Sparpreise, Sehnsucht, Schulpflicht – ein modernes Eltern-Dilemma
Wer schulpflichtige Kinder hat, kennt das: Pünktlich zu Ferienbeginn dehnen sich die Staus auf den Autobahnen, und die Preise für Flugtickets ziehen heftig an. Könnte man doch nur ein paar Tage früher losreisen!
Da ist die Versuchung groß, das Kind einfach an den letzten Schultagen krankzumelden – viel findet da ohnehin nicht mehr statt. Ähnlich zu Beginn des Schuljahres: Da ließen sich die günstigeren Nachsaisonpreise mitnehmen und man könnte stressfrei auf leeren Autobahnen heimfahren. Doch erlaubt ist beides nicht.
Lehrer wissen: „Schummelfrei“ ist – besonders seit Corona und dem damit verbundenen Online-Unterricht – ein Volkssport. Der Philologenverband moniert seit Jahren, dass Eltern ihre Kinder immer öfter krankmelden, um an günstigere Urlaubstarife zu kommen. Mancherorts seien die Klassen in der letzten Schulwoche halb leer.
Derweil erklärt nicht nur Baden-Württembergs Kultusministerium, dass Schüler während des Unterrichts nicht verreisen dürften. Das bayerische Kultusministerium bringt es – erneut – auf den Punkt: „Die Erziehungsberechtigten müssen dafür sorgen, dass die schulpflichtigen Kinder und Jugendlichen die Schule besuchen. Dies gilt auch für die letzten Tage vor den Ferien.“
Flunkerurlaub kein Kavaliersdelikt
Bei vielen Eltern gilt Flunkerurlaub als Kavaliersdelikt. Doch er kann richtig teuer werden. Denn wenn sich die Erziehungsberechtigten über die Schulpflicht hinwegsetzen, dann versteht der Staat keinen Spaß.
Extra Schulschwänzer-Kontrollen gibt es vor allem in Bayern. Dort gab es in den vergangenen Jahren vor und nach den Schulferien immer wieder regelrechte Razzien. Kann die Familie dann keine Befreiung von der Schule vorlegen, darf sie zwar ins Flugzeug steigen, bekommt aber nach den Ferien einen Bußgeldbescheid.
Aber bei der Passkontrolle am Flughafen können die Beamten auch in anderen Bundesländern feststellen, ob da Schulkinder ausreisen, die eigentlich noch Unterricht haben. Zuletzt ist die Zahl der verhängten Bußgeldverfahren in einigen Bundesländern jedenfalls deutlich gestiegen.
In Nordrhein-Westfalen wurden 2024 über 8000 Bußgeldverfahren wegen Schulpflichtverletzungen eingeleitet – ein Anstieg um 45 Prozent in fünf Jahren. Auch in Sachsen-Anhalt (+31 Prozent seit 2018/19) und Thüringen (+57 Prozent in Erfurt 2024) stiegen die Zahlen.
Auch die aufgerufenen Bußgelder sind stark gestiegen, weiß Tobias Klingelhöfer. Der Anwalt der Arag-Versicherung sammelt seit Jahren solche Bußgeldbescheide und ermittelte dabei ein deutschlandweites Preisgefälle.
In Berlin, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern kostet so ein Verstoß bis zu 2500 Euro, in Thüringen zahlen uneinsichtige Eltern bis zu 1500 Euro, in Sachsen 1250 Euro und in Bayern, Niedersachsen und Sachsen-Anhalt bis 1000 Euro. Hamburg berechnet 150 Euro pro Fehltag, im Wiederholungsfall 200 Euro. In NRW sind 80 bis 150 Euro pro Fehltag fällig, in Bremen 35 bis 250 Euro und obendrein eine Verwaltungsgebühr.
Doppeltes Bußgeld
In Bayern hängt die Strafe bisweilen davon ab, wie hoch der wirtschaftliche Vorteil durch das Schuleschwänzen war: Wer also 1000 Euro an der Urlaubsreise gespart hat, der muss die Ersparnis gleich wieder herausrücken und darüber hinaus auch noch ein Bußgeld zahlen. Dabei werden beide Elternteile mittlerweile separat mit Bußgeldern belegt, die Familie muss so doppelt zahlen.
Doch nicht nur die Bundespolizei, sondern auch viele Lehrer schauen inzwischen genauer hin und ziehen bei allzu offensichtlichen Urlaubsverlängerungen die Reißleine. Zudem werden Verfahren konsequenter verfolgt: Schulen melden Fehlzeiten systematisch, die Kommunen oder Bezirksregierungen leiten Bußgeldverfahren ein. Bei wiederholten Verstößen drohen sogar strafrechtliche Konsequenzen, wie in Hamburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern und dem Saarland bereits geschehen.
Denn die Schulgesetze sprechen eine klare Sprache: „Eine Beurlaubung zur Verlängerung der Ferien ist grundsätzlich nicht möglich“, heißt es etwa in Niedersachsen, „über Ausnahmen in dringenden Notfällen entscheidet der Schulleiter“.
Als begründete Ausnahme gelten in der Regel runde Geburtstage von Großeltern oder die Hochzeit einer Tante. Das Wahrnehmen günstiger Urlaubsangebote oder das Vermeiden eines Verkehrsstaus sind dagegen keine hinreichenden Gründe: „Grundsätzlich müssen Ferienreisen innerhalb der Ferien durchgeführt werden. Vorher gebuchte Flüge sind keine Begründung für einen Antrag auf Beurlaubung“, so formuliert es das Kultusministerium in Hannover.
Husten, Schnupfen oder Bauchschmerzen taugen, solange sie nur von den Eltern bescheinigt werden, ebenfalls nicht als Entschuldigung. „Wenn Eltern ihre Kinder drei Tage vor beziehungsweise nach den Ferien krankmelden, liegt der Verdacht nahe, dass eine Verlängerung der Ferien der eigentliche Grund ist“, erklärt das nordrhein-westfälische Schulministerium. Die Schule kann dann ein ärztliches Attest verlangen.
Attest fehlt? Ordnungsamt!
Lässt sich das nicht beibringen, kann die Schule das Ordnungsamt einschalten. Und das wiederum kann die oben genannten Bußgeldbescheide ausstellen. Die Schule hat darüber hinaus auch selbst Möglichkeiten, sich zu wehren: Auf der Liste der Sanktionsmöglichkeiten steht als Erstes eine Verwarnung durch die Schulleitung. Im Wiederholungsfall kann die Schule das unentschuldigte Fehlen im Zeugnis eintragen.
Doch egal, wie die Sanktion aussieht: Ein gutes Vorbild für ihre Kinder sind schummelnde Eltern definitiv nicht. Besser haben es Erziehungsberechtigte in der Schweiz: Dort gibt es zwei sogenannte „Jokertage“ pro Schuljahr. Zwei Tage im Jahr können die Eltern also selbst ihrem Kind freigeben. Und schon gibt es kaum mehr einen Anlass für Schummeleien.
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