Entspannt liegt der Atlantik da, behutsam lässt er seine Wellen auf dem feinen Sand ausrollen. Schwer vorstellbar, dass hier einmal ein Kampf auf Leben und Tod ausgefochten wurde. Dass sich da, wo jetzt zwei ältere Damen auf dem Rücken treiben und kokett einem vorbeigleitenden Stand-up-Paddler zuwinken, einst ein 25 Meter langer weißer Pottwal erhob, dem Harpunenhagel trotzte und schließlich seine Verfolger mit in die Tiefe riss.

Nun ja, der Wal bestand vor allem aus Stahl und Latex. Sein Name aber ist ein Mythos, auf den man heute noch stolz ist in Las Palmas: „Moby Dick“ wurde hier gedreht, vor etwas mehr als 70 Jahren, um die Weihnachtszeit im Jahr 1954. Damals ahnte die Hauptstadt Gran Canarias wenig von dem bald einsetzenden Tourismusboom, noch waren Charterflüge nicht erfunden, noch gab es hier mehr Sand als Straßen.

Die niedrigen weißen Häuser, die man in „Moby Dick“ am fernen Ufer sieht, waren authentisch: Fischersiedlungen, die allerdings schon wenig später Hotels und Apartmentblocks Platz machen sollten. In den 1960er-Jahren entdeckten Pauschalurlauber die Reize der geschützten Bucht. Die Playa de las Canteras, an der man zu jeder Jahreszeit baden kann, brachte Las Palmas den Ruf einer „spanischen Copacabana“ ein.

Heute ist das Geschichte. Die Touristenmassen haben sich längst in den einst so menschen- und vegetationsarmen Süden der Insel verlagert. An der Costa Canaria bis hin nach Maspalomas entstand eine gigantische Ferienmaschine, mit deren touristischen Beglückungsangeboten Las Palmas nicht im Ansatz mithalten kann – nur 4,5 Prozent der touristischen Einnahmen werden in der Inselhauptstadt erwirtschaftet. Was man durchaus als Chance sehen kann: Wer jenseits von All-inclusive und Bingo am Pool das andere Gran Canaria kennenlernen will, ist hier gut aufgehoben. Auch in Las Palmas lässt sich ganzjährig am Strand Sonne tanken und im Meer baden. Zugleich kann man aber, anders als im Süden, eintauchen in eine lebendige spanische Stadtkultur.

Ein Auto braucht man nicht, aber vernünftige Schuhe: Es gibt viel zu laufen in Las Palmas, allein die drei Kilometer lange autofreie Strandpromenade auf der Isleta, der Halbinsel als nördlichem Teil der Stadt, möchte man mindestens einmal am Tag abmarschieren. Der Atlantik, der dank eines vorgelagerten Riffs friedlich heranrollt, leuchtet immer wieder anders blau, und auch das Publikum auf der Promenade hat so seine Zeiten: Den frühen Morgen beherrschen die Jogger und Frühschwimmer, aber auch Menschen, die zur Arbeit hasten. Etliche der Apartments, die einst für Urlauber gebaut wurden, sind mittlerweile in normale Wohnungen umgewandelt worden. Das gibt der Promenade trotz der internationalen Freizeitflaneure ein Alltagsgesicht.

Eine der größten Bar- und Restaurantdichten des Landes

Wenn die Sonne es über die Hochhäuser geschafft hat, werden die Liegestühle am Strand in Position gebracht, während oben auf der Promenade Leute ihre Einkäufe aus der nahen Markthalle Mercado del Puerto (von Gustave Eiffel erbaut und wie sein Pariser Turm ganz aus Eisen) nach Hause bringen und sich die Cafés füllen, keineswegs nur mit Touristen. Las Palmas mit seinen 350.000 Einwohnern hat eine der größten Bar- und Restaurantdichten des Landes – das heißt im ausgehfreudigen Spanien etwas! Rund um den großen Platz Parque Santa Catalina, der zwischen Playa und Hafen liegt, findet man hippe Läden mit veganer Kost, aber auch traditionelle kanarische Küche. Zum Beispiel Ropa vieja, ein Kichererbseneintopf, der viel besser schmeckt, als er übersetzt heißt: alte Wäsche.

Der Parque Santa Catalina ist bekannt für Open-Air-Konzerte, auf den Caféterrassen sieht man viele junge Leute, die Umgangssprache ist gar nicht selten eine Mischung aus Spanisch und Englisch: Las Palmas ist bei Erasmusstudenten und seit der Corona-Pandemie auch bei digitalen Nomaden sehr beliebt. Die kurzen Wege zum Meer oder in die umliegenden grünen Berge bieten viel für eine entspannte Work-Life-Balance, und nichts spricht dagegen, in der Mittagspause mal kurz aufs Surfbrett zu steigen. Am südlichen Ende der Canteras-Playa können die Wellen zu richtigen Brechern werden, weil hier kein Riff mehr die Bucht schützt.

