Auf dicken Reifen durch dicken Schnee – mit dem Fatbike am Polarkreis
Die Kinder können sich vor Lachen kaum halten. Dabei droht unser Vorhaben, auf Fatbikes durch die verschneite Taiga-Landschaft zu cruisen, zu scheitern. Ein ums andere Mal versuchen die Eltern, sich für ein paar Meter im Sattel zu halten. Doch das Vorderrad versinkt bei jedem Versuch weiterzufahren bis zur Nabe im Schnee.
Während sich die Eltern mit einem Bein abstützen, um nicht umzukippen und dabei immer wieder bis zum Knie im Schnee stecken bleiben, finden die beiden Söhne, 11 und 15 Jahre alt, Gefallen daran, ständig samt Bikes theatralisch umzukippen.
Lustig sind zweifelsohne die Abdrücke, die Rahmen und Körper im Schnee hinterlassen. Aber vorwärts kommen wir so nicht, hier im Norden Finnlands unweit des Polarkreises. Dabei bietet das Skigebiet Ruka eigentlich ideale Voraussetzungen, das Winterradeln auf Breitreifen mit der ganzen Familie einmal auszuprobieren.
Die Landschaft ist sanft-hügelig und im Fahrradsattel nicht so fordernd wie die steileren Anstiege in den Alpen. Auch hat man Platz in der Weite der Taiga, viel Platz. Und die Chancen, grünlich leuchtende Nordlichter am Himmel zu sehen, stehen gut, gerade im Dezember und im Januar, weil es in diesen Monaten ziemlich lange dunkel ist.
Fatbiking wurde in den 1980er- und 1990er-Jahren in Alaska und anderen Gegenden der USA erstmals praktiziert; Bastler bauten sich ihre Mountainbikes um. Mit ultrabreiten Reifen wollten sie Rennen auch unter widrigen Winterbedingungen bestehen. Jetzt setzen auch immer mehr Wintersportorte in Europa auf den Trendsport, um den Gästen ein breiteres Spektrum zu bieten.
Theorie und Praxis nach heftigem Neuschnee
Fatbiken ist eine spannende Alternative zu Liften und Pisten, Ski und Snowboards, wenn Urlaubern der Sinn nach Mikroabenteuer steht. Das Motto: Jenseits des Trubels die Natur entdecken. Dafür benötigt man praktischerweise weder einen Langlaufkurs noch andere Wintersport-Kenntnisse. Man muss lediglich Rad fahren können, und das verlernt man bekanntlich nie.
So zumindest lautet die Theorie. Sie deckt sich mit dem Versprechen des Ski- und-Bike-Verleihs in Ruka: Fatbiking sei ein exotischer Winterspaß für die ganze Familie. In der Tat – Anfänger merken schon nach wenigen Metern, wie ungewöhnlich es ist, auf Schnee zu radeln. Obendrein ist es ein besonderes Gemeinschaftserlebnis, denn man verliert sich selten aus den Augen, was auf Skipisten häufig passiert.
Neuschnee ist für Fatbiker die größte Herausforderung. Das merken wir bei unseren ersten Versuchen in tief verschneiter Landschaft – über Nacht waren reichlich dicke Flocken gefallen. Der fluffige Untergrund verlangt von uns von Anfang an höchste Konzentration und Balance.
Obwohl die Fahrräder neben den Monster-Pneus auch einen helfenden E-Motor haben, gleicht die Neuschneetour einem Geschicklichkeitsparcours: Man muss Tempo aufnehmen, es halten und nur wenig lenken. Wenn das Vorderrad zu schlingern beginnt, hat man verloren – und bleibt stecken. Uns passiert das immer wieder.
Zum Glück haben wir an diesem Morgen nur Wetterpech. Denn wenn es nicht frisch und viel schneit, sind die Wege durch Schneeschuhwanderer bereits festgetreten, sodass das Biken leichter fällt. Doch auch wir ungeübten Anfänger bekommen nach ein, zwei Stunden im Neuschnee die Kurve – die unermüdlichen Gleichgewichtsübungen und das unverzagte Wieder-auf-den-Sattel-Steigen nach einem weichen Sturz zahlen sich aus.
Wir kommen allmählich ins Rollen. Der versprochene Spaßfaktor im Winterwald steigt, auch für die Eltern. Im Zickzack surren wir zwischen den Bäumen umher, und das viel leiser als mit einem Motorschlitten, zudem ohne Abgase. Und warm wird uns auch – trotz Elektromotor ist man körperlich aktiv.
Insgesamt 40 Kilometer an Trails sind im Winter für Fatbikes rund um den 493 Meter hohen Skiberg Rukatunturi ausgeschildert, der mit 41 Pisten eines der größten Skigebiete Finnlands beherbergt. Die Distanzen sind nicht lang, sodass sich hier auch Familien mit Kindern ins Vergnügen stürzen können, und die E-Bike-Akkus halten selbst bei klirrenden Minusgraden jede Halbtagestour durch. Das ist essenziell: Entlang der Trails gibt es nämlich keine Ladestationen.
„Fahrt erst in niedriger Stufe, um Energie zu sparen“, hatte der Mitarbeiter vom Verleih geraten, „sicher ist sicher“. Sein weiterer Tipp: „Just survive!“
Minus 21 Grad zeigt das Thermometer. Das Profil der Reifen knirscht im Schnee, als es bergauf geht Richtung „Rukanhuippu“ (übersetzt Ruka-Gipfel); so nennt sich eine Ferienvilla auf einem der höchsten Punkte des Fjells auf knapp 500 Metern. Die Aussicht auf diese hügelige Winterwelt ist zwar nicht alpin, aber ebenbürtig herrlich: Das Licht schimmert zwischen Hellblau und Rosa. Die kleinwüchsigen Kiefern tragen dicke weiße Kissen auf ihren Ästen. Sie wirken bewegungslos, so als ob Väterchen Frost sie vor Monaten hat erstarren lassen.
