Von Küste zu Küste – mein Roadtrip quer durch die USA
Das Leben ist wie eine Schachtel Pralinen, man weiß nie, was man bekommt.“ Das berühmte Filmzitat aus „Forrest Gump“ gilt auch für einen Roadtrip quer durch die USA – vor allem, wenn es der erste ist. Ein Probierpaket mit unterschiedlichen unbekannten Süßigkeiten, mal sehen, was mir schmeckt und was ich lieber nicht noch einmal kaufe. So ließe sich die Vorplanung für diesen Trip beschreiben.
Ein Roadtrip quer durch die Vereinigten Staaten von Küste zu Küste – diesen lang gehegten Traum will ich mir endlich erfüllen. Und das in einem arbeitnehmerfreundlichen Zeitraum, für den kein Sabbatical nötig ist. Alles Sehenswerte in drei Wochen zu packen und die ideale Route zu finden, hier liegt die Herausforderung. Start: Los Angeles. Ziel: New Orleans. Dazwischen: So viel sehen, wie es geht. So wenig auslassen wie möglich.
Low Budget soll es bitte auch noch sein, ohne Camper, dafür mit Zelt. Für drei Wochen haben wir pro Person ein Budget von etwa 2750 Euro: 600 Euro für Flüge (früh genug buchen), 650 Euro für Mietwagen, 400 Euro für Sprit, 500 Euro für Lebensmittel, 100 Euro für Campingausrüstung sowie 500 Euro für Übernachtungen auf Campingplätzen und in Hotels. Sparsam sind auch die Vorbereitungen. Einen Freund zum Mitkommen überzeugen. Hin- und Rückflug buchen. Leihwagen mieten. Und los.
Die erste Station unserer Reise ist so unromantisch, wie die USA auch sein können: Walmart. Denn eine Campingausrüstung fand keinen Platz im Koffer und so müssen Zelt, Schlafsäcke und Isomatten vor Ort gekauft werden. In einem Laden, der (fast) alle konsumorientierten Wünsche auf einmal erfüllen kann, ist das kein Problem. Und wir bleiben im Budget.
Kurz hinter Los Angeles ein leerer Tank
Der nächste Stopp ist unfreiwillig und lässt sich mit einer Praline vergleichen, die keiner gerne isst. Es ist später Nachmittag, der Großraum Los Angeles nähert sich endlich dem Ende, die sechsspurige Interstate in Richtung Santa Cruz ist rappelvoll. Unser Tank dagegen nicht, doch das haben wir bei all der Vorfreude überhaupt nicht im Blick. Und dann geht plötzlich gar nichts mehr.
In der Mitte der Interstate bleiben wir stehen, keineswegs empfehlenswert. Doch die Leute nehmen es gelassen, mehr als zwei, drei Hupen kassieren wir nicht, stattdessen wird sich in gemäßigtem Tempo an uns vorbeigeschlängelt.
Einen 911-Anruf und 20 endlos lange Minuten später kommt ein Polizist auf seinem Motorrad und sperrt mal eben alle sechs Spuren – nur für uns. Könnte eine tolle Reiseanekdote sein, ist aber einfach nur peinlich. Einmal von der Interstate runterschleppen lassen, etwas Benzin bekommen und ein paar Nerven verlieren, mehr kostet uns das Ganze nicht.
Wandern im Yosemite-Nationalpark
Erstes erwünschtes Abenteuer des Trips ist der Yosemite-Nationalpark mit einem Übernachtungshalt nahe Santa Cruz. Wir finden einen Zeltplatz inmitten der Red Woods. Staatliche Campingplätze müssen eigentlich vorab reserviert werden. Doch wir möchten uns die Spontanität nicht nehmen lassen, und die Anmeldung funktioniert auch ganz analog: Zettel ausfüllen und Geld in einen Briefkasten werfen.
Nach einer sehr kalten Nacht geht es endlich zum Yosemite-Nationalpark. Durch das Zwischenspiel auf der Interstate haben wir einen Tag verloren und somit bleibt uns nur der Freitag für einen der beliebtesten Nationalparks der USA – das wird dann wohl die Diätpraline.
Wir entscheiden uns für eine rund 15 Kilometer lange Wanderung durch das Yosemite Valley. Hier ist es schwer zu sagen, welche Süßigkeit am besten schmeckt. Egal, in welche Richtung wir uns wenden: Jeder Blick ist ein Genuss.
