Sagt ein Siebtklässler zum anderen: „Wow, so möchte ich auch einmal begraben werden!“ Antwortet der andere: „Ja, so ein Grab wäre schon cool!“ Was klingt, wie ein Dialog aus einem schlechten Kinderroman, ist an diesem Freitagmorgen das normalste Gespräch der Welt: Seit knapp einer Woche sind Caspar und Moritz, beide 13, zusammen mit neun weiteren Kindern zwischen sechs und 14 Jahren nun schon auf Studienreise in Ägypten unterwegs.

Sie haben die Pyramiden und den Sphinx von Giseh bestaunt, sie haben die Tempelanlagen von Philae, Edfu und Luxor besucht, doch jetzt steht der absolute Höhepunkt der Reise auf dem Programm: das Tal der Könige! Der Ort, an dem der zwölfjährige Wasserträger Hussein 1922 die erste Treppenstufe zum unversehrten Grab von Pharao Tutanchamun entdeckte.

Die Reise ist ungewöhnlich – eben weil es eine Studienreise ist, und zwar eine mit Kindern, in den Schulferien. Doch was auf den ersten Blick abschreckend klingen mag, nach Besserwissern, pensionierten Professoren und Strebern, entpuppt sich als Erfolgsrezept.

Denn die Reise wurde vom Veranstalter Studiosus speziell für Familien konzipiert, also so, dass nicht nur Erwachsene auf ihre Kosten kommen, sondern auch der Nachwuchs. Begleitet wird die Gruppe von einem Reiseleiter, der weiß, wie man ein jüngeres Publikum begeistert.

Und so sind hier lauter gut gelaunte Mädchen und Jungen mit ihren Eltern oder Großeltern unterwegs: Elena, Johannes, Victoria, Sebastian, Ida, Leopold, Augustin, Paula, Johann, Moritz und Caspar. Ganz normale Schüler, die alle ein wenig vernarrt sind in Ägyptologie.

Ida etwa schätzt Pharaonin Hatschepsut, „weil sie beim Volk so beliebt war und keine Kriege begann“. Sebastian bewundert Ramses II., „weil er so unglaublich lang regiert hat“. Bei den Göttern hält es Paula mit Isis, „weil sie für die Liebe zuständig war“, während Johann, der die ganze Zeit ein Notizbuch dabeihat, Thot bevorzugt, „weil er der Gott des Schreibens und des Wissens ist“. War irgendwie klar.

Ein Foto des Wasserträgers Hussein, aufgenommen vom Team des Archäologen Howard Carter, hatte Reiseleiter Adel Yassin den elf Kindern und ihren 14 Vätern, Müttern, Omas und Opas bereits im Alten Ägyptischen Museum von Kairo gezeigt. Für den Schnappschuss hatte man Hussein eine Halskette aus dem Grab über sein weißes Gewand gehängt.

Kein Stolz liegt im Blick des Jungen, eher Gleichgültigkeit und Trauer. Die Kinder hatten das sogleich bemerkt – und Adel Yassin lieferte die Erklärung: Hussein Abd El-Rassoul habe erst als alter Mann ein wenig Anerkennung für seinen Beitrag zu einem der wichtigsten Funde der Archäologiegeschichte bekommen. Und nie eine Belohnung erhalten.

Nun stehen die Kinder selbst im Tal der Könige, nur wenige Meter vom berühmtesten aller Gräber entfernt. Hier irgendwo muss das Foto von Hussein vor gut hundert Jahren entstanden sein. Die Temperaturen klettern Richtung 40 Grad – ein Glück, dass die meist von Räubern freigelegten Tunnel und Schächte kühler sind.

Im lang gestreckten Zugang zum 3100 Jahre alten Grab Ramses IX. glänzt es unfassbar golden von Wänden und Decken. Auch das kraftvolle Rot der Dekoration und selbst die Blautöne sind noch original erhalten.

Zeitreise ins alte Ägypten

Der neunjährige Johann hält inne und fertigt Zeichnungen in seinem Notizbuch. Die größeren Kinder scannen die Darstellungen der Reise des Pharaos ins Jenseits mit ihren Handys. Ja, die Vorstellung, an so einem Ort begraben zu sein, hat etwas Faszinierendes. Zumal in Ägyptens Nekropolen der gesamte Fantasieschatz von Kindern zum Leben erwacht:

Das Schürfen der Archäologen gleicht der Schatzsuche aus Piratenbüchern. Die Dimensionen der Pyramiden, Säulen und Skulpturen ähneln denen von Riesen und Dinosauriern. Und die Wandreliefs mit ihren Hieroglyphen und Darstellungen von Göttern, Pharaonen, Priestern, Soldaten, Handwerkern und Tieren haben etwas von Wimmelbildern.

