Auf dieser Autobahn kommt alle 3,75 Kilometer ein Schild
Die Sache mit den TUT’s war ja mal eine gute Idee, doch sie ist längst aus dem Ruder gelaufen. TUT, das ist die Abkürzung für „touristische Unterrichtungstafel“ aus den 1980er-Jahren. Typisch Amtsdeutsch.
Gemeint sind damit Abertausende bieder-braune Schilder mit weißen Piktogrammen an den Autobahnen, die auf mehr oder weniger Sehenswertes in der Umgebung hinweisen und Reisende ermuntern sollen, schnurstracks dort hinzufahren.
Vor 42 Jahren waren sie eine fortschrittliche Idee, von den Schwaben initiiert. Das Stuttgarter Regierungspräsidium ließ 1983 das erste Schild an der A8 aufstellen. Es zeigte in Sichtweite die Burg Teck auf der Schwäbischen Alb.
Wegweisend, aber nicht mehr zeitgemäß
Das war damals für Reisende durchaus sinnvoll: Man sah ein altes Gemäuer im Vorüberfahren, fragte sich, was das für eine Burg wohl sei und bekam die Lösung auf dem Schild geliefert. Automobile Heimatkunde, bevor es Navis, Mobilfunk, Google und KI gab.
Doch kaum war die erste Tafel montiert, begann der Schilderwald in Deutschland zu wuchern. Wildwuchs an den Randstreifen. Wenn eine Gemeinde ein Schild aufstellte, um Touristen anzulocken, dann wollte die Nachbargemeinde auch eines.
Die Auflagen der Verkehrsbehörden wurden peu à peu gelockert: Alles Sehenswerte, was ungefähr zehn Kilometer Luftlinie entfernt ist, durfte beworben werden. Zugleich schrumpfte der Mindestabstand zwischen den Schildern: Erst nur alle 20 Kilometer, dann alle zehn Kilometer. Inzwischen muss nur noch ein Mindestabstand von 1000 Metern eingehalten werden (und maximal zwei Schilder pro Autobahnabschnitt).
Wer heute auf den Autobahnen unterwegs ist, kann ihnen also nicht entkommen. Gezählt hat sie bundesweit bisher noch niemand, der ADAC schätzt die Zahl auf 3400 Schilder, das Schilderwerk Beutha, das die meisten Exemplare baut, spricht von 3600 Stück.
Spitzenreiter-Autobahn: Alle 3,75 Kilometer ein Schild
Die Reiseplattform Holiday-Check hat jetzt eine Autobahn-Hitliste erstellt: Die höchste Dichte bietet die A4. Auf der Strecke von Aachen bis Görlitz findet sich im Schnitt alle 3,97 Kilometer ein braunes Hinweisschild – der Spitzenwert.
Auf den Plätzen zwei und drei folgen die A9 zwischen Berlin und München (alle 4,17 Kilometer) und die bayerische A93 (alle 4,62 Kilometer). Da kann man schon davon sprechen, dass das Ganze im Laufe der Jahrzehnte völlig außer Kontrolle geraten ist.
Bis zu 80.000 Euro Kosten
Masse statt Klasse. Nun aber könnte sich der altmodische Schilderwald lichten. Denn der zuständige Staatsbetrieb, die Autobahn GmbH, hat die Preise für Montage, Fundament und Wartung drastisch erhöht – und gleich mal eine Null dran gehängt. Statt durchschnittlich 8000 Euro kostet ein Schild an der Autobahn inzwischen ein Vielfaches.
Da fragt man sich schon, ob die Kosten-Nutzen-Rechnung noch stimmt. Denn die einzige existierende Studie zur Wirksamkeit, durchgeführt von der Hochschule für angewandte Wissenschaften in Wernigerode im Jahr 2019, liefert ein eher bescheidenes Ergebnis.
Zwar werden die Schilder wahrgenommen, aber nur gerade mal 17 Prozent der Befragten sind ihretwegen schon einmal abgefahren, um den auf dem Schild beworbenen Ort zu besuchen. Manchmal ist weniger mehr.
Haftungsausschluss: Das Urheberrecht dieses Artikels liegt bei seinem ursprünglichen Autor. Der Zweck dieses Artikels besteht in der erneuten Veröffentlichung zu ausschließlich Informationszwecken und stellt keine Anlageberatung dar. Sollten dennoch Verstöße vorliegen, nehmen Sie bitte umgehend Kontakt mit uns auf. Korrektur Oder wir werden Maßnahmen zur Löschung ergreifen. Danke