Sei es die Sicht auf die Yosemite Falls, wie sich gewaltige Wassermassen den Weg nach unten bahnen. Sei es der Half Dome, der aussieht, als wäre exakt eine Hälfte des Bergmassivs weggesprengt worden. Seien es die kleinen Lichtpunkte an den Felsflanken des El Capitan, die bei Dämmerung die Kletterer sichtbar machen, die wagemutig an der Wand übernachten.
Während die Eindrücke bereits überzulaufen drohen, mache ich mir klar, was alles noch vor uns liegt. Wie soll ein Gehirn all das verarbeiten? Doch es muss weitergehen, vor allem in Richtung Osten. Denn da wollen wir in weniger als drei Wochen sein.
Die Reise führt uns zurück gen Süden, vorbei an den Baumriesen im Sequoia Nationalpark, durch das Death Valley und kurz über den Strip von Las Vegas. Natürlich halten wir noch kurz am Grand Canyon, auch wenn wir ursprünglich nicht jedes Touri-Highlight mitnehmen wollten. Doch seien wir ehrlich, diese monumentalen Landschaften werden nicht umsonst von tausenden Menschen besucht. Sie sind es einfach wert.
Bevor es zum Monument Valley geht, steht noch eine Berühmtheit auf unserer Wunschliste: The Wave in den Coyote Buttes an der Grenze zu Utah. Die wellenförmige Sandsteinformation kennen wir von spektakulären Instagram-Bildern.
Wir finden sie nicht, dafür etwas anderes: einen Canyon, der wie gemalt wirkt. Eine Schlucht, die nur einen schmalen Weg freigibt und sich über uns bis zum Himmel erhebt. Der Paria Canyon ist ein noch unbekanntes Juwel – und eine der köstlichsten Pralinen unserer Reise.
Doch diese Leckerei hat einen Nachteil: Der große Moment, das erste Mal einen Blick auf die Felsformationen des Monument Valley zu werfen, findet im Dunkeln und somit gar nicht statt. Ich buche den teuersten Zeltplatz der Reise, um die roten Felsenhüte bei Sonnenaufgang direkt aus dem Zelt sehen zu können. Nach nur fünf Stunden Schlaf in eisiger Kälte eine harte, aber köstliche Praline. Zartbitter womöglich.
Die höchsten Dünen in Nordamerika
Es gibt eine legendäre Filmszene in Loriots Meisterwerk „Pappa ante portas“, in dem die von Evelyn Hamann gespielte Renate Nougatpralinen verkosten muss. Bis sie ihr beinahe zu den Ohren wieder herauskommen. Genauso fühle ich mich am nächsten Tag. Völlig überfressen, doch es schmeckt einfach so gut. Also weiter. Nach Colorado. Aufgrund der knappen Zeit reduzieren wir die Erlebnisse auf den weniger bekannten Süden des Staates.
Dort erwarten uns urige Städte wie Durango und Pagosa Springs, dazu Cortez samt des Mesa-Verde-Nationalparks. Ebenfalls nicht verpasst werden sollte der Nationalpark Great Sand Dunes nahe Alamosa. Hier türmen sich die höchsten Dünen Nordamerikas vor einem schneebedeckten Bergmassiv auf, ein unvergesslicher Anblick.
Bei einer Übernachtung auf der „Canyon of the Ancients Guest Ranch“ nahe Cortez erfahren wir mehr über die ersten Bewohner, die First Nations, und ihre wichtige Rolle in Colorado. Ranch-Inhaber Ming und Garry sind besonders stolz auf die Funde, die sie auf ihrem Grundstück gemacht haben: zahlreiche Tonscherben und andere Überbleibsel der First Nations.
Sie sammeln alle Fundstücke unter einem Felsvorsprung. Jeder, der hier übernachtet, darf selbst auf die Suche gehen, wird nur darum gebeten, nichts mitzunehmen. Garry möchte das Land schützen lassen. „Hier soll nichts mehr gebaut werden, das Erbe der First Nations soll bestehen bleiben“, sagt er.