In Grab KV 62 liegt Tutanchamun

Guide Adel Yassin war früher Deutschlehrer und leitet sechs Studienreisen pro Jahr. Er weiß, wie man die Herzen und Köpfe der jungen Gäste erobert. Bei den morgendlichen Fahrten zu den Sehenswürdigkeiten jagt er noch Zahlen und Fakten zu Geografie, Landeskunde, Wirtschaft und Botanik durchs Busmikrofon.

Aber sobald sie draußen stehen, fasziniert er die Kinder mit Geschichten über das „Wie“: Wie genau konnten die Ägypter die Pyramiden bauen? Wie mumifizierten sie selbst kleinste Käfer? Wie stellten sie Papyrus her? Wie marschierten die Priester in den Tempel von Luxor ein? Im Rucksack hat er einen Ordner mit Illustrationen. Sobald er etwas fragt, rauschen Kinderarme in die Höhe.

Im Tal der Könige geht es nach dem Halt bei Ramses IX. endlich zu Grab KV 62. Studienreisenden muss niemand sagen, wofür dieses Kürzel steht: Es ist das Grab des Superstars unter den Pharaonen, Tutanchamun. Ausgerechnet KV 62 ist nicht im Pauschalpreis inbegriffen. Adel Yassin weist darauf hin, dass es dort eng sei und außer der Mumie wenig zu sehen gebe.

Egal – es ist unmöglich, so weit zu reisen, und KV 62 nicht zu betreten! Und so stehen Papas und Omas an der Kasse und bezahlen üppige zwölf Euro Extraeintritt pro Person. Gegen ein Schmiergeld bietet der Wärter im Inneren sogar an, die Mumie mit Taschenlampe zu beleuchten – für das ganz besondere Selfie. Diesen Frevel lehnen die Kinder ab. Zwei Stunden später, Hatschepsuts Tempel lag noch auf dem Weg, planschen alle im Hotelpool direkt am Nil und genießen das, was im Reisekatalog als „Freizeit“ ausgeschrieben steht.

Am Tag vor dem Rückflug geht es noch einmal früh aus den Betten, 6.30 Uhr hatte Adel Yassin ohne Widerrede befohlen. Der Tempel von Karnak ist der größte Ägyptens, es soll wieder heiß werden, ab 10 Uhr drängeln sich die Busse vor dem Eingang.

Karnak: 130 gewaltige Säulen. James-Bond-Säulen! Tod-auf-dem-Nil-Säulen! Adel Yassin lässt die Kinder mit ausgestreckten Armen einen Ring um eine Säule bilden, es braucht zusätzlich einen Erwachsenen, ihn zu schließen. Er erzählt von hundert Jahren Arbeit an einer einzigen Säule. Er zeigt Stellen, an die das Hochwasser des damals ungebändigten Nils reichte. Er zeigt hinter die Kulissen, wo echte Archäologen Sand und Tonscherben in Schubkarren abtransportieren.

45 Missionen haben den letzten Winter über im Raum Luxor gegraben, Chinesen, Franzosen, Amerikaner und vor allem: Ägypter. Vor wenigen Wochen haben sie in einer Handwerkersiedlung am Rande des Tempels ein kostbares Amulett gefunden.

Der Chef der Stätten, Abdelghafar Wagdy, ist stolz darauf, dass derlei Funde inzwischen mit ägyptischer Zustimmung in wichtigen Museen landeten. Es sei noch nicht lange her, da hätten sich Archäologen aus aller Welt schamlos an Ägyptens Kostbarkeiten bedient.

Auch Adel Yassin erzählt von solchen „Entführungen“, während er seine Reisegruppe zum Heiligen See führt, in dem die Priester vor religiösen Zeremonien gebadet hatten.

Bei einer Pause im Café kündigt er für den Abend ein Quiz an. Eine der 14 Fragen wird lauten: „Wer hat als Erster die Hieroglyphen entziffert?“ Bei dieser Frage wird nicht nur der neunjährige Johann mild lächelnd eine Augenbraue heben, bevor er den korrekten Namen murmelt: „Jean François Champollion“.

Infos zu Studienreisen für Familien nach Ägypten:

Bei Studiosus kostet die neuntägige Familienstudienreise „Land der Pharaonen“ nach Kairo, Assuan und Luxor ab 2930 Euro pro Erwachsenem und ab 2048 Euro pro Kind (bis elf Jahre) inklusive Halbpension in Vier-Sterne-Hotels, Visum, Flügen, Guide und Reiseliteratur, die Tour wird auch 2026 angeboten (studiosus.com).

Veranstalter Djoser hat eine neuntägige „Familienreise Ägypten“ nach Kairo, Luxor und Hurghada ab 1895 Euro pro Teilnehmer im Angebot, inkl. Ü/F in Mittelklassehotels, Flügen, Bahnfahrt Kairo–Luxor, Reisebegleitung (djoser.de).

Die Teilnahme an der Reise wurde unterstützt von Studiosus. Unsere Standards der Transparenz und journalistischen Unabhängigkeit finden Sie unter go2.as/unabhaengigkeit

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