Väterchen Frost ist eine russische Märchenfigur, und der östliche Nachbar ist hier allgegenwärtig. Die im Kälteschlaf versunkene hügelige Seen- und Sumpflandschaft der finnischen Taiga geht nahtlos in die russische Taiga über. Die Grenze, seit April 2023 Nato-Ostgrenze und seit Ende 2023 geschlossen, ist von Ruka gerade mal 30 Kilometer entfernt. Seit zwei Jahren kommen keine Touristen aus dem Nachbarland mehr ins grenznahe finnische Skigebiet. An sie erinnern noch die russischsprachigen Schilder in Geschäften und Gaststätten.
Zur Mittagspause stellen wir die Bikes vor einer Hütte ab, wo schon eine Menge Ski stehen. Drinnen umzüngeln im Kamin lodernde Flammen ein paar Holzscheite. Mittag machen wir wie die meisten Finnen: Würstchen werden aus dem Rucksack geholt, über dem Rost gegrillt, dazu gibt es weiche Brötchen, Ketchup und Tee.
Dieser Selfservice ist deutlich günstiger als das Mittagessen in den Pistenrestaurants. Die sollte man aber auch mal besuchen, denn dort werden finnische Spezialitäten wie Elchbraten mit Preiselbeeren aufgetischt.
Populär sind auch die überall im Wintersportgebiet angelegten Aufwärmstationen: Hölzerne Verschläge, vor denen ein Feuer lodert. Wir ziehen die Bremshebel, gesellen uns zu Skitouristen, die mit klobigem Schuhwerk dicht an Glut und Flammen ihre roten Hände ausstrecken und tun es ihnen gleich.
Nach Essen und Aufwärmen trennen sich die Wege von Alpinsportlern und Winterradlern wieder. Die einen zieht es zurück an die Lifte, die anderen auf die sich in der Taiga verlierenden Wege, auf zugefrorene Seen wie den Talvijärvi bei Ruka, wo viele Langläufer dahingleiten.
Biken, wo geskatet wird
Bei Fatbikern sind Langlaufstrecken, die in Finnland immer für den klassischen Stil und den Skating-Stil präpariert sind, beliebt: Die Route ist einerseits geloipt und andererseits ist parallel zur Loipe auf gut drei Metern Breite der Schnee plattgewalzt für die ausladenden Abstoßbewegungen der skatenden Langläufer.
Diese gewalzten Strecken dürfen auch Fatbiker nutzen – so erweitert sich das Wegenetz um Hunderte Kilometer. Nur sollte man aufpassen, die Loipen mit den Reifen nicht zu kreuzen, denn die Spuren sind den Finnen heilig; Skilanglauf ist Nationalsport. Weil sich Fatbiken wachsender Beliebtheit erfreut, werden in und um Ruka aber auch eigens für die Winterradler neue Routen angelegt.
Als wir die Räder nach der Tour am Verleih zurückgeben und die Sonne am frühen Nachmittag schon wieder untergeht, sind die E-Bike-Akkus noch halb voll – dem Frost zum Trotz.
Anschließend geht es in die Rauchsauna am See, dem Pyhäjärvi. Das Schwitzritual darf auf keiner winterlichen Finnlandreise fehlen. Da ist es dann egal, ob man sich die Entspannung in der Kälte der Taiga auf Brettern verdient hat – oder auf Breitreifen.
Tipps und Informationen:
Wie kommt man hin? Es gibt im Winter Nonstop-Flüge nach Kuusamo mit Eurowings ab Düsseldorf sowie mit Lufthansa ab Frankfurt/Main. Finnair fliegt mit Zwischenstopp in Helsinki von mehreren deutschen Flughäfen nach Kuusamo. Von dort geht es mit dem Flughafen-Shuttle ins gut 25 Kilometer entfernte Ruka.
Wo wohnt man gut? Mit gut 12.000 Betten ist Ruka-Kuusamo eines der größten Tourismuszentren in Finnland. Die Möglichkeiten reichen vom Hotelzimmer, etwa im „Ski-Inn Hotel Ruka Village“ (Studio für zwei Erwachsene und zwei Kinder ab 278 Euro) über Ferienhäuser bis zu pistennahen Apartments mit Sauna wie dem „Ski-Inn Aurinkorinne“ (allesamt buchbar über ruka.fi) oder „Ruka Chalets Royal Apartments“ (booking.com). Die Apartment-Preise für vier Personen liegen bei 150 Euro pro Übernachtung.
E-Fatbiken: Rad- und Helmmiete kosten 75 Euro für Erwachsene pro Tag, 55 Euro für Kinder (hillskirent.fi/en/ruka/biking; rukalla.fi/pyoravuokraamo).
Weitere Infos: lappland.ruka.fi; ruka.fi; visitfinland.com
Fatbiken in den Alpen:
Italien: Im Skigebiet Livigno in der Lombardei gibt es mehrere präparierte Fatbike-Wege, Gesamtlänge gut 40 Kilometer (livigno.eu/de/fat-bike).
Österreich: Im Tiroler Paznauntal auf knapp 1400 Metern Höhe bietet Ischgl geführte Fatbike-Touren ab 48 Euro (ischgl.com).
Schweiz: Die Bike Academy Davos in Graubünden bietet geführte E-Fatbike-Touren für 38 Euro (davos.ch/erleben/events/e-fatbike-spass)
Die Teilnahme an der Reise wurde unterstützt von der Urlaubsregion Ruka-Kuusamo. Unsere Standards der Transparenz und journalistischen Unabhängigkeit finden Sie unter go2.as/unabhaengigkeit
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