Was hilft wirklich, um Messerattacken zu verhindern? Nach dem Amoklauf einer psychisch kranken Deutschen in Hamburg diskutiert die Politik wieder mal über bessere Strategien.

Sie stach wahllos zu und verletzte in wenigen Minuten 18 Menschen, einige schwer: Der Amoklauf einer psychisch kranken Deutschen am Hamburger Hauptbahnhof am Freitagabend hat bundesweit für Entsetzen gesorgt.

Die Tat reiht sich ein in eine Serie von Attacken in den vergangenen Wochen in ganz Deutschland, bei denen Messer zum Einsatz kamen. So hatte am Donnerstag ein 13-Jähriger an einer Berliner Schule einen Zwölfjährigen mit einem Messer lebensgefährlich verletzt. Am Samstag kam es in Düsseldorf zum Streit unter Obdachlosen, in dessen Verlauf ein Mann auf zwei andere Männer einstach und schwer verletzte.

Messerattacke in Hamburg Ein Tschetschene und ein Syrer stoppten die Täterin am Hauptbahnhof

Die größere Bedrohungslage ist nicht nur ein Gefühl. Laut der jüngsten Kriminalstatistik haben Fälle von gefährlicher und schwerer Körperverletzung mit Messern im vergangenen Jahr tatsächlich drastisch zugenommen – um fast elf Prozent. In Nordrhein-Westfalen stieg die Zahl der Angriffe mit Messern sogar um fast 50 Prozent. Inzwischen werden 13 Prozent aller Gewaltverbrechen mit Messern begangen. Etwas weniger als die Hälfte der Täter sind Nicht-Deutsche.

Wie kann Messergewalt eingedämmt werden? Hier sind vier der wichtigsten Maßnahmen, die derzeit diskutiert werden. 

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Was hilft gegen Messerattacken? Bundesweites Verbot gefordert

Schon jetzt gibt es vielerorts Messerverbotszonen. In Nordrhein-Westfalen wurden sie Ende 2021 eingeführt: In der Düsseldorfer Altstadt ist es etwa zu festgelegten Zeiten (am Wochenende, mancherorts auch rund um die Uhr) verboten, Messer mit sich zu führen. Manche Bundesländer wie Brandenburg verzichten bislang noch darauf. Dort ist lediglich das Tragen von Messern bei bestimmten Veranstaltungen oder im Nahverkehr untersagt. 

Der für Inneres zuständige Vizefraktionschef von CDU/CSU, Günter Krings, will diese Verbote an bestimmen Orten ausweiten. "Es geht dabei nicht um ein Totalverbot, sondern um einen klaren rechtlichen Rahmen: Wer bei Großveranstaltungen, auf Schulhöfen oder in Gefahrengebieten ein Messer mit sich führt, der muss mit Konsequenzen rechnen", sagt Krings dem stern.

Bluttat am Hauptbahnhof 39-Jährige schon vor Messerattacke von Hamburg auffällig

Der SPD-Innenpolitiker Sebastian Fiedler, geht noch weiter. "Wir brauchen ein bundesweites Messerverbot in Deutschland", sagte der frühere Kriminalhauptkommissar dem stern. "Wir müssen erreichen, dass auf der Straße weniger Messer getragen werden." Dies gelinge nicht, wenn jedes Bundesland eine andere Regelung habe. 

Für Handwerker und andere Berufsgruppen, die Messer bei der Arbeit benötigten, würde es Ausnahmeregelungen geben, so Fiedler. Auch Taschenmesser wären ausgenommen. In der Ampel hatte es von Seiten der FDP immer Widerstand gegen ein grundsätzliches Verbot gegeben. 

Auch die Gewerkschaft der Polizei (GdP) setzt sich für ein bundesweites Verbot ein. "Messer haben nichts auf der Straße, am Bahnhof oder an öffentlichen Plätzen zu suchen", sagte der Bundesvorsitzende Jochen Kopelke dem stern. "Ein bundesweites Verbot kann ein wichtiger Schritt sein." Waffenverbotszonen würden "zu kurz" greifen. 

"Spürbare Wirkung erzielen nur konsequente Kontrollen, schnelle und empfindliche Strafen sowie gezielte Prävention. Dafür fehlt es jedoch an ausreichend Personal", so Kopelke weiter. Notwendig seien "klare, verständliche Regeln im Waffenrecht, mehr Polizeikräfte und stärkere Präventionsangebote, besonders für Jugendliche und Intensivtäter". Nur so lasse sich "die zunehmende Messergewalt wirksam reduzieren und das subjektive Sicherheitsgefühl erhöhen".

Videoüberwachung mit Künstlicher Intelligenz

Ebenfalls aus der Gewerkschaft der Polizei kommt ein Vorschlag mit einem neuen Ansatz: eine mit künstlicher Intelligenz unterstützte Videoüberwachung. Laut "Hamburger Abendblatt" fordert GdP-Mann Andreas Roßkopf, Polizeibeamte an Bahnhöfen mit KI-unterstützter Kameratechnik auszustatten, "die auch Verhaltenserkennung beinhaltet". 

Anders als bei der herkömmlichen Videoüberwachung würden nicht nur Menschen aufgenommen, sondern parallel ihre Bewegungen analysiert und interpretiert. Ähnliches hatte in der Vergangenheit schon Hamburgs Innensenator Andy Grote (SPD) vorgeschlagen. An einem öffentlichen Platz in der Nähe des Hauptbahnhofes wird eine solche KI-basierte Videoüberwachung bereits erprobt.

