Liste freilich nichts zu tun. Wohl als Reaktion darauf steuerte ich später fast nur noch Destinationen an, die augenscheinlich kaum jemand interessant fand. Es gab einen Zeitpunkt, zu dem ich bereits in Pristina, Colombo und Minsk war, aber nicht in London, Rom oder Madrid.
Jede Gelegenheit, die sich für eine eher untypische Reise bot, empfand ich als anziehender, als etwa den Big Ben in London schlagen zu hören; zumindest das habe ich aber mittlerweile mit einer Reise in die britische Hauptstadt nachgeholt.
Keine Sehnsuchtsorte mehr
Seit einiger Zeit fahre ich am liebsten an Orte, an denen ich schon einmal war – weil sie besonders schön sind, eine spezielle Bedeutung haben oder um zu sehen, was sich dort verändert hat. Inzwischen aber freue ich mich sogar darauf, in bekannte Gegenden zurückzukehren, obwohl ich im Zweifel nichts Neues mehr vorfinde.
Echte „Sehnsuchtsorte“ habe ich schon eine ganze Weile nicht mehr, sei es, weil ich das Glück hatte, sie zu besuchen (wie Argentinien und Galicien), oder weil sich der Wunsch, dorthin zu reisen, in Luft aufgelöst hat (etwa bei Indien und Neuseeland).
Mir scheint, dass es immer weniger Menschen gibt, die schon ihr ganzes Leben lang in ein bestimmtes Land oder eine konkrete Stadt wollen, es aber bisher nicht geschafft haben – eventuell, weil eben jeder überall hin will.
Orte zum Wiederentdecken
Womöglich sind die besten Sehnsuchtsziele deshalb diejenigen, die einem bereits vertraut sind und mit denen man eine Verbindung aufgebaut hat. Denn so viel die Welt auch zu bieten hat: Nur wenig ist so erfüllend und so erquicklich wie das Gefühl, einen Ort fast genauso gut zu kennen wie die eigene Heimat.
Jedenfalls ist es erbaulicher als das zusammenhangslose Abfahren möglichst vieler Punkte auf der Landkarte, ohne jede inhaltliche oder persönliche Verknüpfung, nur, um danach sagen zu können, man sei dort gewesen.
Warum also nicht die nächste Reise an ein Ziel unternehmen, an dem man schon war, das letzte Mal vielleicht vor langer Zeit? Denn die schönsten Orte sind doch jene, die man richtig erkundet – oder wiederentdeckt.
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