Im Land der aktiven Vulkane – Kyushu ist Japans spannender Süden
Die Region Kyushu
Der unbekannte Süden – ist das klassische Schlagwort, wenn Veranstalter Kyushu als Reiseziel empfehlen, die südlichste der vier japanischen Hauptinseln. Zum Wandern, zum Schnorcheln, zum Thermalbaden – und zum Eintauchen in die japanische Kultur und Geschichte.
Denn nach der japanischen Mythologie stammen die Ahnen des Tenno, des Kaisers von Japan, aus Kyushu. Ein geheimnisvolles, von 27 aktiven Vulkanen überzogenes, gebirgiges Eiland mit Abertausenden heißen Quellen, die oft für Vulkan-Wellness genutzt werden.
Einer der bekanntesten Vulkane ist der Mount Aso im Osten der Präfektur Kumamoto. Er hat eine eingebrochene Caldera mit einem Durchmesser von gut 20 Kilometern und ist der aktivste Vulkan Japans. Es werden Touren bis zum Krater angeboten. Kyushu ist aufgrund seiner Lage (die Insel teilt sich denselben Breitengrad mit Nordafrika) und wegen der langen Küstenlinie ein Badeziel par excellence.
Die Insel gilt auch als Bindeglied zwischen Japan und dem ostasiatischen Festland. Von Fukuoka, der größten Stadt Kyushus aus, liegt das chinesische Shanghai mit knapp 900 Kilometern ungefähr so weit entfernt wie Tokio. Und bis zur Hafenstadt Busan in Südkorea sind es nur gut 200 Kilometer, die man bequem mit einer Fähre zurücklegen kann.
Es heißt in Japan, man brauche mehrere Jahre, um ganz Kyushu zu erkunden. Nicht etwa, weil die Insel so riesig wäre (tatsächlich ist sie ungefähr so groß wie Baden-Württemberg mit fast ebenso vielen Einwohnern, gut zwölf Millionen), sondern wegen ihrer Vielfalt und wegen der vielen vorgelagerten Inseln, die zu entdecken sich lohnt.
Unbedingt einen Abstecher wert ist auch Nagasaki – aufgrund ihrer tragischen Geschichte Kyushus bekannteste Stadt. Durch den Abwurf der Atombombe „Fat Man“ am 9. August 1945 wurden große Teile der Stadt pulverisiert, mehr als 74.000 Menschen starben unmittelbar, Zehntausende später an den Folgen der Strahlung.
Heute ist die Hafenstadt Nagasaki modern und komplett wieder aufgebaut. Nicht verpassen: den Peace Park, in Gedenken an den Atombombenabwurf angelegt, und das Atomic Bomb Museum mit seiner gut gemachten Friedensausstellung.
Schrei-Wettbewerb in Yufuin
Gourmets mögen den Geschmack des japanischen Kobe-Beefs preisen, doch das Rindfleisch aus Yufuin, einer Kleinstadt im Zentrum von Kyushu, ist durchaus ebenbürtig. Es ist nicht nur zart und schmackhaft, es weckt auch Emotionen, wie die Teilnehmer des „Eat Meat and Scream“-Wettbewerbs jeden Oktober unter Beweis stellen.
Die Regeln sind einfach: Erst werden Unmengen gegrilltes Rindfleisch verzehrt, danach dürfen 100 per Losverfahren ausgesuchte Festivalbesucher auf eine Bühne steigen und rufen, was sie wollen. Neben der Lautstärke fließt die Relevanz der Worte in die Wertung ein.
„Ich werde dieses Jahr 50. Ich bin schon seit fünf Jahren 50? Ich möchte, dass die Leute mir sagen, dass ich immer noch süß bin!“ Damit brachte es eine Frau im vergangenen Jahr auf das Siegertreppchen. Das kuriose Schrei-Fest findet seit bald 50 Jahren statt, ein Klassiker ist der Ruf eines Kindes: „Ich werde fleißig lernen!“
Die Idee entstand 1976. Damals hatten Viehzüchter mit einem Grillfest auf wirtschaftliche Probleme aufmerksam machen wollen und ihren Unmut lauthals kundgetan.
Streetfood vom Feinsten
Fremde, die gemeinsam abends auf Hockern an einem Straßenimbiss sitzen: Diese Szenerie ist selbst in Japan so selten geworden ist, dass Fukuoka im Norden von Kyushu allein wegen dieser sogenannten Yatai-Stände viele Besucher anzieht. Yatai sind Imbisswagen auf Rädern, gefüllt mit Schubladen voller Nudeln, Schweinefleischscheiben und Beilagen. Sie sind Überbleibsel aus der Nachkriegszeit, als die Japaner notgedrungen Nudeln statt Reis aßen.