Das Problem bei Messerattacken ist laut Sicherheitsexperten jedoch, dass sie aus nächster Nähe erfolgen, oft lautlos ablaufen und in kürzester Zeit viele Menschen schwer verletzt werden können. Selbst wenn es gelänge, potenzielle Täter und Täterinnen zu identifizieren, könnte es an Zeit zum Eingreifen mangeln. 

Bessere Vorbereitung der Polizei

Haben die Sicherheitsbehörden potenzielle Attentäter im Blick? Daran gab es zuletzt immer wieder Zweifel. Der SPD-Innenexperte Sebastian Fiedler fordert deshalb ein besseres Bedrohungsmanagement der Sicherheitsbehörden. "Für Hinweise auf potenzielle Gewalttäter müsste es bei allen Polizeibehörden des Bundes und der Länder standardisierte Verfahrensabläufe geben." Das fange bei einem einheitlichen Sprachgebrauch an und sollte in verbindlichen Empfehlungen für weitere Schritte münden. Das betreffe Fälle von gewaltaffinen Schülern über islamistische Gefährder bis hin zu psychisch erkrankten Personen. 

Auch Polizeipräsenz spielt laut Sicherheitsexperten eine Rolle. Der Vizefraktionschef der Grünen, Konstantin von Notz, kritisiert, dass die Kapazitäten der Bundespolizei nun für die Kontrollen der Grenzen gebunden sind. "An besonderen Gefährdungsorten wie Flughäfen und Bahnhöfen braucht es die Präsenz von ausreichend Polizistinnen und Polizisten", sagte von Notz dem stern. "Ich erwarte vom Bundesinnenminister, dass er das sicherstellt, anstatt das durch fragwürdige Grenzkontrollen zu gefährden." Für den Schutz der Öffentlichkeit brauche es motivierte Polizistinnen und Polizisten. "Das sind sie aber eben nicht, wenn sie – wie im Moment – an den Grenzen viele Überstunden und Sonderschichten schieben müssen." Eine "relevante Anzahl" kündige jetzt wegen Überlastung, so von Notz.

Forensischer Psychiater Täter mit Psychosen: "Häufig sind Ängste die Ursache für Straftaten"

CDU-Innenexperte Krings rät dagegen, den Aspekt Migration nicht aus dem Blick zu verlieren. "Viele Täter der letzten Monate sind polizeibekannt, teilweise mehrfach vorbestraft und hätten längst aus dem Land entfernt werden müssen", sagte Krings. "Wer dauerhaft unser Gastrecht missbraucht und unsere Sicherheitsregeln missachtet, darf sich nicht auf endlose Schutzrechte berufen." CDU/CSU wollten deshalb Intensivtäter leichter abschieben. 

Bessere Versorgung psychisch Kranker

Die Täterin in Hamburg war offenbar psychisch krank. Vor dem Angriff war die Frau für drei Wochen in einer Psychiatrie behandelt worden, erst am Tag vor dem Angriff wurde sie entlassen. Auch bei den Anschlägen in Aschaffenburg, ebenfalls mit einem Messer, oder in Magdeburg, damals mit einem Auto, lagen zu den Tätern Hinweise auf psychische Probleme vor. Die CDU forderte deshalb im Wahlkampf eine neue Gefährderkategorie einzuführen, für solche mit "gemischter und instabiler Motivation". 

Eine deutschlandweite Statistik darüber, wie häufig psychisch kranke Menschen für Gewalttaten mit Messern verantwortlich sind, gibt es nicht. Laut Studien ist das Gewaltpotenzial unter Menschen mit psychischen Erkrankungen geringfügig höher als in der Gesamtbevölkerung. US-Wissenschaftler haben im Jahr 2021 die Fälle von 35 Amokläufern untersucht, die drei oder mehr Menschen getötet hatten. 28 der 35 Täter hatten eine psychiatrische Diagnose.

Die Antwort aus der psychologischen Fachwelt lautet deshalb schon länger: Prävention und frühes Eingreifen. Sicherheitsbehörden sollen besser mit Psychiatrien und Psychologen zusammenarbeiten, so will es die Union. Oft aber mangelt es an Therapieplätzen, an psychosozialer Betreuung oder an Platz im Maßregelvollzug, wo psychisch kranke Täter untergebracht werden. 

Der Grüne Konstantin von Notz kritisiert: "Mit dem aktuellen Fall aus Hamburg wird wieder einmal deutlich, dass wir in Deutschland offenkundig nicht genügend medizinische Kapazitäten haben, um psychisch kranke Menschen ausreichend gut zu betreuen." Das müsse sich dringend ändern, in die Prävention solcher Taten müsse mehr Geld fließen. "Das klingt erst einmal wenig schneidig, ist aber nötig, um die Öffentlichkeit zu schützen."

Der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Alexander Throm (CDU), will "eine ehrliche Debatte", wer die "überwiegenden Tätergruppen hinter diesen Anschlägen" sind. Throm zum stern: "Davor müssen wir unser Land besser schützen: Psychisch kranke Gewalttäter gehören nicht auf die Straße, jedenfalls nicht unbewacht. Und der massiv überproportionale Anteil der Ausländerkriminalität in diesem Bereich erfordert auch eine deutliche migrationspolitische Antwort." Ausländische Gewalttäter müssten ihr Aufenthaltsrecht verlieren, so wie im Koalitionsvertrag vereinbart. 

Am Mittwoch trifft sich Koalitionsausschuss der Bundesregierung zum ersten Mal. Dann könnten auch Strategien zur Bekämpfung von Messergewalt Thema sein. 

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