Eine Minute schneller fliegen als ein Adler
Es gibt dieses Video eines Seeadlers, der mit Minikamera auf dem Rücken vom Burj Khalifa in Dubai, dem höchsten Gebäude der Welt, startet und zielgenau auf dem linken Arm seines Falkners landet. Die Bilder zeigen die Skyline und die Küste des Wüstenstaats. Und sie zeigen den Kopf des Adlers, wie er sich hin und her bewegt während des kurzen Flugs.
Gleich werde ich der Seeadler sein – und mit Minikamera auf dem Helm an einer sogenannten Zipline über eine walisische Schiefermine fliegen. Tief unter mir funkelt metallisch blau ein See. 1555 Meter liegen vor mir, weniger als eine Minute soll der Flug dauern.
Bis zu 160 Kilometer pro Stunde
Wenn stimmt, was Zip World in digitalen Prospekten verkündet, werde ich gleich am Seil in der weltweit unerreichten Geschwindigkeit von 160 km/h unterwegs sein – das sind 40 km/h schneller als Seeadler in freier Wildbahn.
Und auch deutlich schneller als die derzeit rasanteste deutsche Zipline „Alpspitzkick“ im Allgäuer Nesselwang: Hier ist man mit Tempo 120 unterwegs, sagt der Betreiber.
100-Euro-Abenteuer
Im Norden von Wales sind die wenigen Sekunden, die nun vor mir liegen, der Höhepunkt eines 100-Euro-Abenteuers, das in Warteschlangen, auf Waagen und mit dem Anlegen der Schutzkleidung begann.
Auf dieser Zipline kommt es auf Details an: Größer als 1,20 Meter und leichter als 130 Kilogramm müssen die Hobbyadler sein. Nach der Vermessung der Körper spazieren die Adrenalinsüchtigen zu einer flacheren Übungs-Zipline, um erstmals über den See zu jagen.
Keine halbe Minute dauert die Bewährungsprobe, ehe jene, die sie bestehen, in rote Lkw verladen werden. In ruckelnder Fahrt geht es hinauf zum wahren Startpunkt, auf historischem Schotter. Um 1890 war der Steinbruch von Penrhyn der größte rund um den Globus.
Dem Abgrund nah
Noch immer wird in der Gegend Schiefer gewonnen, doch auf der Ladefläche des Lkw sehe ich nichts als besorgte Gesichter einiger Teilnehmer und das Abenteuerland der Zip World: auf der Piste nebenan jagen Quarry Karts den Berg hinunter. Endlich enden die Serpentinen, 500 Meter über dem See steht eine Art Bergstation. Nur dass hier keine Gondeln zu Tal jagen, sondern Menschen. In Viererreihen schreiten wir dem Abgrund entgegen.
Noch wenige Sekunden. Ich liege bäuchlings auf einer roten Matte, muss die Hände seitlich in tiefe Taschen schieben und die Füße gegen eine Stange am unteren Ende des Schutzanzugs drücken. Über mir befestigt jemand Extra-Gewicht in Form von Sandbeuteln.
Dann sinkt die Matte plötzlich ab, ich baumle, wir baumeln, den Kopf nach vorn gestreckt, in der Luft. Die Waliser machen sich einen Spaß daraus, das Ganze dramatisch zu gestalten: „Tri, dau, un“, zählen sie in der Landessprache, wobei „dau“ so ähnlich klingt wie das englische „die“ – sterben. Natürlich weisen sie eigens darauf hin, damit die Pointe ja nicht ihre Wirkung verfehlt. Dann macht es „Klick“.
Klick! Ich fliege!
Es zischt um die Ohren. Der Flugwind drückt die Nasenflügel zusammen, Atmen geht nur noch durch den Mund. Ich fliege! Erst sehe ich nur Schiefer, dann den See. Gefühlt dauert es Minuten, ihn zu überqueren. Wunderbare, schwerelose Adlerminuten.
Bis es wieder „Klick“ macht. Die Bremsvorrichtung und ein Mitarbeiter der Zip World holen mich zurück auf den Boden der Tatsachen.
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