Deutschlands ungewöhnlichste Stadtrundfahrt
Wie ein gigantischer Tausendfüßler schlängelt sie sich einmal quer durch die Stadt und über die Wupper. Ihr mächtiges grünes Gerüst prägt das Stadtbild: Gut 13 Kilometer lang ist die Trasse der Wuppertaler Schwebebahn. Die Schienen sind oben montiert, unten drunter hängen die mehr als 30 Schwebebahnzüge, die zum Teil im Drei-Minuten-Takt und mit bis zu 60 km/h durch das Tal der Wupper gleiten.
Für Wuppertaler ist dieses weltweit einmalige Verkehrsmittel längst kein Highlight mehr, denn sie fahren mit der Schwebebahn zur Arbeit oder zum Einkaufen, mit genau den Tickets, die auch für Busse oder S-Bahnen gelten. Die 20-Stationen-Strecke ist für sie Alltag.
Für Touristen ist die Schwebebahn dagegen ein einmaliges Erlebnis: Mit ihr kann man von Oberbarmen im Osten bis Vohwinkel im Westen die ungewöhnlichste Stadttour Deutschlands unternehmen. Man sollte sich Zeit nehmen und zwischendurch immer mal wieder aussteigen und zu Fuß auf Entdeckungsreise gehen, denn Wuppertal bietet neben der skurrilen Bahn eine ganze Reihe weiterer Attraktionen.
Der größere Teil der Bahnstrecke liegt direkt über der Wupper und folgt dem Flussbett. Nur der westlichste Abschnitt mit vier Haltestellen zweigt vom Fluss ab und zieht sich durch die Straßen des Stadtbezirks Vohwinkel.
Dem Fluss verdankt die Stadt ihren Namen: Auf 33,9 Kilometern schlängelt sich die Wupper durch Elberfeld, Barmen und weitere Quartiere, aus denen 1929 zunächst die Großstadt Barmen-Elberfeld geformt wurde, die 1930 in Wuppertal umgetauft wurde.
Älteste noch betriebene Hängebahn der Welt
Damit ist die Schwebebahn älter als die Stadt selbst, denn sie nahm bereits 1901 ihre Linienfahrten auf, nachdem jahrelang nach einem passenden Verkehrsmittel gesucht worden war. Im Gegensatz zum benachbarten Ruhrgebiet hatte die Industrialisierung im Tal der Wupper früher begonnen, die Textilindustrie boomte, immer mehr Menschen siedelten sich an.
Selbst für die Pferdestraßenbahn wurde es zu eng, der Bau einer U-Bahn war wegen des extrem harten Gesteins nicht machbar. Da lag die Idee einer Schwebebahn nahe, die der Kölner Ingenieur Eugen Langen konstruierte. Im März 1901 trat sie ihren Dienst an und ist heute die älteste noch betriebene Hängebahn der Welt.
Die Stadttour beginnt am besten in Oberbarmen. Vor dem Einsteigen in den Zug lohnt sich dort ein Besuch des Visiodroms: Es zeigt eindrücklich die Verbindung von Kultur und Industrie, die man auch später noch finden wird.
Das Visiodrom ist Museum, Baudenkmal, Show und Aussichtsplattform in einem. Untergebracht ist es in einem mehr als 66 Meter hohen ehemaligen Gaskessel. Wo einst Gas waberte, gibt es heute einen 47 Meter hohen Raum mit 6500 Quadratmetern Leinwand und 29 Hochleistungslaser-Projektoren zum Eintauchen in andere Welten, aktuell in die von Vincent van Gogh.
Nach Ausstellung und Show genießen viele Besucher den Skywalk auf dem Dach, mit Liegestühlen und Blick auf die knapp 360.000 Einwohner zählende Stadt im Bergischen Land.
Von hier oben zeigt sich besonders gut, wie sich die Stadtquartiere entlang der Wupper aneinanderreihen, umgeben von Bergen und grünen Höhen. Ein Mix aus Villengegenden und Industrie, aus Gründerzeit-Fassaden und Bausünden. Auch den Einstiegsbahnhof Oberbarmen sieht man von oben.
Das deutsche San Francisco
Also hinein in den „stahlharten Drachen“, wie die 1869 in Elberfeld geborene Dichterin Else Lasker-Schüler die Schwebebahn nannte. Unterwegs geht der Blick immer wieder auf steile Berge und in enge Straßenschluchten, weshalb der aus Wuppertal stammende Regisseur Tom Tykwer die Stadt einmal als das „deutsche San Francisco“ bezeichnete.
Nach zwei Stationen lohnt ein erster Zwischenstopp am Jugendstil-Bahnhof Werther Brücke, denn wenige Schritte von dort liegt das Schwebodrom, in dem man Hintergründe zur Schwebebahn erfährt. Das Museum ist in drei Abschnitte gegliedert. Zuerst die Projektionswelt des Lichtkünstlers Gregor Eisenmann, der mit Illuminationen den industriellen Wandel im 19. Jahrhundert spürbar macht.
