Wie der deutsche Botschafter in Uganda ins Visier der Armee geriet
Muhoozi Kainerugaba ist ohne Frage eine der kontroversesten Figuren auf dem afrikanischen Kontinent: Armeechef in Uganda, Sohn des Langzeit-Präsidenten Yoweri Museveni (80), ein Kandidat für dessen Nachfolge – und Social-Media-Rambo mit Vorliebe für Gewaltfantasien. Er droht, prahlt, beleidigt. Mal verspricht er, das Nachbarland Kenia binnen zwei Wochen zu erobern, mal kündigt er die Kastration von Mitarbeitern von Oppositionellen an.
Letzteres war für die europäischen Botschafter im Land dann doch Anlass genug, am vergangenen Mittwoch das Gespräch mit Museveni-Vertrauten zu suchen. Schließlich hatte Kainerugaba (51) vor einigen Wochen gar damit geprahlt, den Bodyguard des wichtigsten Oppositionspolitikers Robert Kyagulanyi, genannt Bobi Wine, in seinem Keller festzuhalten und zu foltern. Als der Personenschützer freikam, wies er eindeutige Spuren von Misshandlungen auf.
Was als vertrauliche Unterhaltung der Diplomaten mit General Salim Saleh, einem einflussreichen Bruder von Museveni, geplant war, hat sich zu einer diplomatischen Krise entwickelt, in deren Mittelpunkt der deutsche Botschafter Matthias Schauer steht. „Wir haben Hinweise, dass der deutsche Botschafter in subversive Aktivitäten verwickelt ist“, ließ Armeesprecher Chris Magezi in einer offiziellen Erklärung verlauten. Beweise legte er nicht vor.
Die Vorwürfe seien „absurd, entbehren jeder Grundlage“, teilte eine Sprecherin des Auswärtigen Amts in Berlin mit. Beobachter gehen davon aus, dass hinter den Kulissen in diesen Tagen sämtliche Gesprächskanäle genutzt werden. Bislang aber bleibt die Meldung der Armee von ugandischer Seite aus unwidersprochen. Alle militärischen und verteidigungspolitischen Kooperationen mit Deutschland würden mit sofortiger Wirkung ausgesetzt, hieß es darin.
Allerdings ist gar kein derartiges Abkommen aktenkundig. Gemeint ist womöglich, dass Uganda das größte Truppenkontingent der Mission der Afrikanischen Union in Somalia stellt, die unter anderem von der EU und damit auch deutschen Geldern mitfinanziert wird. Diese Zusammenarbeit bleibt aber formal bestehen.
Wahrscheinlich geriet Schauer mit besonderer Wucht ins Visier von Kainerugaba, weil Video-Schnipsel des Botschafter-Treffens mit dem Museveni-Bruder in sozialen Netzwerken wie TikTok auftauchten. Zugegen waren zahlreiche europäische Diplomaten, zu sehen war aber in erster Linie Schauer, der sich, so möchte man meinen, völlig zurecht zu Wort meldete.
Warnung vor Imageschaden für Uganda
Der Deutsche wurde in einer Zeitung aus Kampala mit den Worten zitiert, er habe bei dem Treffen mit Bezug auf Kainerugabas Tweets gesagt: „Wir versuchen darzulegen, dass wir uns Sorgen um den Imageschaden machen, den das für das Land (Uganda) verursacht.“
Schon am 10. Mai hatte es ein Treffen europäischer Diplomaten mit Bobi Wine gegeben, das die Regierung erzürnte. Dabei war auch Schauer zugegen, bestätigt Wines Sprecher Waiswa Mufumbiro WELT: „Wir haben die Botschafter ermutigt, ihre Stimme gegen die Missstände zu erheben – Botschafter Schauer ist dem mit besonderer Konsequenz nachgekommen.“ Das sei dringend nötig: „Nicht nur die Opposition ist in Gefahr, sondern das ganze Land.“
Die Replik an Schauer kam von Kainerugaba persönlich – auf X: „Wir haben ein Problem mit dem derzeitigen deutschen Botschafter in Uganda. Es liegt an ihm als Person. Er ist völlig ungeeignet, in Uganda zu sein. Das hat nichts mit dem großartigen deutschen Volk zu tun, das ich sehr bewundere.“
Zur „Persona non grata“, zur unerwünschten Person, die das Land verlassen muss, wurde Schauer bislang nicht erklärt. Kainerugaba mag eine Schlüsselfigur im Machtapparat des Landes sein, zur Regierung gehört er aber offiziell nicht.
