Nach dem Regen – im supertrockenen Namibia bietet sich aktuell ein rares Naturspektakel
Hellrosa, zartviolett und strahlend weiß: Auf einer Lehmpfanne, groß wie tausend Fußballfelder, schaukeln überall Blüten im Wind. Noch vor ein paar Tagen war hier alles braun, kahl und staubtrocken. Was muss passieren, damit solch ein Wunder geschieht? „Na, etwa 35 Millimeter Regen“, sagt Oliver Morgan aus dem Wüstenkaff Maltahöhe. Morgan ist einer jener geradlinigen Farmer, von denen es in Namibia viele gibt. Er hat einen Händedruck, der einem fast die Knochen bricht. Dann ergänzt er lächelnd: „Einen Funken Magie braucht es auch. Sonst wird das nix.“
35 Millimeter Niederschlag pro Quadratmeter, die auf einen Schlag niedergehen müssen, weder zu früh in der Regensaison noch zu spät: Das braucht es, damit hier Millionen Blüten sprießen. Auf einen solchen Segen mussten sie auf der Sandhof-Farm, dem Zuhause von Oliver Morgan, allerdings lange warten. Namibia hat einige Jahre mit verheerender Dürre hinter sich. 2025 aber ist anders: Seit Januar hat es immer wieder aufs Neue geregnet. Deswegen sind nun die Tore der Farm aufgesperrt, aus dem ganzen Land reisen Naturliebhaber an. Es ist ein flüchtiges Erlebnis: Die zarten Blüten verwelken schnell. Doch anderswo hält der Zauber, den der Regen mit sich gebracht hat, noch Monate an.
Eigentlich ist Namibia das trockenste Land im Süden Afrikas: Am Atlantik ist das Meer zu kalt und das Hinterland zu heiß, weswegen sich entlang der Küste keine Regenwolken bilden. Etwa einmal pro Jahrzehnt aber stellt das Benguela-Niño-Phänomen alles auf den Kopf. Dann gelangt im Südsommer viel Feuchtigkeit vom Indischen Ozean bis in den Südwesten des Kontinents. Schon 2011 war in Namibia die Rede von einem Jahrhundertregen, doch damals bekamen manche Regionen trotzdem nur ein paar Tropfen ab. Derzeit aber ist das ganze Land so grün wie seit Ewigkeiten nicht – von der Namibwüste ganz im Süden bis in den hohen Norden an der Grenze zu Angola.
Nun steht in Namibia zwar der Winter vor der Tür, doch die Auswirkungen des vielen Regens werden noch das ganze Jahr über zu bestaunen sein. Im Trockenfluss Tsauchab erinnern weiterhin Pools mit Wasser daran, dass er jüngst „abgegangen“ ist, wie die Deutschstämmigen in Namibia in ihrem Südwesterdeutsch sagen. Der Strom hat auch Sossusvlei erreicht, eine mit Kameldornbäumen gesäumte Lehmpfanne. Hier endet der Tsauchab im roten Sandmeer, weil die Dünen der Namib träge sind und auch dann nicht wegwandern, wenn es ein Fluss plötzlich einmal eilig hat. Wer auf den „Big Daddy“ hinaufsteigt, die höchste aller Dünen, erspäht die ansonsten vor Touristenaugen verborgene Cessna Pan. Sie hat sich in einen See verwandelt, wo Libellen summen und Frösche quaken.
Bei einer Wanderung auf dem Tok Tokkie Trail durch das Namib Rand Nature Reserve wogen in den Dünentälern die Halme, als seien es die Wellen eines endlosen Ozeans und die schimmernden Spitzen des Buschmanngrases deren weiße Gischt. Zwar werden sich die Gräser im kalten Winter verfärben. Doch Oryxantilopen und Springböcke haben über die ganze Trockenzeit hinweg so viel Futter, dass sie ihren Nachwuchs problemlos durchbringen können. Bald werden also wieder große Herden zu sehen sein.