Der zweite Teil, die eigentliche Ausstellung, erzählt die Geschichte der Schwebebahn, darunter auch die des Elefantenbabys Tuffi vom Zirkus Althoff, das im Juli 1950 während einer Werbefahrt eine Panikattacke bekam, unweit der Adlerbrücke aus der fahrenden Schwebebahn durch die Glastür sprang, in der Wupper landete und sich dabei nur eine Schramme am Po zuzog. Heute steht eine Elefanten-Betonskulptur mitten im Fluss an der Stelle, an der sich das Unglück ereignete.
Die Ausstellung behandelt auch den einzigen schweren Unfall vom April 1999, bei dem ein bei Reparaturarbeiten vergessenes Metallstück einen Zug in die Wupper stürzen ließ, fünf Fahrgäste starben, 47 wurden verletzt.
Abschnitt drei der Schwebodrom-Tour ist besonders eindringlich: eine Zeitreise mit einer Virtual-Reality-Brille durch das Tal der Wupper im Jahr 1928, im Originalwagen 11 – man schwebt vorbei an rauchenden Schloten, Gründerzeitbauten, trubeligen Märkten.
Westlich der Station Werther Brücke geht es durch das Herz des einstmals eigenständigen Barmen. Kurz vor der Station Adlerbrücke sieht man links das Opernhaus, Ort zahlreicher Stücke des Tanztheaters Wuppertal Pina Bausch, das die Tänzerin und Choreografin in den 1970er-Jahren gründete.
Einblicke in das Leben von Friedrich Engels
Wenige Schritte weiter erinnern ein Haus, Denkmäler und ein prachtvoller Garten an Friedrich Engels. Der kommunistische Revolutionär, der mit Karl Marx den Marxismus entwickelte, war Sohn eines Baumwollfabrikanten und selbst erfolgreicher Textilunternehmer.
Das Engels-Haus zeigt, wie opulent die Fabrikantenfamilie um 1830 lebte. Der Blick auf Engels’ Leben ist sachlich und erfreulich undogmatisch. Im Haus sieht man verhältnismäßig viele chinesische Touristen: Die pilgern auf Deutschland-Reise gern hierher, denn der Revolutionär wird im Reich der Mitte bis heute verehrt.
Auch die Fassade des Hauses ist interessant: Sie zeigt den „Bergischen Dreiklang“ – die für die Region typische Farbkombination aus grauschwarzer Schieferfassade, weißen Fenster- und Türrahmen sowie Türen und Fensterläden in leuchtendem „Bergischen Grün“.
Der Engels-Garten gegenüber wird von zwei mächtigen Skulpturen dominiert: Zum einen „Die starke Linke“ des österreichischen Bildhauers Alfred Hrdlicka, die ineinander verkettete Figuren aus Carrara-Marmor zeigt, aus der ein linker Arm ragt, der die Ketten zu sprengen versucht. Zum anderen eine überlebensgroße Bronzestatue von Friedrich Engels – ein Geschenk der Volksrepublik China, gefertigt vom chinesischen Künstler Zeng Chenggang.
Zurück in der Schwebebahn, die jeden Tag von bis zu 80.000 Menschen genutzt wird, steht an der Station Landgericht ein Kraftakt bevor: der Aufstieg zum Skulpturenpark Waldfrieden, der sich gut einen Kilometer den Hang hinaufschlängelt. Die Mühe lohnt sich.
Der in Wuppertal lebende britische Bildhauer Tony Cragg hat den Park auf dem Gelände rund um eine alte Industriellenvilla errichtet und betreibt ihn seit 2000 als Museum. Dort finden sich nicht nur viele seiner eigenen Skulpturen, sondern auch Werke anderer Bildhauer, darunter die des Belgiers Peter Buggenhout, des Spaniers Jaume Plensa, der Schwedin Eva Hild oder des Deutschen Wilhelm Mundt. Die Villa gehörte dem Lackfabrikanten Kurt Herberts, der von Ende der 1940er-Jahre bis zu seinem Tod 1989 darin wohnte.
Wo das Aspirin seinen Anfang nahm
Weiter schweben bis zum Hauptbahnhof. Es lohnt sich, von hier zur nächsten Station Ohligsmühle zu Fuß zu gehen, um in die Stadt einzutauchen. Nirgends lassen sich Wuppertals Gegensätze und Widersprüche besser bestaunen: hier türkische Streetfood-Läden, Ein-Euro-Shops, Nagelstudios und Fachläden für islamische Kleidung, dort das Von-der-Heydt-Museum mit Gemälden von Claude Monet, Franz Marc, Ernst Ludwig Kirchner und Pablo Picasso.
Spannend ist auch das Luisenviertel rund um die Basilika St. Laurentius. Eine Mischung aus Künstlerquartier und kleiner Altstadt mit Kneipen, Kunsthandwerksläden, Häusern mit typisch bergischen Fassaden. In Lokalen wie „Café du Congo“ oder „Katzengold“ kann man den entspannten Mix aus Kulinarik und Kneipenfeeling wunderbar genießen.