Eine Rolle dürfte auch gespielt haben, dass Wine Teil des Programms Parlamentarier schützen Parlamentarier (PsP) des Deutschen Bundestags war. Im Rahmen dieses Programms übernahm die Bundestagsabgeordnete Luise Amtsberg (Bündnis 90/Die Grünen) im Jahr 2018 eine Patenschaft für den ugandischen Oppositionspolitiker.
Ziel des Programms ist es, gefährdete Abgeordnete weltweit durch politische Patenschaften zu unterstützen und auf Menschenrechtsverletzungen aufmerksam zu machen.
Der Schutz ist offenbar auch weiterhin nötig: Kainerugaba hat öffentlich Morddrohungen gegen Wine ausgesprochen. Er ist der populärste Herausforderer von Museveni, seit der vor 39 Jahren an die Macht kam – und von einem vom Westen gefeierten demokratischen Hoffnungsträger zu einem zunehmend autokratisch regierenden Präsidenten wurde.
Während Uganda sich den für Anfang nächsten Jahres angesetzten Parlamentswahlen nähert, reagiert die Regierung zunehmend feindselig auf Kritik, politische Gegner werden inhaftiert.
Ein Politikwissenschaftler einer Universität, der anonym bleiben möchte, sagte: „Die Regierung ist derart in Panik, dass sie sogar einen Partner angreift, der Programme im Land finanziert. Sie attackiert jeden, der sich gegen sie stellt, je näher die Wahlen rücken. Museveni hat nicht einmal den Mut, seinen eigenen Sohn zu maßregeln.“
Gegenüber WELT spielte Armee-Sprecher Magezi mögliche Auswirkungen auf den ugandischen Friedenseinsatz in Somalia herunter, der zu erheblichen Teilen von Deutschland mitfinanziert wird. „In Somalia leistet Deutschland seine Unterstützung über die Europäische Union. Sie stellt das Geld für den Betrieb des Programms bereit, und wir stellen die Soldaten vor Ort. Das ist eine internationale Kooperation über Partner wie die EU und die Afrikanische Union“, sagte Magezi am Telefon.
Vergleich mit AfD-Treffen
„Es ist eine Win-win-Situation – aber das bedeutet nicht, dass sich der deutsche Botschafter in die inneren Angelegenheiten Ugandas einmischen darf“, fügte er hinzu. Magezi verglich die angebliche Unterstützung der Opposition durch den Botschafter mit einem hypothetischen Fall in Deutschland.
„Dürften unsere Diplomaten in Deutschland mit Vertretern der rechtsextremen AfD sprechen? Wenn sie das täten, würden sie mit dem ersten Flugzeug nach Hause geschickt“, behauptete er. In Uganda würden europäische Diplomaten mit der Opposition und gefährlichen Gruppen reden: „Das können wir nicht zulassen.“
Christian Putsch ist Afrika-Korrespondent. Er hat im Auftrag von WELT seit dem Jahr 2009 aus über 30 Ländern dieses geopolitisch zunehmend bedeutenden Kontinents berichtet.
Haftungsausschluss: Das Urheberrecht dieses Artikels liegt bei seinem ursprünglichen Autor. Der Zweck dieses Artikels besteht in der erneuten Veröffentlichung zu ausschließlich Informationszwecken und stellt keine Anlageberatung dar. Sollten dennoch Verstöße vorliegen, nehmen Sie bitte umgehend Kontakt mit uns auf. Korrektur Oder wir werden Maßnahmen zur Löschung ergreifen. Danke