Das Fleisch lockt Alligatoren zum Boot
Es bleiben noch sieben Tage. Zwei davon finden nahezu ausschließlich im Auto statt. Viele Pralinen verlangen eben eine Fastenzeit. Texas, das während unserer Reise von schweren Tornados gebeutelt wird, durchfahren wir so schnell es geht. Louisiana begrüßt uns dann mit Dauerregen und zwingt uns in Hotels und Mietunterkünfte.
Dennoch will ich mir die zwei letzten Pralinen vor New Orleans nicht entgehen lassen: eine Plantage besuchen und durch einen Sumpf schippern. Beide stopfen wir uns an einem Nachmittag rein. Die Plantage Oak Alley ist ein beeindruckendes Areal mit uralten Virginia-Eichen, die sich über die Wege krümmen. Doch die Geschichte der Sklaverei, die in den ehemaligen Sklavenhütten anschaulich dargestellt wird, hinterlässt einen bitteren Nachgeschmack.
Auch die Sumpf-Praline bleibt hinter den Erwartungen zurück. Aufgrund der mangelnden Zeit buchen wir eine klassische Tour im Touristenboot, auf dem der Kapitän ein Gewitter aus Kalauern heraufbeschwört. Als er dann noch ein Alligator-Baby aus einer Kiste holt, wird das Ganze endgültig fad.
Mehrere Alligatoren steuern das Boot an, freuen sich auf die Fleischfütterungsshow. Für uns fühlt es sich mehr nach Zoo an als nach Natur. Wer mehr Zeit hat, sollte sich lieber für eine Kanutour entscheiden.
In New Orleans zeigt sich das Elend der USA
Und dann ist er gekommen, der letzte Tag im Auto. „New Orleans“ ist die letzte Adresse, die wir ins Navigationssystem eingeben. An einer Spendenstation der örtlichen Kirche für wohnungslose Menschen gebe ich meine Campingausrüstung ab. Die Menge an obdachlosen und von Drogen gebeutelten Menschen ist in den großen Städten der USA nur schwer zu ertragen und definitiv eine bittere Pille, die zwischen all den köstlichen Pralinen geschluckt werden muss.
Das Elend zeigt sich in New Orleans noch einmal von seiner schrecklichen Seite. Abseits der Touristenviertel beginnen die Zeltstädte und auch vom Blue Grass ist nur wenig zu hören. Dennoch ist New Orleans ein interessantes Pflaster. Spannend ist eine Tour durch den Garden District mit seinen fantastischen historischen Häusern. Heute Eigentum der Reichen, waren sie in den 50er-Jahren noch von mehreren Familien gleichzeitig bewohnt.
Übernatürliches gehört genauso zur Identität der Stadt am Mississippi wie die Musik. Geister- und Vampirtouren ziehen nachts in Scharen durch das French Quarter, und wer davon nicht genug bekommt, kann im „Vampire Café“ Cocktails aus Blutbeuteln genießen.
Wir verlassen New Orleans satt und mit einer leeren Pralinenschachtel, einem Kopf voller Eindrücke und Gedanken. Die USA sind in vielerlei Hinsicht ein streitbarer Staatenbund, doch in der Natur lässt sich vieles vergessen – und davon gibt es mehr als genug. Unser Budget hat gereicht, eine Fortsetzung ist geplant. Ich weiß nun, was die Konfektschachtel bietet und picke mir beim nächsten Besuch nur die besten Pralinen heraus, um sie länger und intensiver zu genießen.
Tipps und Informationen:
Anreise: Etwa mit Lufthansa (lufthansa.com) oder Condor (condor.com) nonstop von Frankfurt nach Los Angeles. Für die Einreise wird ein Esta-Visum benötigt, Online-Antrag unter apply.usvisaconnection.com/application/esta.
Camping: Wildcamping ist in den USA vielerorts erlaubt, etwa in National Forests und Grasslands (fs.usda.gov/visit/maps). Staatliche Campingplätze bieten reservierungspflichtige Plätze an (ab 10 Euro für zwei Personen und Auto, recreation.gov).
Nationalparks: Touren und weitere Infos bietet die offizielle Website (nps.gov/index.htm). Aufgrund aktueller Etatkürzungen und Entlassungen von Rangern ruft die Organisation Our Parks Nationalpark-Gäste dazu auf, verstärkt auf die Vermeidung von Waldbränden zu achten, Müll zu sammeln und den Nationalparks Geld zu spenden (ourparks.org).
Auskunft: visittheusa.de; colorado.com; explorelouisiana.com
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