Im Norden, wo in der Regel mehr Regen fällt als im Süden, steht das Gras sogar meterhoch. Viele private Naturschutzgebiete mussten in den letzten Jahren Futter zukaufen, um das Überleben der gefährdeten Breitmaulnashörner zu sichern. Nun dürften sich die Grasfresser wie im Schlaraffenland fühlen. Die Wüstenelefanten haben ihre Ernährung sogar umgestellt: Sie lassen die Früchte der Anabäume als eiserne Reserve nun links liegen und ziehen von den Tälern der Trockenflüsse in die Ebenen, weil der Tisch dort reich gedeckt ist. Und im Etosha-Park, wo stehendes Wasser Flamingos und Pelikane anlockt, knabbern Gnus und Zebras an gelben Blütenteppichen.
Auch an den Epupa-Fällen, wo der mächtige Kunene-Fluss zwischen Baobabbäumen 40 Meter abfällt, zeigt sich die Natur in ungewohnter Intensität. Im Galeriewald aus wilden Feigen und Makalanipalmen turteln Rosenpapageien, deren Krächzen derzeit übertönt wird vom pausenlosen Wasserdonnern. Der flussaufwärts gelegene Ruacana-Staudamm ist derart gefüllt, dass die Schleusentore geöffnet wurden. So erstrecken sich die Fälle nun über eine Breite von gut 500 Metern: In der Spitze rauschen hier fast zwei Millionen Liter Wasser pro Sekunde in die Tiefe, rund 15-mal so viel wie in trockenen Jahren. Das Wüstenland Namibia hält momentan viele feuchte Überraschungen bereit.
■ Die Teilnahme an der Reise wurde unterstützt vom Namibia Tourism Board. Unsere Standards der Transparenz und journalistischen Unabhängigkeit finden Sie unter go2.as/unabhaengigkeit
Tipps und Informationen:
Anreise: Zum Beispiel mit der Lufthansa-Tochter Discover Airlines nonstop von Frankfurt oder München nach Windhuk, oder mit Ethiopian via Addis Abeba. Es empfiehlt sich, vor Reisebeginn ein „Visa on Arrival“ als E-Visum zu beantragen (https://eservices.mhaiss.gov.na/visaonarrival).
Roadtrip durchs Land: Schotterpisten statt Teerstraßen: Für Selbstfahrertouren braucht es einen SUV oder Geländewagen. Neben internationalen Mietwagenfirmen gibt es in Windhuk auch lokale Vermieter wie ascocarhire.com oder namibiacarrental.net. Ein Toyota Hilux kostet ab etwa 100 Euro am Tag.
Tipps und Unterkünfte: Näher dran geht nicht: Mit dem Rauschen des Kunene-Flusses im Ohr schläft man direkt am Wasserfall in der „Epupa Falls Lodge“ (epupafallslodge.com). Elephant Human Relations Aid bietet Pirschfahrten zu Wüstenelefanten im Damaraland (ehranamibia.org). In privaten Wildreservaten wie Otjiwa (otjiwa.com.na) und Mount Etjo (mount-etjo.com) kann man Nashorn-Trekking buchen. Am Etosha-Nationalpark bietet das Onguma Game Reserve Versteckmöglichkeiten für Fotografen sowie mehrtägige Fuß-Safaris (onguma.com). Am Rand der Namib-Wüste steigen die Ballons von Namib Sky auf (balloon-safaris.com). Durch grünes Gras und rote Dünen führt der Tok Tokkie Trail (toktokkietrails.com).
Mögliche Veranstalter: Abendsonne Afrika bietet individuelle Selbstfahrerreisen, etwa die 13-tägige Tour „Zauberhaftes Namibia“ durch Kalahari, Damaraland und Etosha-Park ab 2298 Euro pro Person, ohne Flüge und Mietwagen, abendsonneafrika.de. Geoplan Reisen organisiert eine privat geführte 14-tägige Rundreise über Land („Höhepunkte Namibias“ ab 6320 Euro) und eine zwölftägige Flugsafari (ab 15.980 Euro), jeweils inkl. internationalen Flügen, geoplan-reisen.de.
Weiter Infos unter: visitnamibia.com.na
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