Hoch über dem Luisenviertel thront auf der gegenüberliegenden Seite die Historische Stadthalle am Johannisberg, ein prachtvoller Bau aus dem 19. Jahrhundert, der im Zweiten Weltkrieg weitgehend unzerstört blieb und heute wegen seiner guten Akustik weltbekannt ist.
Steigt man an der Haltestelle Ohligsmühle wieder in die Schwebebahn, windet die sich entlang der Wupper zwischen alten Industriegebäuden vor der Varresbecker Straße einem gigantischen Chemiewerk entgegen, durch das sie geradezu hindurchfährt: die Bayer-Werke, 1863 im damaligen Barmen vom Kaufmann Friedrich Bayer und dem Chemiker Johann Friedrich Weskott gegründet. 1878 wurde der Hauptsitz auf das heutige Areal in Elberfeld verlegt, wo ein modernes Labor entstand, in dem auch das Aspirin seinen Anfang nahm.
An der Station Zoo/Stadion lohnt sich ein weiterer Zwischenstopp. Zunächst wegen des seit 1983 unter Denkmalschutz stehenden Stadions, das 1924 eröffnet wurde. Wegen seiner damals zwischen Aschebahn und Zuschauerrängen liegenden Radrennbahn war es bis in die 1950er-Jahre hinein für seine spektakulären Radrennen bekannt; die Betonpiste galt als eine der schnellsten Europas. Seit den 1950er-Jahren ist es das Heimstadion des Wuppertaler SV.
Nicht weit entfernt liegt der Wuppertaler Zoo, eine hügelige 24-Hektar-Anlage mit Affen, Bären, Elefanten, Großkatzen. Der Zoo, 1881 gegründet, ist einer der ältesten Deutschlands; mit seinen gut 3500 Tieren ist er absolut sehenswert.
Hinter dem Zoo verlässt die Schwebebahn vor der Haltestelle Sonnborner Straße das vertraute Bett der Wupper, kreuzt die Autobahn A46 und schwebt weiter über die nach ihrem Erbauer benannte Eugen-Langen-Straße, die hinter der Station Hammerstein zur Kaiserstraße wird. Hier geht es verdammt nah an Hauswänden vorbei, auf den Endpunkt Vohwinkel zu.
Wegen ebendieser Nähe wird dieser Abschnitt vom Volksmund „Gardinenstangenstrecke“ genannt, denn die Anwohner hatten einst von der Betreibergesellschaft Geld für Gardinen erhalten, damit die Damen in den Wohnungen von den Passagieren in der Schwebebahn nicht bei der Abendtoilette beobachtet werden konnten.
Und heute? Gibt es nur noch hin und wieder Gardinen, und die heutigen Schwebebahnwagen sausen fast dreimal so schnell wie in ihren Anfängen an den Häusern vorbei – da bleibt nicht mehr viel Zeit zum Schauen.
Tipps und Informationen:
Wie kommt man hin? Wuppertal ist gut per ICE erreichbar, die Schwebebahn hält direkt am Hauptbahnhof.
Fahren mit der Schwebebahn: Tickets gibt es an allen Haltestellen am Automaten – eine einfache Fahrt kostet je nach Strecke ab 1,60 Euro, ein 24-Stunden-Ticket 8,80 Euro; für die Fahrt mit der Schwebebahn gilt das Deutschlandticket (wsw-online.de/mobilitaet/schwebebahn; schwebebahn.de). Der opulente Kaiserwagen von 1900 – mit ihm war schon Wilhelm II. unterwegs – wird derzeit rundum erneuert, er absolvierte im September erste Probefahrten. Wenn alles gut geht, soll das historische Gefährt 2026, im 125. Jubiläumsjahr, wieder für reguläre Sonderfahrten eingesetzt werden.
Wo wohnt man gut? Ein modernes Hotel in Wuppertal-Elberfeld, zentral neben der Stadthalle und gegenüber des Luisenviertels gelegen, ist das „Vienna House Easy Wuppertal“, Doppelzimmer ab 118 Euro (wyndhamhotels.com/de-de/vienna-house). Im Stadtteil Barmen liegt das „Fachwerk Hotel Wuppertal“ – ein kleines, feines, teilweise verschiefertes Fachwerkhaus aus dem 18. Jahrhundert, von der Haltestelle Werther Brücke aus gut erreichbar, Doppelzimmer ab 103 Euro (fachwerk-hotel-wuppertal.de).
Aktivitäten: Visiodrom im Gaskessel, visiodrom.de, der-gaskessel.de; Tanztheater Pina Bausch (pina-bausch.de); Engels-Haus (mi-wuppertal.de/museum/engelshaus); Industriekultur trifft Skulpturen (skulpturenpark-waldfrieden.de); Wuppertals Museums-Klassiker (von-der-heydt-museum.de); Baukunst trifft Akustik (stadthalle.de); Der Grüne Zoo Wuppertal (wuppertal.de/microsite/zoo)
Weitere Infos: wuppertal.de/tourismus-freizeit
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