Auf Deck sechs der „Hamburg“ wirken die sandgestrahlten Fassaden von Bordeaux zum Greifen nah. Fast meint man, die Eisengeländer der Balkone berühren zu können. Seit gestern Abend liegt die „Hamburg“ am Quai Louis XVIII, direkt im Stadtzentrum. Gegen Mittag geht es weiter entlang der Biskaya-Küste Richtung Nordspanien und Portugal.

Mit 144 Meter Länge und sechs Passagierdecks ist die „Hamburg“ deutlich kleiner als die meisten Kreuzfahrtschiffe. Maximal 400 Gäste finden Platz an Bord, die „Hamburg“ ist das einzige Hochseeschiff von Plantours Kreuzfahrten. Was zeichnet eine Tour auf einem kleinen Schiff aus? Was sind die Vor- und Nachteile? Für wen ist diese Reiseform geeignet? Zehn Beobachtungen von unterwegs.

1. Schnell auf einen Kaffee oder Wein an Land

Bordeaux liegt nicht an der Küste, sondern 90 Kilometer landeinwärts am Fluss Garonne. Große Kreuzfahrtschiffe kommen hier nicht rein, die „Hamburg“ schon. Mitten rein sogar. Wer das Schiff verlässt, ist innerhalb weniger Minuten in der Straße mit den eingangs erwähnten sandgestrahlten Fassaden und kann dort in einer der Bars ein Glas Wein mit Blick auf die „Hamburg“ trinken.

Für Passagierin Constanze Rauert ist das der größte Vorteil dieser Reise: „Meine Frau ist nicht gut zu Fuß. Aber wenn das Schiff so zentral liegt wie hier, kann ich mit ihr auch mal nur auf einen Kaffee an Land gehen.“ Sie begrüßt es, nicht an Ausflügen teilnehmen zu müssen, sondern unkompliziert auf eigene Faust losziehen zu können.

2. Kreuzfahrtschiff mit Expeditionscharakter

Pünktlich um 13 Uhr legt die „Hamburg“ mit drei lauten Huptönen in Bordeaux ab. Gemächlich zieht das Schiff an der Flusspromenade voller Restaurants vorbei, am Weinmuseum Cité du Vin, am Stadtteil Bacalan. Nach einer Stunde ist zu beiden Seiten noch Land in Sicht.

Die „Hamburg“ wurde 1996 gebaut, um Orte zu erreichen, die größeren Kreuzfahrtschiffen verschlossen bleiben – etwa der kanadische St.-Lorenz-Strom und die Großen Seen in Nordamerika. Damit sie durch enge Schleusen und Wasserwege passt, sind die Tender- und Rettungsboote in den Rumpf integriert, die Brückenbalkons sind ein- und ausschwenkbar, und bis auf zwei Suiten gibt es keine Kabinen mit Balkon.

So verbindet das Schiff Hochsee- und Flusskreuzfahrt, fährt auf der Themse bis zur Tower Bridge in London oder über den Guadalquivir nach Sevilla. Auch Reisen mit Expeditionscharakter gehören zum Programm, etwa in die Antarktis oder nach Grönland.

3. Kleines Schiff, großes Geschaukel

Vier Stunden nach dem Auslaufen aus Bordeaux erreicht das Schiff den Atlantik. Die Stimme von Kreuzfahrtdirektorin Olga Bozhko klingt aus den Lautsprechern: „Gleich sind wir auf dem offenen Meer, da kann es unruhig werden. Eine Hand gehört dem Schiff.“ Es schaukelt tatsächlich immer stärker. Das Wasser im Pool auf dem Sonnendeck schwappt bedrohlich auf und ab, an den Treppen werden Spucktüten aufgehängt.

Sonja an der Rezeption sagt: „Im Golf von Biskaya muss man damit rechnen.“ Sie empfiehlt, sich mittig und möglichst weit unten im Schiff aufzuhalten, „dort schaukelt es weniger stark“. Einige Kollegen würden das Unwohlsein mit Cola bekämpfen, andere mit Brot oder salzigem Gebäck. Für alle Fälle gibt es homöopathische Tabletten. Wer wirklich seekrank ist, kann sich vom Schiffsarzt Spritzen geben lassen.