Noch weiter im Süden liegt La Vegueta, ein museal anmutendes Viertel, in dem der Stadttrubel wie ausgeknipst wirkt. Der historische Stadtkern im Süden beherbergte einst das Hauptquartier der spanischen Eroberer, die 1478 die Stadt einnahmen. Hier stehen rund um die Kathedrale Santa Anna, an der über 400 Jahre lang gebaut wurde, feudale Herrenhäuser, oft mit palmengeschmückten Innenhöfen. Einen der schönsten beherbergt das Museum Casa de Colón, hier – besser gesagt in einem der längst abgebrannten Vorgängergebäude – soll Kolumbus auf seinen Seefahrten Station gemacht haben.

Von der Vegueta sind es nur wenige Schritte nach Triana, wieder eine Welt für sich, nämlich geprägt vom Stolz des Bürgertums im 19. und frühen 20. Jahrhundert. Damals hatte es Las Palmas als wichtiger Hafen für den transatlantischen Handel zu Wohlstand gebracht. Die vornehme Plaza Cairasco, deren prunkvollstes Gebäude, das Gabinete Literario, sich Dichterlesungen und Ausstellungen widmet, legt ebenso Zeugnis davon ab wie die lange Einkaufsstraße Calle Mayor de Triana mit ihren Jugendstilhäusern. Auch hier kann man sich für Stunden verlieren, es gibt kleine Designerläden, Galerien und die besten Restaurants der Stadt. Gesandstrahlt und aufpoliert ist erst wenig, die bunten Fassaden ziehen sich die Hügel hinauf bis zum Viertel Risco de San José. Statt Großstadtgehabe herrscht hier eine wohltuende Unaufgeregtheit.

Im „Hotel Santa Catalina“ dagegen weiß man sich sehr wohl zu inszenieren, und das seit 1890. Die Briten errichteten den Prachtbau, eine Mischung aus Schloss und kanarischem Landhaus. Maria Callas, Winston Churchill, verschiedene Königspaare: Die Liste der prominenten Hotelgäste ist lang, auch Gregory Peck gastierte hier, als er den Kapitän Ahab in „Moby Dick“ spielte. Von der Dachterrasse aus hat man einen umwerfenden Blick über die vom Meer umgebene Stadt, man sieht die Frachtschiffe, den Yachthafen, einen auslaufenden Kreuzfahrtkoloss. Allerdings keinen weißen Wal.

Tipps und Informationen:

Wie kommt man hin?

Von allen größeren deutschen Flughäfen gibt es Direktflüge nach Las Palmas. Vom Flughafen aus fahren regelmäßig Busse in die Hauptstadt.

Wie kommt man rum?

Vom zentralen Busbahnhof San Telmo gehen Busse in alle Richtungen der Insel ab. Zwischen dem Parque Santa Catalina im Norden und San Telmo fahren Busse in Minutenabständen. Entlang der Strandpromenade und an vielen großen Durchgangsstraßen gibt es Radwege, Leihräder unter: sitycleta.com.

Wo wohnt man gut?

„Hotel Santa Catalina“, Fünf-Sterne-Haus von 1890, gehört zur Barcelo-Kette, DZ ab 132 Euro, barcelo.com. Elegant und historisch ist das „Suites 1478“ im Altstadtviertel La Vegueta, Doppelsuite ab 126 Euro, suites1478.com. Am Strand Las Canteras wohnt man ordentlich im Zwei-Sterne-Haus „Apartamentos Colón Playa“, Studio mit Meerblick ab 67 Euro, apartamentoscolonplaya.com.

Wo isst und trinkt man?

„La Marinera“, direkt am nördlichen Ende der Playa de las Canteras, bekannt für seine Fischgerichte, restaurantelamarineralaspalmas.com. „El Novillo Precoz“, uruguayisches Steaklokal in Santa Catalina.

„Qué Leche“ Mittelmeerküche mit veganen Möglichkeiten im Triana-Viertel.

Weitere Infos: spain.info; grancanaria.comDie Teilnahme an der Reise wurde unterstützt vom Spanischen Fremdenverkehrsamt. Unsere Standards der Transparenz und journalistischen Unabhängigkeit finden Sie unter go2.as/unabhaengigkeit

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