Appenzell, das facettenreiche Juwel der Ostschweiz
Abbatis cella, auf Deutsch: Appenzell, bedeutet so viel wie „Zelle des Abtes“ und bezieht sich auf den Gutsbesitz der Fürstabtei St. Gallen im Nordosten der deutschsprachigen Schweiz zwischen Bodensee und dem Gipfel des Säntis.
Jene Zelle, die vom Kanton St. Gallen komplett umschlossen ist, hat sich in den Jahren 1403 und 1405 erfolgreich gegen die Herrschaft des Klosters zur Wehr gesetzt und wurde zum Vollmitglied der Eidgenossenschaft. Knapp 200 Jahre später erfolgte die konfessionell bedingte Teilung in zwei Halbkantone: Seit 1597 gibt es das katholische Appenzell Innerrhoden und das protestantisch-reformierte Appenzell Ausserrhoden.
Besonders in Appenzell Innerrhoden wird Handwerk und Brauchtum gepflegt. Sehenswert ist etwa das Zunfthaus im 6000-Einwohner-Dorf Appenzell, wo sich ein gutes Dutzend Kunsthandwerker, vom Geigenbauer bis zur Zinngießerin, bei ihrer Arbeit über die Schulter schauen lassen. Entlang der Hauptgasse reihen sich bunt verzierte Bauernhäuser, auch die Pfarrkirche ist mit Ornamenten bemalt.
Es lohnt auch eine Fahrt mit der Appenzellerbahn, die 2025 ihr 150-jähriges Bestehen mit Nostalgietouren feiert, etwa mit dem historischen Schnellzug „Ebenalp-Pfeil“ von Gossau über Wasserauen bis Herisau. Das Dörfchen Wasserauen empfiehlt sich als Ausgangspunkt für Wanderungen, etwa zum Seealpsee oder zum Alpstein.
Sechs Länder
Der Blick vom Säntis ist international, er reicht über die Schweiz hinaus bis nach Deutschland, Österreich, Liechtenstein, Italien und Frankreich. Mit 2502 Metern ist er der höchste Berg im Alpstein und Wahrzeichen der Region. Seit 1935 fährt eine Schwebebahn von der Schwägalp hinauf zum Gipfel. 1968 erneuert, wird sie samt Pfeiler bald wieder saniert.
Ab Mai 2026 geht es dann für sechs Monate nur noch zu Fuß hinauf, auch das Bergrestaurant bleibt geschlossen. Die dreieinhalbstündige Wanderung ist jedoch nichts für Anfänger, sie gilt als anspruchsvoll. Wer also die Panoramafahrt mit der Seilbahn genießen will, sollte noch 2025 anreisen.
Würzige Spezialität
Appenzeller Käse kennt alle Welt, aber haben Sie schon mal von Appenzeller Biber gehört, auch bekannt als Biberli? Dabei handelt es sich um eine Lebkuchenspezialität mit Honig, Mandeln, Nüssen, Zimt, Nelken, Anis und Ingwer.
Der Begriff könnte vom lateinischen „piper“ stammen, was so viel wie Pfeffer bedeutet – ähnlich also wie bei den deutschen Pfefferkuchen. In der „Bärli-Biber-Welt“ in Appenzell können Besucher die Spezialität rund ums Jahr kaufen – und sogar selbst backen.
Beste Aussichten
Wie ein Vogelnest klebt das Berggasthaus „Aescher-Wildkirchli“ auf einer Höhe von 1454 Metern am Felsen des Alpsteins (Foto oben). Das in eine Höhle hinein gebaute Chalet besteht seit 1860 und gehört zu den ältesten Berggasthäusern der Schweiz. Eine Zeichnung des Gasthauses ziert schon seit 1960 das Etikett des Appenzeller Alpenbitters.
Internationale Berühmtheit erlangte das Felsen-Chalet, nachdem es das Cover des „National Geographic“-Reisebandes „Destinations of a Lifetime“ im Jahr 2015 zierte. Das damalige Pächterpaar kapitulierte vor dem daraufhin einsetzenden Besucheransturm; das Foto avancierte zum Symbolbild für Overtourism in der Schweiz. Die neuen Pächter haben das Problem zum Glück entschärft – nun gibt es mehr Platz zum Übernachten in der benachbarten Zweisiedelhütte, einen Spaziergang vom Chalet entfernt.
Kuhriose Tradition
Kolumba heißt die amtierende Miss Oberegg, die schönste und leistungsfähigste Kuh der Rasse Braunvieh im Appenzellerland. Bei der Viehschau, die jedes Jahr am letzten September-Samstag im Dorf Oberegg stattfindet, ziehen gut 450 Milchkühe, gewaschen, gestriegelt und geschmückt mit großen Schellen und Blumengebinde am Haupt, mit ihren Sennern durchs Dorf, nachdem sie den Sommer oben auf den Almen im Alpstein verbracht hatten.
Die Schickste wird als Miss Oberegg prämiert, es gibt auch einen Preis fürs schönste Euter. Mit Jodelgesängen, Alphornklängen, einem Markt mit Spezialitäten und einem Schauabend wird der Almabzug von 9 Uhr früh bis Mitternacht gefeiert.
So formulierte Ephraim Kishon (1924–2005) seine Liebe zum Zweitwohnsitz im Appenzellerland. Hatte er sich in „Kishons beste Reisegeschichten“ noch über die „übernatürliche Schweizer Sauberkeit“ mokiert, kaufte der israelische Schriftsteller 1981 ein Haus im Ort Meistersrüte nahe Appenzell.
Hier konnte er, der als erfolgreichster Satiriker seiner Zeit galt, in der Abgeschiedenheit der Bergwelt ausspannen und in Ruhe arbeiten; im Alter von 80 Jahren erlag er hier einem Herzinfarkt. Beigesetzt ist er in Tel Aviv.
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