Ein größeres Kreuzfahrtschiff würde weniger stark schaukeln, allein schon wegen seiner Masse, die es stabiler im Wasser liegen lässt. Kleine Schiffe wie die „Hamburg“ sind kompakt gebaut, um auch in engen Gewässern fahren zu können. So heben und senken sie sich aber auch eher mit den Wellen als längere Schiffe, die sich über mehrere Wellenberge und -täler erstrecken.

4. Unkompliziert Kontakte knüpfen

Nach einer unruhigen Nacht erreicht das Schiff Santander. Beim Frühstück begrüßt ein Kellner eine Spanierin in ihrer Sprache: „Hola, que tal?“ Die Señora lacht erfreut und plaudert eine Weile mit ihm. Es ist leicht, auf der „Hamburg“ Leute kennenzulernen, Mitreisende ebenso wie die Besatzung. Nach ein paar Tagen kennt gefühlt jeder jeden an Bord – anders als auf großen Pötten, wo es unter Tausenden Passagieren anonymer und weniger persönlich zugeht.

„Wir sind eben ein kleines Schiff“, sagt die Kreuzfahrtdirektorin. „Wir haben keine 100 Restaurants, keine Kletterwand. Aber wir haben eine familiäre Atmosphäre – und jeder aus der Besatzung trägt dazu bei.“ Das gilt besonders für die Crew-Show am Abend: Kellner Tri, der eben noch gute Laune im Restaurant verbreitet hat, singt indonesische Lieder, Küchenchef Andika hat die Kochmütze gegen eine E-Gitarre getauscht und spielt „Smoke on the Water“.

Krönender Abschluss ist der balinesische Kecak-Tanz. 60 der 155 Crew-Mitglieder stammen aus Indonesien. Die Freude und der Stolz, den Gästen verborgene Talente und ihre persönliche Seite zu zeigen, sind spürbar. Solche Crew-Shows gibt es allerdings auch – mit wesentlich mehr Publikum – auf größeren Schiffen, etwa bei Aida oder TUI Cruises.

5. Bordunterhaltung ohne Spektakel

Die Crew-Show ist nicht das einzige Unterhaltungsangebot. Tagsüber stehen Yoga oder leichtes Lauftraining auf dem Programm, abends gibt es mal einen „Magic Night Club“, mal Wodka-Bingo.

Die am besten besuchte Veranstaltung ist allerdings der tägliche Lektoren-Vortrag zum nächsten Zielhafen. Schon 20 Minuten vor Beginn pilgern die Passagiere in die Lounge, um sich gute Plätze zu sichern. „Man muss ja wissen, was man am nächsten Tag sieht“, sagt eine Frau. Heute erzählt Lektor Ludger Feldmann, wie Galicien entstand, zeigt Bilder von der regionaltypischen Architektur in Ferrol, dem nächsten Halt auf der Reise.

Solche Spezialistenvorträge werden zwar auch auf großen Kreuzfahrtschiffen angeboten, dort steht aber für viele Gäste das Bord-Entertainment im Vordergrund. Freizeitspektakel wie Surf-Simulator, Achterbahn oder Go-Kart-Rennen findet man auf kleinen Schiffen schon aus Platzgründen nicht.

6. Landgang ohne Gedränge? Mal so, mal so

Als das Schiff in Ferrol anlegt, gehen die Teilnehmer des ersten Ausflugs zügig von Bord, die des zweiten folgen wenig später. Für diejenigen, die die Stadt allein erkunden wollen, fährt alle 30 Minuten ein Shuttlebus. Die eineinhalb Kilometer kann man aber auch gut laufen.

An Land zerstreuen sich die Passagiere schnell. Es ist Sonntag, in der Innenstadt von Ferrol ist wenig los. Ab und zu entdeckt man ein bekanntes Gesicht. Je weiter man sich vom Stadtzentrum entfernt, desto leerer werden die Straßen.