Während die mobilen Stände später anderswo aus Japans Innenstädten wieder verschwanden, entwickelten sie sich in Fukuoka zu festen Adressen für Gourmets. Die Erfolgsgeschichte ist eng verbunden mit Hakata-Ramen, einer sämigen Nudelsuppe mit Knochenmark, die ein Koch in Fukuoka erfand. Gab es vor zehn Jahren nur in den Vierteln Tenjin und Nakasu Yatais, dürfen sie inzwischen in der ganzen Stadt betrieben werden.
35 Tage im Monat regnet es auf Yakoshima
So formulierte es scherzend die japanische Schriftstellerin Fumiko Hayashi in ihrem Roman „Ukigumo“. Denn gefühlt regnet es dort ständig: kurz, aber kräftig. Die Autorin prägte damit ein in Japan bekanntes Bonmot über die der Kyushu vorgelagerten Insel, die trotz des Regens eine Reise wert sind.
Denn das von tropischen Regengüssen gesegnete Yakushima weist dank seines Klimas eine so hohe Artenvielfalt auf, dass es bereits 1993 von der Unesco zum Weltnaturerbe erklärt wurde. Yakushima wird auch die Regeninsel genannt. Entlang der Küste fallen rund 4000 Millimeter und im Bergland bis zu 10.000 Millimeter (sprich: zehn Meter!) Regen pro Jahr.
Ein Fünftel des gut 500 Quadratkilometer großen Eilandes steht unter Naturschutz und verzaubert die jährlich mehr als 300.000 Besucher mit mehr als 40 Gipfeln über 1000 Meter, Wäldern, Wasserfällen, Thermalquellen, Korallenriffen und Sandstränden.
Das weithin unberührte Landesinnere, insbesondere der verwunschene, moosbewachsene Mononoke Forest mit außerordentlich vielen Yaku-Makaken und Yaku-Hirschen, diente als Inspiration für den gleichnamigen, preisgekrönten Animationsfilm „Prinzessin Mononoke“ von 1997. Regenschirm nicht vergessen!
Wasser der Götter
Japan wäre nicht Japan, würde man heißes Thermalwasser einfach heißes Thermalwasser nennen. Es muss schon „Wasser der Götter“ sein, damit es einem japanischen Onsen angemessen ist. Also einem Holzhaus mit Bambuswänden, Reismatten und minimalistischem Interieur. Nur dafür gebaut, damit die Gäste einer stundenlangen Teezeremonie beiwohnen können oder einem abendfüllenden Kaiseki Ryori (mehrgängige Gelage mit so dünnwandigem Porzellan, dass Touristen besser die Lippen schürzen, um nichts abzubeißen) – und davor, dazwischen und danach für eine gute Viertelstunde im Onsen-Becken zu entspannen.
Nackt, nach Geschlechtern getrennt, und im Idealfall mit Sicht auf eine unverbaute, in Nebelschwaden gehüllte Landschaft in den Umrissen einer Tuschezeichnung. In Japan gibt es mehr als 20.000 geothermisch beheizte Quellen, Tausende von Onsens – aber nur noch wenige Hundert Badelandschaften, die diesem höchsten Ideal japanischer Badekultur entsprechen.
Dass es mit Kurokawa auf Kyushu einen Ort gibt, der ausschließlich aus bis zu 300 Jahre alten Onsen besteht (insgesamt 28 an der Zahl), ist selbst in Japan einmalig. Kurokawa ist gewissermaßen das Rothenburg ob der Tauber Japans – und genauso überlaufen. Besser, man reist im Winter dorthin. Der gilt auf Kyushu als Nebensaison – Kurokawa zeigt sich dann von seiner romantischen Seite. Denn über dem Fluss und in den Straßen tauchen handgemachte Bambuslaternen alles in ein sanft goldenes Licht. Mehr Japan geht nicht.
Das Zitat
„Leben als Frau in Kyushu“
Dieser Hashtag – auf Japanisch heißt er „Kyushu de Josei-toshite Ikirukoto“ – sorgt seit 2016 in Japan für Schlagzeilen, mit dem in Kyushu lebende Frauen begannen, in den sozialen Netzwerken über das Phänomen der sogenannten Kyushu-Männer zu diskutieren.
Sie sind dafür bekannt, weder bei der Hausarbeit noch bei der Kinderbetreuung zu helfen und äußern sich generell negativ über arbeitende Frauen. In einem landesweiten Ranking schnitt Kyushu als eine der sexistischsten Regionen ab. Die männerdominierte Gesellschaft und die Ungleichbehandlung führen inzwischen zu einer Abwanderung talentierter, gut ausgebildeter Frauen aus Kyushu in größere Städte wie Tokio oder Kyoto, wo sie besser Karriere machen können. Urlauber bekommen aufgrund der Sprachbarriere von dieser Problematik allerdings meist nichts mit.
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