Den Berg hinauf geht es ins Viertel Canido. Ludger Feldmann hat gestern von den „Meninas de Canido“ erzählt, einem Street-Art-Projekt, mit dessen Hilfe Künstler Eduardo Hermida das vernachlässigte Viertel aufgewertet hat. Über 450 Interpretationen des berühmten Gemäldes „Las Meninas“ zieren dort inzwischen die Fassaden. Beim Fotografieren eines dieser Wandbilder nähert sich ein älterer Mann und stellt sich als Vater des Künstlers vor. Jaime Hermida gibt spontan eine Führung, zeigt die allerersten „Meninas“ und die neuesten, zeigt das Haus seines Sohnes.

Ein ganz anderes Erlebnis als am nächsten Tag in Porto, wo die „Hamburg“, wie alle Kreuzfahrtschiffe, im Hafen von Leixões anlegen muss. Porto ist rund zwölf Kilometer entfernt, also nicht zu Fuß zu erreichen. Wer die Altstadt erkunden will, muss sich die Tour selbst organisieren oder an einem organisierten Ausflug teilnehmen. Dann schiebt man sich allerdings in einer größeren Gruppe durch die Straßen, so wie man es von Ozeanriesen kennt.

7. Kurze Wege für Passagiere und Besatzung

Zurück an Bord lässt sich die Klimaanlage in der Kabine nicht mehr regulieren. Nach einem Anruf an der Rezeption klopft es schon wenige Minuten später an der Tür. Techniker Oleg schraubt an der Lüftung. Nach kurzer Zeit sagt er „it’s okay“, die Anlage funktioniert wieder.

Die Wege auf der „Hamburg“ sind angenehm kurz. Alle sechs Decks sind bequem über die Treppe zu erreichen. So lernt man das Schiff schnell kennen – und die Aufzüge bleiben denjenigen vorbehalten, die nicht gut laufen können.

8. Die Kompaktheit hat auch ihre Kehrseite

Im Umkehrschluss bedeutet das jedoch: Die Flächen sind begrenzt. Bei gutem Wetter sind Tische und Liegen auf dem Sonnendeck schnell belegt. Im Pool können nur zwei Personen gleichzeitig schwimmen. Wenn die Außenbereiche wegfallen, bleiben nur das Café im Palmgarten, die Weinstube mit kleiner Bibliothek und die Lounge. Die Sauna auf Deck eins ist kaum erwähnenswert.

Auch die Restaurantauswahl ist überschaubar: Neben dem „The Grill“-Buffet im Palmgarten bietet das „Alsterblick“ À-la-Carte-Menüs. Am vorletzten Tag sagt Passagierin Marianne Titiz: „Länger möchte ich nicht bleiben. Man hockt schon eng aufeinander.“

9. Die Preisfrage – klein heißt automatisch nicht billig

Ob sie noch einmal mit der „Hamburg“ fahren würde? Marianne Titiz ist sich nicht sicher: „Die Reise ist schon deutlich teurer als auf einem großen Schiff.“ Das stimmt: Große Kreuzfahrtschiffe können niedrigere Preise anbieten.

Eine elftägige Westeuropa-Reise mit der „Aida Luna“ (2050 Passagiere) von Kiel nach Mallorca kostet beispielsweise pro Person ab 1199 Euro in der Innen- und ab 1749 Euro in der Außenkabine (ohne An- und Abreise). Für die zwölftägige Westeuropa-Tour auf der „Hamburg“ von Hamburg nach Teneriffa zahlt eine Person in der Zwei-Bett-Innenkabine dagegen 2499 Euro und in der Außenkabine 2999 Euro (inklusive Rückflug).

Andere Passagiere vergleichen die Preise lieber mit Expeditionsschiffen, die in der Regel weit mehr kosten. Auch das ist richtig: Im Vergleich zu anderen Schiffen dieser Größenordnung – nicht nur Expeditionsschiffen – ist die „Hamburg“ günstig, aber dafür weniger luxuriös.

Die „Le Lapérouse“ der Reederei Ponant (bis 184 Gäste) etwa bietet ausschließlich Kabinen und Suiten mit Meerblick und Balkon sowie hochwertige Ausstattung. Eine neuntägige Tour entlang Westeuropas Küsten von London nach Lissabon kostet hier ab 6050 Euro pro Person (ohne Flüge).

Noch deutlicher wird es, wenn man die Preise der „Hamburg“ auf Routen vergleicht, die Expeditions- und klassische Kreuzfahrt kombinieren. Für eine 31-tägige Antarktis-Tour von Ushuaia (Argentinien) nach Neuseeland zahlt man auf der „Hanseatic Spirit“ von Hapag-Lloyd Cruises ab 28.690 Euro (ohne Flüge), das Expeditionsschiff bietet ausschließlich geräumige Außenkabinen.

Auf der „Hamburg“ kosten 33 Tage von Buenos Aires über die Antarktis bis nach Kapstadt ab 7299 Euro in der Innen- oder ab 11.899 Euro in der Außenkabine (mit Flügen ab/bis Deutschland).

10. Wer auf einem kleinen Schiff glücklich wird

Ein kleines Kreuzfahrtschiff wie die „Hamburg“ ist das Richtige für Menschen, die die Welt entdecken und ihr Wissen erweitern wollen, für Menschen, die gern Kontakt zu Mitreisenden haben und kurze Wege schätzen.

Menschen, die nicht gut zu Fuß sind, kommen hier besser zurecht als auf einem großen Schiff – sowohl an Bord als auch bei den Landgängen, denn der Weg in die Stadt ist meist kurz. Auf der „Hamburg“ ist die Bordsprache Deutsch, was besonders für Ältere hilfreich ist, die vielleicht nicht so gut Englisch sprechen.

Lust auf kleine Schiffe? Ein Überblick

Viele kleinere Kreuzfahrtschiffe sind im Luxussegment angesiedelt. Eine große Auswahl bietet zum Beispiel die Reederei Silversea mit der „Silver Shadow“, der „Silver Whisper“ (jeweils bis zu 392 Gäste) und vier kleineren Expeditionsschiffen. Ende September führt eine neuntägige Reise mit der „Silver Whisper“ von Nizza nach Valetta (Malta), ab 10.000 Euro pro Person; alle Kabinen sind Außensuiten mit Veranda oder Balkon (silversea.com).

Hapag-Lloyd Cruises ist mit der „Europa“ (400 Gäste) und der „Europa 2“ (500 Passagiere) sowie mit drei kleineren Expeditionsschiffen auf den Weltmeeren unterwegs. Preisbeispiel für die „Europa“: Die 16-Tage-Tour von Hamburg entlang der europäischen Westküste bis Teneriffa kostet ab 20.090 Euro pro Person. Hier sind ebenfalls alle Kabinen Außensuiten, die meisten mit Veranda (hl-kreuzfahrten.de).

Auch Segelschiffe bieten Kreuzfahrten mit wenigen Passagieren an: Die „Sea Cloud Spirit“ (136 Passagiere) schippert beispielsweise im Oktober in acht Tagen von Nizza nach Mallorca, ab 4525 Euro pro Person in der Außenkabine (seacloud.com). Der Fünfmaster „Royal Clipper“ (227 Gäste) segelt ab Ende November auf siebentägigen Touren durch die Karibik, ab 2625 Euro pro Person in der Innenkabine, Außenkabinen ab 2740 Euro (starclippers.com).

Plantours-Kreuzfahrten schickt die „Hamburg“ um die halbe Welt – das Schiff ist vor Grönland und Island unterwegs, rund um die Britischen Inseln, in der Ostsee und im Südatlantik. Wer länger Zeit hat, kann zum Beispiel eine 36-Tage-Reise im November und Dezember von Hamburg zu den Kanaren und Kapverden und zurück buchen, ab 3799 Euro pro Person in der Innenkabine, in der Außenkabine ab 6999 Euro (plantours-kreuzfahrten.de).

Die Teilnahme an der Reise wurde unterstützt von Plantours. Unsere Standards der Transparenz und journalistischen Unabhängigkeit finden Sie unter go2.as/unabhaengigkeit

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